Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen

Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen
Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen

Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen steht an der Spitze der Exekutive des Landes Nordrhein-Westfalen. Als Staatsoberhaupt ist er tatsächlich und rechtlich die dominierende Figur im politischen System Nordrhein-Westfalens. Maßgebliche Rechtsgrundlage für sein Amt ist die Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen. Der Ministerpräsident vertritt sein Land als ein durch das Grundgesetz beschränktes staatliches Völkerrechtssubjekt.

Derzeit ist Hannelore Kraft von der SPD die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen; sie ist die erste Frau in diesem Amt.

Inhaltsverzeichnis

Wahl und Amtserledigung

Stellung des Ministerpräsidenten im Staat Nordrhein-Westfalen


Der Ministerpräsident wird vom Landtag in geheimer Wahl ohne Aussprache mit Mehrheit der Mitglieder gewählt. Der Ministerpräsident muss dem Landtag als Abgeordneter angehören. Kommt im ersten Wahlgang keine absolute Mehrheit zustande, reicht es im zweiten und dritten Wahlgang, mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen auf sich zu vereinigen. Enthaltungen und ungültige Stimmen zählen hierbei nicht zu den abgegebenen Stimmen[1]. Der zweite und ein eventueller dritter Wahlgang müssen innerhalb von 14 Tagen nach dem ersten Wahlgang stattfinden. Wird auch im dritten Wahlgang niemand gewählt, findet eine Stichwahl zwischen den zwei Vorgeschlagenen mit der höchsten Stimmenzahl statt. Mit zwei Ausnahmen wurde der Ministerpräsident bisher immer bereits im ersten Wahlgang gewählt, lediglich die Wiederwahl von Franz Meyers am 25. Juli 1966 und die Wahl von Hannelore Kraft am 14. Juli 2010 erfolgten erst im zweiten Wahlgang.

Landtagswahlen und Landesregierungen seit 1946

Da aufgrund des Wahlrechts absolute Mehrheiten einzelner Parteien in den Bundesländern verhältnismäßig selten vorkommen, bildet sich im Landtag normalerweise eine Regierungskoalition, die eine Mehrheit der Abgeordneten aufweist und die Politik der Regierung unterstützt, indem sie von der Landesregierung vorgeschlagenen Gesetzen zustimmt. Zum Ministerpräsidenten wird in der Praxis durchweg ein Landtagsabgeordneter der stärksten Koalitionspartei gewählt. Der Ministerpräsident kann mit einfacher Mehrheit durch konstruktives Misstrauensvotum abgewählt werden. Bislang gab es zwei erfolgreiche konstruktive Misstrauensvoten (1956 und 1966). Die Landesregierung muss zurücktreten, wenn sie dem Volk ein vom Landtag abgelehntes Gesetz zur Abstimmung vorlegt und dieses abgelehnt wird. Der Ministerpräsident kann jederzeit auch freiwillig zurücktreten. Tritt nach einer Landtagswahl ein neuer Landtag zusammen, gilt die Amtsperiode des Ministerpräsidenten ebenfalls als beendet. Die Legislaturperiode beträgt in der Regel fünf Jahre. Die Verfassung bestimmt aber in all diesen Fällen, dass bis zur Wahl eines neuen Ministerpräsidenten bzw. seiner Wiederwahl der bisherige Ministerpräsident und die bisherigen Minister weiterhin die Geschäfte zu führen haben.

Das Volk hat keinen direkten Einfluss auf die Wahl des Ministerpräsidenten, sondern nur indirekt über die in den Landtagswahlen gewählten Volksvertreter. In der Praxis küren die Parteien im Vorfeld der Landtagswahlen „Spitzenkandidaten“, von denen nach einer erfolgreichen Koalitionsbildung der Spitzenkandidat des größten Koalitionspartners im Regelfall zum Ministerpräsidenten gewählt wird. Im Mittelpunkt des Landtagswahlkampfes stehen daher auch immer die Spitzenkandidaten vor allem der größeren Parteien.

