Mittelalterliche Warmzeit

Mittelalterliche Warmzeit
Temperaturvariationen im Holozän.

Als Mittelalterliche Warmzeit (auch Mittelalterliches Klimaoptimum genannt) wird eine relativ schwach ausgeprägte zweigipflige Zwischenerwärmung in der generell abnehmenden Temperaturkurve zumindest der Nordhemisphäre bezeichnet. Sie folgte auf das kalte Pessimum der Völkerwanderungszeit und endete mit Beginn der sog. „Kleinen Eiszeit“. Je nach untersuchter Region und Quelle werden für Beginn und Dauer dieser Periode unterschiedliche Angaben gemacht. So sind z.B. für Grönland sind zwei Gipfel jeweils im 8. und 10. Jh. nachgewiesen.

Inhaltsverzeichnis

Verbreitung

Nach heutigem Kenntnisstand lagen die Durchschnittstemperaturen der nördlichen Hemisphäre im wärmsten Abschnitt der Mittelalterlichen Warmzeit (zwischen 950 und 1000) etwa 0,1 °C bis 0,2 °C unter der vorletzten CLINO-Periode.[1]

Die Anbaugrenzen in den deutschen Mittelgebirgen reichten etwa 200 m höher als gegenwärtig, so dass die Kulturlandschaft Deutschlands im Hochmittelalter ihre größte Ausdehnung erfuhr. Der Flächenanteil des Waldes ging in dieser Phase auf unter 20 % zurück.[2]

Das im Vergleich zur Völkerwanderungszeit wärmere Klima erlaubte den Weinanbau sogar in Ostpreußen, Pommern und Südschottland. Getreideanbau war in Norwegen bis fast zum Polarkreis möglich. Gleichzeitig zog sich das Packeis im nördlichen Atlantik nach Norden zurück. Ebenso ermöglichte die Erwärmung den Skandinaviern die dauerhafte Besiedelung Islands (seit etwa 870) und Grönlands (seit 986, siehe Grænlendingar).

Weniger stark ausgeprägt verlief die Mittelalterliche Warmzeit in anderen Teilen der Welt, jedoch lässt sie sich sogar in Neuseeland nachweisen.[3] In anderen Teilen der Welt führte sie zu deutlich feuchterem Klima, etwa in der Wüste Namib, die während dieser Zeit besiedelt war.

Ursachen

Die milderen Temperaturen während des Mittelalterlichen Optimums können auf eine deutlich verstärkte Sonnenaktivität und weltweit ungewöhnlich geringe Vulkanaktivitäten zurückzuführen sein. Letzteres würde bewirken, dass weniger Aerosole das Sonnenlicht reflektierten und ihre kühlende Wirkung somit reduziert würde.

Andere Theorien verweisen auf periodische Schwankungen (ca. 1.000 – 2.000 Jahre) des Nordatlantikstroms als Ursache. Durch Verdunstung von 0,25 x 106 m³/s Wasser, welches in den Pazifik verfrachtet wird, steigt der Salzgehalt des Atlantik an. Die Zirkulation des globalen Förderbandes soll ca. alle 1.500 Jahre stark ansteigen, um den Salzgehalt auszugleichen. Dies sei mit Temperaturschwankungen des Meerwassers in der Größenordnung von 4 – 5 K verbunden, wodurch sich auch die Temperaturen an Land ändern könnten.[4]

Temperaturen im Vergleich zu heute

Rekonstruierter Temperaturverlauf der letzten 2.000 Jahre nach verschiedenen Quellen. Im Vergleich dazu auch die direkt gemessenen Temperaturen bis einschließlich 2004.

Im Vergleich zu heute wird die damalige Situation wie folgt beschrieben:

The evidence currently available indicates that NH mean temperatures during medieval times (950-1100) were indeed warm in a 2-kyr context and even warmer in relation to the less sparse but still limited evidence of widespread average cool conditions in the 17th century (…). However, the evidence is not sufficient to support a conclusion that hemispheric mean temperatures were as warm, or the extent of warm regions as expansive, as those in the 20th century as a whole, during any period in medieval times (…).

