Mille Miglia

Mille Miglia
Mille Miglia Wegweiser
Alfa Romeo 6C 2300B Mille Miglia Spyder, 1938

Mille Miglia (Abkürzung: MM; italienisch: Mille „Tausend“, Miglia „Meilen“) bezeichnete ein Autorennen über öffentliche Straßen auf einem Dreieckkurs im Norden von Italien in den Jahren von 1927 bis 1957. Der Name Mille Miglia wurde 1977 wieder eingeführt für die Neuauflage des Rennens.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Nach der Targa Florio galten die Tausend Meilen (Mille Miglia) als Klassiker unter den Langstrecken-Straßenrennen (die Carrera Panamericana kam in den 1950er Jahren hinzu) und als Grundlage für den Begriff „Gran Turismo“ (GT), der schnelle Reisesportwagen für Langstreckenrennen beschreibt, wie sie etwa von Ferrari eigens für die MM entwickelt wurden. Die MM gehörte zur 1953 eingeführten Sportwagen-Weltmeisterschaft.

Die erste Auflage des Großen Preises von Italien hatte noch in Brescia stattgefunden, war dann aber ins neue Autodrom von Monza gewechselt. Die Sportwagen-Enthusiasten Aymo Maggi und Franco Mazzotti suchten nach einer Möglichkeit, in ihrer Heimatstadt wieder ein großes Rennen zu veranstalten und wählten einen Kurs von Brescia quer durch die italienische Halbinsel zur Hauptstadt Rom und wieder zurück nach Brescia.

Im Dezember 1925 schworen sich vier junge Männer aus Brescia namens Graf Franco Mazzotti, Graf Aymo Maggi, Renzo Castagneto und Giovanni Canestrini, ihre Heimatstadt zu einem Zentrum des Motorsports zu machen, indem sie ein Rennen veranstalten würden. Es sollte ein Straßenrennen – zumeist über unbefestigte Landstraßen – werden und in Brescia starten und enden. Dreizehn Jahre später wurde Rom als Wendepunkt der Strecke, der bis heute ein Highlight der Mille Miglia ist, festgelegt. Als Streckenlänge ergaben sich ungefähr 1600 Kilometer bzw. etwa 1000 englische Meilen. Als Begründung für die Wahl dieser Längeneinheit verwies man auf die „Alten Römer“, die auch schon in Meilen gemessen hatten.

Zwei Jahre nach dem Beginn der Überlegungen – am 26. März 1927 – war es soweit: In der Via Rebuffone fiel der Startschuss für 77 Wagen. Die Premiere des Rennens gewann ein OM aus Brescia mit den Werksfahrern Ferdinando Minoia und Giuseppe Morandi in einer Zeit von 21 Stunden, 4 Minuten und 48 Sekunden und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 77 km/h. Noch heute bei der historischen Auflage des Rennens gebührt die Startnummer 1 immer einem OM. Bereits drei Jahre später lag der Schnitt bei 100 km/h als Tazio Nuvolari aus Mantua, den die Italiener liebevoll „il Mantovano Volante“, den fliegenden Mantuaner, nannten, seinen ersten Mille-Miglia-Sieg gegen den Erzrivalen Achille Varzi feierte. 1933 gelang dem Ausnahme-Rennfahrer mit Beifahrer Decimo Compagnoni in einem Alfa Romeo 8C 2300 das Siegeskunststück zum zweiten Mal.

Seit der Premiere 1927 gewannen fast ausschließlich Italiener auf einheimischen Fabrikaten wie Alfa Romeo, Lancia und Ferrari, jedoch konnte auch Mercedes zweimal gewinnen, 1931 mit Rudolf Caracciola, und 1955 mit Stirling Moss. Dieser startete am 1. Mai 1955 um 7:22 Uhr morgens mit der Startnummer 722 mit einem Mercedes-Benz 300 SLR, und erreichte dank des Gebetbuches seines Beifahrers, des Journalisten Denis Jenkinson, nach 10 Stunden 7 Minuten und 48 Sekunden das Ziel. Die dabei erreichte Durchschnittsgeschwindigkeit von knapp 157,62 km/h war die schnellste jemals auf dieser Strecke gefahrene.