Stellung und Aufgaben

Zusammen mit seinen Landesministern bildet der Ministerpräsident die Landesregierung. Die Landesminister seines Kabinetts ernennt und entlässt er nach eigenem Ermessen. Der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens besitzt laut Verfassung die Richtlinienkompetenz. Die Landesminister leiten ihre Ministerien nach dem Ressortprinzip. In der Praxis werden die Landesminister durch die Parteien der Regierungskoalition im Verhältnis ihrer Größe im Landtag gestellt. Durch die Resortaufteilung der Regierung sowie durch die meist notwendige Koalition zur Bildung einer Regierung (vgl. Koalitionsvertrag), verfügt der Ministerpräsident in der Praxis nicht über die uneingeschränkte Richtlinienkompetenz, sondern muss auch die politischen Vorstellungen des oder der (kleineren) Koalitionspartner berücksichtigen. Über die Möglichkeit konstruktiver Mißtrauensvoten sowie beispielsweise über die Zustimmung der Haushaltsentwürfe der Regierung, besitzt der Landtag weitreichende Kontrollmöglichkeiten der Regierung. Insgesamt zeigt sich im Verhältnis von Ministerpräsident und Legislative das Prinzip der Gewaltenverschränkung, das der Ausgestaltung der Landesverfassung zu Gunde liegt.

Die meisten Landesbehörden sind dem Ministerpräsidenten indirekt nachgeordnet. Als oberste Landesbehörden gelten dabei auch die Landesministerien. Darunter sind die Landesoberbehörden (landesweit zuständige Behörden z. B. das Landeskriminalamt), darunter die Landesmittelbehörden (bei den Bezirksregierungen angesiedelte Behörden), darunter die unteren Landesbehörden (z. B. die Kreispolizeibehörden). Die Aufgaben der unteren und mittleren Landesbehörden werden teils auch von Organen der kommunalen Selbstverwaltung, z. B. den Landräten oder den Kommunalverbänden, wahrgenommen. Über die Beamtenauswahl, Verordnungen und die allgemeine Dienstaufsicht, steuert die Landesregierung die Landesbehörden. Eine gewisse fachliche Autonomie genießen aber die sogenannten obersten Landesbehörden wie beispielsweise der eher vom Landtag kontrollierte Landesrechnungshof sowie der weitgehend autonome Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, soweit dieser als Behörde in Erscheinung tritt; fachlich unterliegt dieser wie alle Gerichte in Trägerschaft des Landes ohnehin der richterlichen Unabhängigkeit. In beschränktem Maß wirkt aber die Regierung bzw. das Justizministerium an der Besetzung der Gerichte und damit auch an der Besetzung von drei der insgesamt sieben Richterstellen am Verfassungsgerichtshof mit.

An der Legislative wirkt der Ministerpräsident bzw. die gesamte Regierung mit, indem sie Gesetzesvorlagen dem Landtag unterbreitet. Da sich die Regierung in der Praxis auf eine entsprechende Koalition stützt, ist dieses Initiativrecht bedeutend. In der Praxis kaum bedeutsam ist dagegen die Möglichkeit, vom Landtag abgelehnte Gesetzentwürfe dem Volk zum Volksentscheid vorzulegen. Wird dieser Vorlage vom Volk jedoch entsprochen, kann die Landesregierung den Landtag auflösen, so dass eine Neuwahl des Landtages stattfindet.

Die Landesregierung vertritt das Land maßgeblich[2] im Bund. Die Landesregierung entsendet dazu sechs Vertreter in den Bundesrat, die nach Art. 51 GG Mitglieder der Landesregierung sind. Da die Länder im Bundesrat geschlossen abzustimmen haben, ist es in Koalitionsregierungen üblich, dass das Land Nordrhein-Westfalen nur dann einem Antrag zustimmt, wenn sich die Koalitionspartner in dieser Frage einig sind. In Fall der Uneinigkeit enthält sich das Land bei der Abstimmung, was im Bundesrat einer Nein-Stimme gleichkommt. Die Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten ist dann nicht von Bedeutung.

In erster Linie ist der Ministerpräsident wie gezeigt ein Organ der Exekutive und wirkt nur in beschränktem Maß an der Legislative und über das Justizministerium an der Judikative mit. Da er das Land nach außen vertritt, Staatsverträge und Landesgesetze unterzeichnet, ist der Ministerpräsident aber auch das faktische Staatsoberhaupt des Landes, das wie alle Länder der Bundesrepublik ein staatsrechtliches Völkerrechtssubjekt mit vom Grundgesetz der Bundesrepublik beschränkten Rechten ist.

