Milly Witkop

Milly Witkop
Gruppe jüdischer Anarchisten in London 1912. Vordere Reihe von links: Milly Witkop, Milly Sabel. Hintere Reihe von links: Ernst Simmerling, Rudolf Rocker, Wuppler, Lazar Sabelinsky, Loefler.
Ausgabe der jüdischen anarchistischen Zeitschrift Germinal (Zsherminal) von 1906

Milly Witkop (auch Milly Witkop-Rocker; * 1. März 1877 in Slotopol; † 23. November 1955 im Staat New York) war eine jüdische Anarchafeministin, Anarchasyndikalistin und Autorin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Milly Witkop wurde im Schtetl Slotopol, etwa 80 Kilometer nordwestlich von Jelisawetgrad in der Ukraine als älteste von vier Schwestern in eine fromme Familie geboren. Sie emigrierte wegen der antisemitischen Ausschreitungen in Folge des Attentats auf den Zaren in jungen Jahren 1894 nach London.

Dort lernte sie ihren Lebensgefährten Rudolf Rocker kennen und engagierte sich in der anarchosyndikalistischen Arbeiterbewegung. Mit Rocker gab sie in London die Zeitschriften Arbeter Fraynd und Germinal heraus. Sie gebar dort ihren Sohn Fermin Rocker. Wegen ihrer antimilitaristischen Agitation gegen die Teilnahme Englands am Ersten Weltkrieg musste sie ab 1916 zwei Jahre in Haft verbringen. Milly Witkop gab am 28. August 1916 während Ihrer Anhörung in London, die über Ihre weitere Inhaftierung entschied, zu Protokoll: „Ich verstehe unter Anarchie einen gesellschaftlichen Zustand, wo die wirtschaftliche Ausbeutung und die politische Unterdrückung der breiten Volksmassen durch privilegierte Minderheiten unmöglich ist. Mit anderen Worten, einen gesellschaftlichen Zustand, wo die Produzenten selbst Besitzer und Verwalter der Produktionsmittel und aller sozialen Reichtümer sind und wo folglich jede Form der politischen Herrschaft und des wirtschaftlichen Monopolismus Dinge der Vergangenheit sind. Anarchie ist also jene Form der gesellschaftlichen Organisation, wo wirtschaftliche Gleichheit und politische und geistige Freiheit eine Synthese bilden, wo jedem Einzelnen die volle Entwicklung seiner Fähigkeiten gewährt ist, und wo das tiefste soziale Empfinden mit der denkbar größten persönlichen Unabhängigkeit Hand in Hand gehen.“ Nach Ende des Ersten Weltkriegs ging sie zu Mann und Sohn, die schon vorher in die Niederlande emigriert waren.

Im November 1918 ging sie nach Deutschland und organisierte mit Rocker den Aufbau der Freien Arbeiter-Union Deutschlands und mit anderen Frauen des syndikalistischen Frauenbunds ab 1921 die Beilage „Der Frauenbund“ in der Zeitschrift „Der Syndikalist“. Witkop war der Ansicht, dass die proletarische Frau nicht nur vom Kapitalismus, sondern ebenso von ihren männlichen Lebensgefährten ausgebeutet würde. Sie regte daher an, dass Frauen aktiv für ihre Rechte eintreten sollten.

Mit der Machtergreifung Hitlers ging die Familie über die Schweiz, Südfrankreich, Paris und London schließlich im Sommer 1933 in die USA. Europa sahen beide nicht wieder. In den USA versuchten Rocker und Witkop vor allem, Bewusstsein für den spanischen Bürgerkrieg zu schaffen und die Arbeit der Mujeres Libres zu fördern.

Mit ihrem Gefährten Rudolf Rocker ging sie 1937 von New York in die 50 Kilometer entfernte anarchistische Gemeinde nahe Lake Mohegan im Westchester County. Dort verstarb sie 1955.

Literatur

  • Milly Witkop-Rocker: Was will der Syndikalistische Frauenbund? Berlin: Der Syndikalist, Fritz Kater, o. J. [1922]; dass., 2. Auflage. Berlin: Der Syndikalist, Fritz Kater, 1923. [Reprint: Hamburg 1988].
  • Milly Witkop-Rocker, Hertha Barwich, Aimée Köster u. a.: Der Syndikalistische Frauenbund, Unrast Verlag, Münster 2007. ISBN 978-3-89771-915-6

Sekundärliteratur

  • Werner Portmann/Siegbert Wolf: „Ja, ich kämpfte“ Von Revolutionsträumen, ‚Luftmenschen’ und Kindern des Schtetls. Biographien radikaler Jüdinnen und Juden. Unrast-Verlag, Münster 2006. (darin: „Die Tore der Freiheit öffnen“ – Milly Witkop-Rocker (1877-1955), Anarchistin und Feministin, S. 249ff.).
  • Silke Lohschelder: Anarchafeminismus. Auf den Spuren einer Utopie. Unrast Verlag, Münster 2000.
  • Hartmut Rübner: Freiheit und Brot. Die Freie Arbeiter-Union Deutschlands. Eine Studie zur Geschichte des Anarchosyndikalismus. Libertad Verlag, Berlin/Köln 1994.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Milly Witkop — (front row, first from left to right) with Rudolph Rocker (behind her) and other London anarchists in 1912 Born March 3, 1877(1877 03 03) Zlatopol, Ukraine …   Wikipedia

  • Milly Witkop-Rocker — Gruppe jüdischer Anarchisten in London 1912. Vordere Reihe von links: Milly Witkop, Milly Sabel. Hintere Reihe von links: Ernst Simmerling, Rudolf Rocker, Wuppler, Lazar Sabelinsky, Loefler …   Deutsch Wikipedia

  • Witkop — ist der Familienname folgender Personen: Bernhard Witkop (1917–2010), US amerikanischer Chemiker Milly Witkop (1877–1955), jüdische Anarchafeministin Philipp Witkop (1880–1942), deutscher Literaturwissenschaftler Siehe auch Wittkop Wittkopp …   Deutsch Wikipedia

  • Milly — may refer to: Milly Bernard (1920 2005), five term member of the Utah House of Representatives Milly Childers (1866 1922), English painter Milly Quezada (born 1955), Latin American singer Milly Witkop (1877 1955), Ukrainian born Jewish anarcho… …   Wikipedia

  • Rudolph Rocker — Rudolf Rocker Rudolf Rocker (* 25. März 1873 in Mainz; † 19. September 1958 nahe Crompond, Westchester County) war Autor, Historiker und Anarchosyndikalist. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf Rocker — Infobox Person name = Rudolf Rocker caption = Rudolf Rocker birth date = birth date|1873|3|25|mf=y birth place = Mainz, Germany death date = death date|1958|9|19|mf=y death place = Crompond, New York, United States other names = known for =… …   Wikipedia

  • AnarchaFeminismus — Anarchafeministische Fahne Anarchafeminismus ist eine Wortschöpfung der 1970er Jahre und bezeichnet die Verbindung von Radikalfeminismus mit Elementen anarchistischer Theorie und Praxis. Vor allem die US amerikanischen Feministinnen wie Peggy… …   Deutsch Wikipedia

  • Rudolf Rocker — Nacimiento 25 de marzo …   Wikipedia Español

  • Rudolf Rocker — (* 25. März 1873 in Mainz; † 19. September 1958 nahe Crompond, Westchester County) war deutscher Historiker und Anarchosyndikalist. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Wit — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”