„Die derzeit verfügbaren Belege lassen darauf schließen, dass die mittleren Temperaturen der Nordhemisphäre während der Mittelalterliche Warmzeit (950 – 1100 n. Chr.), im Vergleich der letzten 2000 Jahre, tatsächlich warm waren. Erst recht gilt dies im Vergleich zu den weniger lückenhaften, aber nach wie vor nur begrenzt vorhandenen Zeugnissen für weitverbreitete durchschnittlich kalte Bedingungen im 17. Jahrhundert (…). Trotzdem sind die Nachweise nicht ausreichend, um die Schlussfolgerung zu stützen, dass die hemisphärischen Durchschnittstemperaturen zu irgendeiner Zeit des Mittelalters so warm waren oder das Ausmaß warmer Regionen so groß war, wie dies im gesamten 20. Jahrhundert der Fall gewesen ist (…).“

IPCC: Fourth Assessment Report, Chapter 6: Palaeoclimate[5]

Proxydaten für bestimmte Regionen – z. B. Teile Grönlands – lassen darauf schließen, dass manche Gebiete zumindest zeitweise wärmer waren als heute.[6]

Folgen

Das Mittelalterliche Klimaoptimum ermöglichte eine starke Zunahme der Bevölkerung und der Landwirtschaftsproduktion, sowohl in Hinsicht auf die Erweiterung der Anbauflächen, als auch auf die Höhe qualitativ hochwertiger Ernteerträge. Die Erweiterung der Anbauflächen erforderte eine Umformung der Siedlungsstruktur von Einzelgehöften und Streusiedlungen hin zu Dörfern, die insbesondere östlich der Elbe zu neuen planmäßigen Ortsformen führte, vor allem dem Rundling und dem Angerdorf. Dieser sich wechselseitig bedingende Prozess unter den Stichwörtern „Vergetreidung“ und „Verdorfung“ ist die gesamteuropäische Erscheinung des hochmittelalterlichen Landesausbaus (etwa zwischen 1000 und 1350), in dem vor allem an den Peripherien Europas neue Siedlungsflächen erschlossen werden. Die spezielle Erscheinung im deutschen Bereich wird Deutsche Ostsiedlung genannt.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

 Commons: Mittelalterliche Warmzeit – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Eystein Jansen, Jonathan Overpeck et al. (Working Group I) for the IPCC: Fourth Assessment Report, Chapter 6: Palaeoclimate (PDF 7,7 MB). 2007, S. 497.
  2. Hans-Rudolf Bork, Helga Bork, Claus Dalchow et al.: Landschaftsentwicklung in Mitteleuropa: Wirkung des Menschen auf Landschaften. Klett, Gotha 1998, ISBN 3623008494, S. 328.
  3. Edward R. Cook, Jonathan G. Palmer, Rosanne D. D'Arrigo: Evidence for a ‘Medieval Warm Period’ in a 1,100 year tree-ring reconstruction of past austral summer temperatures in New Zealand. In: Geophysical Research Letters. Vol. 29, 18. Juli 2002, S. 1.667 / 4 pp., doi:10.1029/2001GL014580.
  4. Wallace S. Broecker: Was the Medieval Warm Period Global? (PDF 462 KB). In: Science. Vol. 291, Nr. 5508, 23. Februar 2001, S. 1.497 – 1.499, doi:10.1126/science.291.5508.1497.
  5. Eystein Jansen, Jonathan Overpeck et al. (Working Group I), S. 469 (siehe 3.)
  6. D. Dahl-Jensen, K. Mosegaard, N. Gundestrup, G. D. Clow, S. J. Johnsen, A. W. Hansen, N. Balling: Past Temperatures Directly from the Greenland Ice Sheet (PDF 617 KB). In: Science. Vol. 282, Nr. 5387, 9. Oktober 1998, S. 268 – 271, doi:10.1126/science.282.5387.268.

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