Mistel-Therapie

Mistel-Therapie

Die Misteltherapie ist eine medizinisch nicht anerkannte komplementärmedizinische Behandlungsmethode, die von dem Begründer der Anthroposophie Rudolf Steiner und der Ärztin Ita Wegman initiiert wurde. Sie wird bis heute zumeist innerhalb der anthroposophischen Medizin zur Behandlung von Krebs eingesetzt. Hier gehört sie in Deutschland zu einer der bei Krebserkrankungen am häufigsten eingesetzten komplementärmedizinischen Therapien. Außerhalb des deutschsprachigen Raumes ist die Misteltherapie weitgehend unbekannt und ungebräuchlich. Die Studienlage hinsichtlich der Wirksamkeit der Misteltherapie in der Krebsbehandlung (Verlängerung der Überlebenszeit und Verbesserung der Lebensqualität) ist widersprüchlich. Methodisch einwandfreie Studien zeigen keine Vorteile der Misteltherapie gegenüber Placebo. Studien mit positiven Ergebnissen enthalten methodische Mängel. Ein Wirksamkeitsnachweis nach empirisch-wissenschaftlichen Kriterien steht bisher aus. Ihre Anwendung in der Krebstherapie soll nur als ergänzende Maßnahme und mit Vorsicht erfolgen, da die Misteltherapie mit schwerwiegenden Nebenwirkungen verbunden sein kann.[1] Die Grundlagen der Anthroposophischen Medizin und damit der Misteltherapie werden von einigen Wissenschaftlern als pseudowissenschaftlich angesehen.[2]

Inhaltsverzeichnis

Entstehungsgeschichte

Eine Weißbeerige Mistel (Viscum album)

Rudolf Steiner äußerte sich Ende 1916 erstmals zu den Möglichkeiten einer Behandlung von Krebs mit Mistelextrakten. Die Ärztin Ita Wegman griff seine Anregungen auf und entwickelte 1917 gemeinsam mit einem Zürcher Apotheker das erste Mistelpräparat Iscar, das 1926 in Iscador umbenannt wurde. Rudolf Steiner gab zahlreiche Empfehlungen und Anregungen zur Misteltherapie, auf die sich anthroposophische Ärzte und Mistelforscher heute noch beziehen.

Verwendet wird die Weißbeerige Mistel (Viscum album) verschiedener Wirtsbäume. Die Anwendung der Mistel in der Tumortherapie hat weder eine traditionelle noch eine experimentelle Grundlage, sondern leitet sich aus Anschauungen Steiners ab, der unter anderem auf die Analogie zwischen dem parasitären Wachstumsmuster der Mistel und dem Tumor hinwies.

Die in Anlehnung an Rudolf Steiner entwickelten Präparate enthalten speziell hergestellte Gemische aus Sommer- und Wintersaft der Mistel, die übrigen sind auf einzelne Inhaltsstoffe, insbesondere das Mistellektin-1, standardisiert.

Anwendungsbereiche

Onkologische Behandlung bedeutet heute im engeren Sinne die drei Säulen von Chirurgie, Chemotherapie und Strahlentherapie, im weiteren Sinne lindernde und unterstützende Maßnahmen, dazu psychologische und Selbsthilfe. Die Misteltherapie kann den etablierten Verfahren in allen Phasen einer Krebserkrankung hinzugefügt werden, wenn der Behandler eine Indikation sieht.

In der Regel wird der Extrakt der Mistel vom Patienten unter die Haut (subkutan) oder – im klinischen Rahmen durch Ärzte – direkt in Tumorgewebe gespritzt. Möglich sind außerdem die perorale, die intravenöse Gabe oder die Injektion in bestimmte Körperhöhlen: In Rippenfellspalt und Herzbeutelspalt kann bei krebsbedingten Flüssigkeitsansammlungen eine sterile Entzündung mit anschließender Verklebung, die so genannte Pleurodese beziehungsweise Perikardiodese, angeregt werden.

Anthroposophisch begründete Indikationen zur Misteltherapie sind außerdem die Sarkoidose und andere Autoimmunerkrankungen sowie Arthrosen. Verabreicht werden Mistelextrakte häufig in Form von Injektionen.

Unerwünschte Wirkungen der Misteltherapie betreffen das Herz-Kreislauf-System (Blutdruckabfall oder -anstieg, Verlangsamung des Herzschlags), den Magen-Darm-Trakt (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Dehydratation), das zentrale Nervensystem (Verwirrtheit, Halluzinationen, epileptische Anfälle) sowie das Immunsystem (Fieber, Anstieg der weißen Blutkörperchen im Blut). Lokale Entzündungsreaktionen an der Injektionsstelle (wie Rötung, Schwellung, Schmerzen) sind häufig. Schwerwiegende Komplikationen sind selten, jedoch wurden einige Todesfälle berichtet. Ursache hierfür können allergische Reaktionen sein, die zu einem anaphylaktischen Schock führen können. Nicht angezeigt ist die Misteltherapie während der Schwangerschaft und in der Stillzeit.[1][3]

Das amerikanische Nationale Krebsinstitut empfiehlt die Anwendung der Misteltherapie nur im Rahmen von methodisch hochwertigen Studien. Von einer Anwendung außerhalb von Studien wird aufgrund des fehlenden Wirksamkeitsnachweises abgeraten.[4]

Quellen

  1. a b Edzard Ernst, M. Pittler, B. Wilder (Hrsg.): The Desktop Guide to Complementary and Alternative Medicine. 2. Auflage. Elsevier 2006. S.442
  2. Klaus-Dietrich Bock und Manfred Anlauf: Am Ende des Weges: Magie als Kassenleistung?, zuletzt eingesehen am 7. Oktober 2008
  3. Bauer C, et al.: Anaphylaxis to viscotoxins of mistletoe (Viscum album) extracts. Ann Allergy Asthma Immunol 2005 (94):86-9. PMID 15702822
  4. Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums: Die Mistel in der Krebstherapie: Standard oder alternative Methode?, zuletzt eingesehen am 8. Oktober 2008

Weitere Literatur

  • Lutz Edler: Mistel in der Krebstherapie: Fragwürdige Ergebnisse neuerer klinischer Studien. Dtsch Arztebl 2004; 101(1-2): A-44 / B-39 / C-39
  • E. Ernst, K. Schmidt, M. K. Steuer-Vogt: Mistletoe for cancer? A systematic review of randomised clinical trials. Int J Cancer. 2003; 107: 262-7, PMID 12949804
  • G. S. Kienle, F. Berrino, A. Bussing, E. Portalupi, S. Rosenzweig, H. Kiene: Mistletoe in cancer - a systematic review on controlled clinical trials. Eur J Med Res. 2003 Mar 27; 8 (3): 109-19, PMID 12730032
  • S. Kienle, Gunver, Helmut Kiene und Hans-Ulrich Albonico: Anthroposophische Medizin in der klinischen Forschung. Wirksamkeit, Nutzen, Wirtschaftlichkeit, Sicherheit. Schattauer, Stuttgart 2006, ISBN 3-7945-24713. 

Weblinks


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