Moraltheologe

Moraltheologe

Die Theologische Ethik ist eine der Grunddisziplinen der Theologie. Sie befasst sich mit der Reflexion des moralisch Guten im Kontext christlicher Theologie.

Inhaltsverzeichnis

Untergliederung der Disziplin

Die theologische Ethik wird im Fächerkanon der christlichen Theologie der systematischen Theologie zugeordnet - zusammen mit Dogmatik, Religionsphilosophie und Fundamentaltheologie. Das traditionelle Fach Christliche Gesellschaftslehre (CGL) wird an einigen Fakultäten als Teilbereich theologischer Ethik aufgenommen, teilweise entsprechend einem Fachverständnis, welches die CGL als Sozialethik und angewandte Ethik einer v.a. invidualethisch konzipierten Fundamentalethik gegenüberstellt.

Die theologische Ethik umfasst sowohl die Reflexion des sittlich Guten vom Standpunkt des Individuums - die sog. Individualethik - wie auch die Kriterien einer gerechten Gesellschaft - die sog. Sozialethik. Beide Großdisziplinen theologischer Ethik lassen sich in zahlreiche Unterdisziplinen weiterunterteilen und werden oftmals an zwei verschiedenen Lehrstühlen verfolgt. Die wissenschaftstheoretische Grundlegung theologischer Ethik wird dabei oftmals als Fundamentalethik oder Fundamentalmoral, hin und wieder auch als Moraltheologie bezeichnet. Ihr wird oftmals auch der philosophisch-theologische Traktat theologischer Anthropologie (insb. im Blick auf Handlungstheorie und Freiheit) sowie die Lehre vom Gewissen unterstellt. Teils quer zu der Unterscheidung der Hinsicht auf das Individuum (Gewissen) und die Gesellschaft (Gerechtigkeit, Institutionen) wird das Stoffgebiet nach Gegenstandsbereichen unterteilt, darunter: (jeweils: theologische) Bioethik, Medizinethik, Wirtschaftsethik, Kulturethik, Sportethik, Medienethik, Bildungsethik, Sexualethik, Politische Ethik, Institutionenethik usf.

Methode

Ob und wie in die methodische Durchführung Voraussetzungen göttlicher Offenbarung Eingang finden, wird ebenso wie viele andere Fragen der Feinbestimmung von Methode und Gegenstand von verschiedenen Fachvertretern unterschiedlich beurteilt. Im Anschluss an seit den 1960er Jahren geführte Kontroversen unterscheidet man glaubensethische und autonome Ansätze der Begründung des Sittlichen. Erstere - auch hierfür wird gelegentlich der Ausdruck Moraltheologie in spezifischer Zuspitzung gebraucht - gehen davon aus, dass erst im Horizont christlichen Selbst- und Weltverständnisses ein Vollbegriff von Vernunft und vom Guten möglich ist, letztere betonen, dass für die Begründung des Guten eine autonome, universell begründbare Argumentation notwendig ist, dass deren Ergebnisse aber in den Kontext christlicher Vorstellungen zu integrieren sind, wobei Kritik nach beiden Seiten möglich bleibt. Als Glaubensethiker gelten u.a. Bernhard Stoeckle, Joseph Ratzinger[1], Heinz Schürmann[2], Robert Spaemann[3] oder Hans Urs von Balthasar[4]. Hier besteht oft eine starke Kontinuität zu traditionellen Positionen, die von einer natürlichen Vorgegebenheit des Moralischen ausgehen (siehe auch Naturrecht). Als Vertreter einer autonomen Moralbegründung gelten u.a. Franz Böckle und Alfons Auer. Religiöse Kontexte haben hier den Status eines erweiterenden Motivations- und Sinnhorizonts, sind aber nicht argumentative Voraussetzung der moralischen Urteilsfindung. Faktisch verfolgen heute nur noch wenige theologische Ethiker das Programm einer strikten Glaubensethik. Entsprechend des weiten Felds moderner Ansätze zur Begründung des moralischen Richtigen werden auch in der heutigen theologischen Ethik divergierende Forschungsprogramme verfolgt. In der Metaethik werden faktisch überwiegend realistische Positionen verteidigt, die allenfalls z.B. dahingehend abgeschwächt werden, Vorbehalten gegenüber allgemeinen Regulierungen konkreter Konfliktsituationen gerecht zu werden.

Geschichte der Disziplin

Biblische Vorstellungen des Sittlichen

Sowohl nach frühesten jüdischen wie christlichen Auffassungen besteht zwischen Glauben und Sittlichkeit ein Zusammenhang, der es erlaubt, für eine Religion spezifische sittliche Vorstellungen zu unterscheiden. Die Feinerbestimmung wird aber unterschiedlich verstanden.