Neben den pfeilschnellen Sportwagen waren auch kleine Tourenwagen am Start, selbst Mercedes 180 Diesel, Renault 4CV oder Kleinstwagen wie Fiat 500. Diese waren über 20 Stunden unterwegs, mit Start noch vor Mitternacht und Ankunft im Dunkeln. Der Mercedes 180 Diesel hatte 40 PS; er gewann mit 16 Stunden, 52 Minuten und 25 Sekunden (Durchschnittstempo 94,645 km/h) innerhalb der wenigen Diesel. Mercedes nutzte diesen Erfolg sofort werblich; fast über Nacht wurde der Mercedes 180 zum Erfolgstyp (über 20.000 Wagen noch in 1955 verkauft); der 180 D wurde zum meistverkauften Typ dieser Baureihe.[1]

Das BMW 328 Touring-Coupé, mit dem von Hanstein/Bäumer 1940 die Ersatz-Mille-Miglia gewannen
BMW 328 Roadster „Mille Miglia“

Bereits 1938 geriet die MM durch einen schweren Unfall mit einer Straßenbahn in die Kritik bzw. wurde in der alten Form (mit Stadtdurchfahrten) verboten. So wurde 1940 nur ein ca. 165 km kurzer Kurs in der Po-Ebene insgesamt neun Mal befahren. Als Zweite von drei Ausländern in der Geschichte der MM gewannen Huschke von Hanstein und Copilot Walter Bäumer auf einem aerodynamisch verkleideten BMW 328, mit dem auf den geraden Straßen zwischen Brescia, Cremona und Mantua ein Schnitt von 166 km/h erzielt wurde. Die Gesamtfahrzeit des Duos für die rund 1500 km betrug 8:54,46 Stunden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die MM auf dem großen Kurs wieder mit Begeisterung aufgenommen, die damit verbundenen Risiken beurteilte man im Vergleich zu den gerade erst erlebten kriegerischen Auseinandersetzungen als untergeordnet. Auch bekannte Fahrer aus der Vorkriegszeit wie Rudolf Caracciola und insbesondere Tazio Nuvolari nahmen die Herausforderung erneut an. Später wurde ihm zu Ehren der Kurs auch durch seine Heimatstadt Mantua geführt.

Aber auch junge Fahrer machten von sich reden, wie 1954 Hans Herrmann, der seinen flachen Porsche 550 noch vor einem herannahenden Zug unter einer schließenden Schranke hindurch steuerte, wobei er und sein Beifahrer Herbert Linge die Köpfe einziehen mussten.

Im Jahre 1957 fand die MM zum letzten Mal statt, da am 12. Mai ein schwerer Unfall des Spaniers Alfonso de Portago mehrere Todesopfer gefordert hatte. Der nach einem Reifenschaden bei hoher Geschwindigkeit ins Schleudern geratene Ferrari tötete nahe dem Dorf Guidizzolo, zwischen Mantua und dem Ziel in Brescia, neben dem Fahrer und seinem Copilot Edmund Nelson auch zehn Zuschauer, darunter fünf Kinder. Insbesondere die Kirche verlangte die Einstellung des populären Spektakels. Gegen das Team und den Reifenhersteller wurde in einem drei Jahre dauernden Prozess ermittelt mit dem Vorwurf, auf einen Reifenwechsel kurz vor dem Ziel aus Zeitgründen verzichtet zu haben. Der Unfall war ausschlaggebend dafür, dass die Mille Miglia in dieser Form verboten wurde.

Die Mille Miglia wurde noch von 1958 bis 1961 als eine Art Rallye veranstaltet, wobei nur auf kurzen, abgesperrten Teilstrecken auf Zeit gefahren wurde.

Die Strecke von Bologna auf den Passo della Raticosa wurde bis 1969 für Bergrennen genutzt. Das weiter südlich in Richtung Florenz gelegene Teilstück über den Futapass diente als Westteil des 66 km langen Straßenkurses von Mugello, auf dem bis 1967 WM-Läufe ausgetragen wurden.