Stellvertreter

Der Ministerpräsident beauftragt ein Mitglied der Landesregierung mit seiner Stellvertretung und zeigt dies dem Landtag an (Art. 52 Abs. 3 LV). Im Falle einer Koalitionsregierung wählt er dazu meist einen Minister des Koalitionspartners aus. In der von der Verfassung geforderten Geschäftsordnung der Landesregierung (Geschäftsordnung der Landesregierung Nordrhein-Westfalen (GOLR) vom 1. Juni 2005) wird in Paragraph 4 die Stellvertretung näher bestimmt.

Staatskanzlei

Die Staatskanzlei unterstützt den Ministerpräsidenten in seinem Amt. Sitz der Staatskanzlei ist das Bürohochhaus Stadttor im Regierungsviertel Düsseldorf.

Bisherige Ministerpräsidenten

Die Ministerpräsidenten des Landes waren:

Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen
Nr. Name Lebensdaten Partei Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit Kabinett Anmerkung Bild
1 Rudolf Amelunxen 1888–1969 (Zentrum)[3] 1946 1947 Amelunxen I
Amelunxen II
ernannt durch die
britische Militärregierung
Bild[4]
2 Karl Arnold 1901–1958 CDU 1947 1956 Arnold I
Arnold II
Arnold III
abgewählt durch konstruktives Misstrauensvotum Karl Arnold Briefmarke Detail.jpg
3 Fritz Steinhoff 1897–1969 SPD 1956 1958 Steinhoff Bundesarchiv Fritz Steinhoff.jpg
4 Franz Meyers 1908–2002 CDU 1958 1966 Meyers I
Meyers II
Meyers III
abgewählt durch konstruktives Misstrauensvotum Franz Meyers ex Ludwig Erhard 1965 FdG 1.jpg
5 Heinz Kühn 1912–1992 SPD 1966 1978 Kühn I
Kühn II
Kühn III
Bundesarchiv B 145 Bild-F023752-0007 Heinz Kühn cropped.jpg
6 Johannes Rau 1931–2006 SPD 1978 1998 Rau I
Rau II
Rau III
Rau IV
Rau V
später Bundespräsident Bundesarchiv B 145 Bild-F073460-0009, Bundespressekonferenz, Bundestagswahlkampf, Rau.jpg
7 Wolfgang Clement * 1940 SPD 1998 2002 Clement I
Clement II
Amtsaustritt durch Übernahme des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit
Wolfgang Clement.jpg
8 Peer Steinbrück * 1947 SPD 2002 2005 Steinbrück später Bundesminister der Finanzen Peer-steinbrueck-mai2008-bonn.jpg
9 Jürgen Rüttgers * 1951 CDU 2005 2010 Rüttgers vom 9. Juni bis 14. Juli 2010 führte Rüttgers die Regierung geschäftsführend nach Art. 62 der Landesverfassung [5] Juergen Ruettgers hamm 2010.jpg
10 Hannelore Kraft * 1961 SPD 2010 im Amt Kraft Hannelore Kraft wurde am 14. Juli 2010 im zweiten Wahlgang als erste Frau ins Amt des Ministerpräsidenten des Landes gewählt. Hannelorekraft.jpg

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Wolfgang Löwer, Peter J. Tettinger: Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2002, S. 815
  2. Die zweite wichtige Partizipationsmöglichkeit des Landes am Gesamtstaat ist die Entsendung der Vertreter für die Bundesversammlung. Die Auswahl der Vertreter liegt aber nicht im Ermessen der Landesregierung, sondern ergibt sich maßgeblich durch die Einwohnerzahl des Landes, der Zusammensetzung des Landtages und die von den dort vertretenen Parteien vorgeschlagenen Personen.
  3. Amelunxen war zunächst offiziell parteilos. Er trat erst 1947 wieder in die wiedergegründete Partei ein, der er vor 1933 bereits angehörte.
  4. Landtag NRW: Rudolf Amelunxen: Der Mann der ersten Stunde
  5. Art. 62 Abs. 2 („Das Amt des Ministerpräsidenten und der Minister endet in jedem Falle mit dem Zusammentritt eines neuen Landtags [...]“) und Art. 62 Abs. 3 („Im Falle [der] Beendigung des Amtes haben die Mitglieder der Landesregierung bis zur Amtsübernahme des Nachfolgers ihr Amt weiterzuführen.“)

Weblinks


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