Neuzeit

Der Ausdruck "theologia moralis" wird nebst Entsprechungen bereits in hochmittelalterlichen Texten verwendet. Ihr Gegenstand fällt aber z.B. unter die Gotteslehre, wird daneben seit der Patristik z.B. auch in unabhängigen monographischen Darstellungen behandelt[5] und "war harmonisch in das Ganze der Theologie eingebettet"[6]. Das ändert sich in der Breite erst in der Manualistik des 16. Jh. und nach der Entwicklung des theologischen Fächerkanons in der nachtridentinischen Studienreform.[7]

Literatur

  • Alfons Auer: Autonome Moral und christlicher Glaube : mit einem Nachtrag zur Rezeption der Autonomievorstellung in der katholisch-theologischen Ethik. 2. Aufl., unveränd. Nachdr. Düsseldorf: Patmos-Verlag 1989.
  • Franz Böckle: Fundamentalmoral. 4. Aufl. München: Kösel 1985.
  • Klaus Demmer: Deuten und Handeln: Grundlagen und Grundfragen der Fundamentalmoral. Freiburg, Schweiz: Universitätsverl. 1985.
  • Klaus Demmer: Moraltheologische Methodenlehre, Freiburg 1989.
  • Klaus Demmer: Art. Moraltheologie, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 23, 297-302.
  • Gerhard Ebeling: Die Evidenz des Ethischen und die Aufgabe der Theologie, in: ders.: Wort und Glaube II. Beiträge zur Fundamentaltheologie und zur Lehre von Gott, Tübingen 1969, 1-41.
  • Gerhard Ebeling: Zum Verhältnis von Dogmatik und Ethik, in: ZEE 26, 1982, 10-18.
  • James Gustafson: Ethics from a Theocentric Perspective, 2 Bde., 1983/84.
  • Stanley Hauerwas: Selig sind die Friedfertigen. Ein Entwurf christlicher Ethik, Neukirchen-Vluyn 1995.
  • Christofer Frey: Die Ethik des Protestantismus von der Reformation bis zur Gegenwart, Gütersloh 1994.
  • Martin Honecker: Einführung in die Theologische Ethik. Grundlagen und Grundbegriffe, Berlin/New York 1990.
  • Martin Honecker: Grundriss der Sozialethik, Berlin/New York 1995 [Lit.!].
  • Ulrich H. J. Körtner: Evangelische Sozialethik. Grundlagen und Themenefelder, Göttingen 1999 (Lit.!).
  • Ulrich H. J. Körtner: Freiheit und Verantwortung. Studien zur Grundlegung theologischer Ethik, Freiburg i.Ue./Freiburg i.B. 2001.
  • Dietmar Mieth: Moral und Erfahrung . Band 1: Grundlagen einer theologisch-ethischen Hermeneutik. 4. überarb. und erg. Neuaufl. 1999 / Band 2: Entfaltung einer theologisch-ethischen Hermeneutik. 1998
  • Wolfgang Nethöfel: Moraltheologie nach dem Konzil: Personen, Programme, Positionen, Vandenhoeck & Ruprecht 1987, ISBN 3525565291.
  • Wolfhart Pannenberg: Die Krise des Ethischen und die Theologie. Gesammelte Aufsätze, in: ders.: Ethik und Ekklesiologie, Göttingen 1977, 41-54.
  • Joseph Ratzinger: Prinzipien christlicher Moral. Unter Mitarbeit von Heinz Schürmann und Hans Urs von Balthasar. Einsiedeln: Johannes Verl. 1975.
  • Trutz Rendtorff: Ethik. Grundelemente, Methodologie und Konkretionen einer ethischen Theologie, 2 Bde, Stuttgart u.a. 2. Aufl. 1990.
  • Bruno Schüller: Die Begründung sittlicher Urteile. Typen ethischer Argumentation in der Moraltheologie, Düsseldorf 1973.
  • Rudolf Smend / Wolfgang Schrage / Eric Osborn / Johannes Gründel / Trutz Rendtorff: Art. Ethik, III.-VII., in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 10, 423-517.
  • Thomas Schirrmacher: Ethik., 7 Bde, 4. korrigierte Aufl. 2009, Verlag für Theologie und Religionswiss. / Reformatorischer Verlag Beese, ISBN 3933372550.

Einzelnachweise

  1. Vgl. u. a. Ratzinger, J. (Hg.): Prinzipien christlicher Moral, Einsiedeln 1975, 41–66
  2. Vgl. Die Frage nach der Verbindlichkeit der neutestamentlichen Wertungen und Weisungen, in: Ratzinger 1975, 173–193
  3. Vgl. Wovon handelt die Moraltheologie?, in: Katholische Zeitschrift 6 (1977), 289–311
  4. Vgl. Neun Sätze zur christlichen Ethik, in: Ratzinger 1975, 67–93
  5. Vgl. zum Vorstehenden z.B. Konrad Hilpert: Art. Moraltheologie, in: Lexikon für Theologie und Kirche, 3. A., Bd. 7, 462-467, hier 467
  6. Klaus Demmer, Art. Moraltheologie, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 23, 295-302
  7. Vgl. Demmer, 295

Weblinks


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