Wiederbelebung als Touristische Veranstaltung

Seit 1977 findet jeweils im Mai als „Mille Miglia Storica“ eine jährliche Neuauflage mit historischen Fahrzeugen statt, die in ähnlicher Form damals teilgenommen hatten. Hierbei wird nicht mehr auf Höchstgeschwindigkeit gefahren, sondern auf Gleichmäßigkeit und Zuverlässigkeit. Diese Veranstaltung gilt als Keimzelle vieler ähnlicher Events mit Oldtimern, unter anderem der Wiederbelebung der Historik-Rallye 2000 km durch Deutschland sehr ähnlichen Zuschnitts im Jahr 1989, bei der es wie bei der „Mille Miglia“ auch um das Reise-Erlebnis und den abendlichen Austausch der Teilnehmer bei exzellenter Gastronomie geht. Diese Ereignisse sind heute nur noch begrenzt als Sport anzusehen sondern eher als Schaulaufen vor allem der Reichen und Schönen. Es geht, auch seitens der Veranstalter und der durchfahrenen Gemeinden, eher um Tourismus, Kulinarik und das „Sehen und Gesehenwerden“ mit prachtvollen, meist aufwendig auf Neuwert restaurierten Oldtimer-Fahrzeugen. Die „Mille Miglia“ allerdings scheint zum italienischen Nationalinventar zu gehören, während die vergleichbaren „2000 km durch Deutschland“ nach ca. 15 Jahren des Erfolges zunächst auf der Kippe standen, aber auch 2007 wieder stattfanden.

Siegerliste der historischen „Mille Miglia“-Rennen

Jahr Fahrer Wagen Geschwindigkeit
1927 F. Minoia (I) / G. Morandi (I) OM 77,22 km/h
1928 G. Campari (I) / G. Ramponi (I) Alfa Romeo 84,10 km/h
1929 G. Campari (I) / G. Ramponi (I) Alfa Romeo 89,67 km/h
1930 T. Nuvolari (I) / G.-B. Guidotti (I) Alfa Romeo 100,43 km/h
1931 R. Caracciola (D) / W. Sebastian (D) Mercedes-Benz 101,13 km/h
1932 B. Borzacchini (I) / A. Bignami (I) Alfa Romeo 109,86 km/h
1933 T. Nuvolari (I) / D. Compagnoni (I) Alfa Romeo 108,54 km/h
1934 A. Varzi (I) / A. Bignami (I) Alfa Romeo 114,29 km/h
1935 C. Pintacuda (I) / A. della Stufa (I) Alfa Romeo 114,72 km/h
1936 A. Brivio (I) / C. Ongaro (I) Alfa Romeo 121,59 km/h
1937 C. Pintacuda (I) / P. Mambelli (I) Alfa Romeo 114,72 km/h
1938 C. Biondetti (I) / A. Stefani (I) Alfa Romeo 135,37 km/h
1939 kein Rennen
1940 (*) H. v. Hanstein (D) / W. Bäumer (D) BMW 166,69 km/h
1941–1946 keine Rennen
1947 C. Biondetti (I) / E. Romano (I) Alfa Romeo 110,43 km/h
1948 C. Biondetti (I) / G. Navone (I) Ferrari 120,93 km/h
1949 C. Biondetti (I) / E. Salani (I) Ferrari 131,18 km/h
1950 G. Marzotto (I) / M. Crosara (I) Ferrari 123,56 km/h
1951 L. Villoresi (I) / P. Cassani (I) Ferrari 121,51 km/h
1952 G. Bracco (I) / A. Rolfo (I) Ferrari 128,56 km/h
1953 G. Marzotto (I) / M. Crosara (I) Ferrari 142.32 km/h
1954 A. Ascari (I) Lancia 139,61 km/h
1955 S. Moss (GB) / D. Jenkinson (GB) Mercedes-Benz 300 SLR 157,62 km/h
1956 E. Castellotti (I) Ferrari 137,41 km/h
1957 P. Taruffi (I) Ferrari 152,63 km/h
1958–1961 als Rallye

Einzelnachweise

  1. Christof Vieweg: Ein Sieg für den Diesel. Zwei Autonarren treten mit 40 PS zur Mille Miglia an. In: Welt am Sonntag 2. Mai 2010, Seite 55. (Online verfügbar)

Literatur

Weblinks


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