Militärnachrichtendienst

Militärnachrichtendienst

Als Militärnachrichtendienst oder Militärgeheimdienst bezeichnet man einen Nachrichtendienst, der entweder dem Verteidigungsministerium, der Armee oder einer Teilstreitkraft eines Landes direkt untersteht.

Ein militärischer Nachrichtendienst dient der Beschaffung und Auswertung von Informationen über die Streitkräfte, Verteidigungsanlagen, Nachschubeinrichtungen und Waffen potentieller oder tatsächlicher Gegner. Er kann auch der Abwehr von Geheimdienstaktivitäten fremder Staaten gegen die eigenen Streitkräfte dienen. Wesentlichste und erste Quelle ist die open source Aufklärung über allgemein zugängliche Informationsquellen in Schrift, Ton und Bild sowie deren systematische, langfristige Gewinnung und Auswertung.

Typische Aufgaben für einen operativen Einsatz können die Vorbereitung und Durchführung von Sabotage im Feindgebiet, Attentate auf militärische Führer der Gegenseite, die Desinformation und die Vorbereitung und Unterstützung von Aufständen sein. Diese Einsätze werden teilweise von Spezialeinheiten, wie Kommandoeinheiten, Fernspähern, Kampftauchern und Propagandaeinheiten durchgeführt.

Erste Erkenntnisse über Feindkräfte erbringt die Gefechtsfeldaufklärung durch alle eigenen Truppen, die durch Beobachtung Feind und dessen Verhalten auf dem Gefechtsfeld aufklären. Bei der taktischen Aufklärung handelt es sich um Truppen und Mittel zur Informationsgewinnung der unmittelbar sie einsetzenden Truppe. Dies beginnt beim Aufklärungszug des Bataillons und geht mit Aufklärungsbataillonen auf Divisionsebene in die Ebene der operativen Aufklärung über. Kräfte der spezialisierten Verwendung kommen auf der Ebene eines Korps zum Einsatz.

Technische Mittel zur Lagegewinnung über den Feind sind die z. B. Funkaufklärung und Funkpeilung mit Abhöranlagen, Radar, Satelliten, Aufklärungsflugzeuge, Drohnen, Sensoren, sowie das Eindringen in Computer.

Die unter dem Begriff human intelligence zusammengefasste Feindlagegewinnung umfasst Menschen als Spione aber vor allem auch die Befragung von gegnerischen Soldaten (Verhör von Gefangenen) und im Einsatzraum befindlichen Zivilisten durch die Feldnachrichtentruppe sowie die Befragung von eigenen Staatsbürgern oder Flüchtlingen und Aufklärung durch eigene Patrouillen. Kontakte und Informationen können sich mit Aufständischen, verfolgten Minderheiten und Regimegegnern ergeben.

Nachrichtendienste können zur Bildung von sogenannten Fünften Kolonnen zur Destabilisierung des Gegners eingesetzt werden. Spezialkräfte zur Durchführung von bewaffneten Streifzügen, Überfälle und Kommandounternehmen sowie auch zur Entführung von gegnerischen Geheimnisträgern oder der Gewinnung von Waffen, Plänen, Unterlagen, Codes, Codemaschinen eingesetzt werden. Die Zusammenarbeit mit anderen Geheimdiensten kann erfolgen und dient auch zur Gewinnung eigener Informationen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Militärgeheimdienstliche Aktivitäten sind wohl so alt wie die Kriegführung, da die Gewinnung von Informationen über Bewaffnung, Stärke, Taktik, Pläne und Standorte gegnerischer Truppen immer ein grundlegendes Bedürfnis im Krieg ist.

Viele der schwersten Niederlagen in der Kriegsgeschichte beruhten auf einer falschen Einschätzung der Lage, aufgrund fehlender oder falscher Informationen über die tatsächliche Lage. Viele Siege wurden errungen, weil es den Heerführern gelang, den Feind aktiv zu täuschen.

Die längste Tradition und höchste Wertschätzung genießen geheimdienstliche Mittel und die Täuschung des Gegners in China, dessen Klassiker der Kriegskunst das Werk Sun Tsus diese Methoden ganz zentral in den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellte. Dies gilt auch für Sun Bin und die in China jedem Gebildeten bekannten 36 Strategeme, von denen viele auf die Täuschung des Gegners zielen.

Bekannt für den umfangreichen Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel waren die Mongolen, siehe Mongolische Kriegführung.

Mit den Themen Nachrichten im Kriege (1. Buch, 6. Kapitel), Überraschung (3. B., 9. K.), List (3. B., 10. K.), Avantgarde und Vorposten (5. B, 7. K.), Volksbewaffnung (6. B., 26. K.) (Partisanen) und Diversion (7. B., 20. K.) beschäftigt sich jeweils in eigenen Kapiteln aber auch der große deutsche Militärwissenschaftler Carl von Clausewitz in seinen Werk Vom Kriege.

Sowohl der Militärnachrichtendienst als auch die Marktforschung sind die Wurzeln der Competitive-Intelligence, der andauernden und legalen Sammlung und Auswertung von Informationen über Konkurrenzunternehmen.

Militärnachrichtendienste verschiedener Länder

Dänemark

„Geheimdienst des Militärs“ (Forsvarets Efterretningstjeneste, FE)

Deutschland

Der Militärische Abschirmdienst nimmt vergleichbare Aufgaben wie das Bundesamt für Verfassungsschutz innerhalb der Bundeswehr war und ist für die Abwehr von militärischer Spionage und Sabotage gegen die Bundeswehr zuständig. Diese Aufgaben führt er auch nach gesetzlicher Erweiterung seines Aufgabenspektrums innerhalb der Einsatzkontingente der Bundeswehr im Ausland durch.

Für den militärischen Auslandsgeheimdienst ist der Bundesnachrichtendienst zuständig. Er verfügt mit dem angegliederten Amt für Militärkunde über einen militärischen Anteil. Seit Änderung des gesetzlichen Aufgabenspektrums wird auch die zentrale Lagebearbeitung der Bundeswehr für die Feindlage vom BND übernommen.

Eine nachrichtendienstlich, jedoch nicht geheimdienstliche tätige Einrichtung der Bundeswehr ist das Kommando Strategische Aufklärung. Unter anderem steuert es die Aufklärungssatelliten der Bundeswehr (SAR-Lupe) und sammelt gewonnene Informationen verschiedener Stellen der Bundeswehr.

Frankreich

Die Direction du Renseignement Militaire (DRM) ist der dem Generalstab unterstellte militärische Nachrichtendienst Frankreichs, der sich vor allem mit Auswertung und Analyse befasst. Die Direction de la Protection et de la Sécurité de la Défense (DPSD) ist für Spionageabwehr und die Sicherheit von Personal und Einrichtungen zuständig. Die Direction Générale de la Sécurité Extérieure (DGSE) ist der dem Verteidigungsministerium unterstellte Auslandsnachrichtendienst.

Italien

Der Nachrichtendienst des Generalstabes ist das Centro Intelligence Interforze (J2).

Der dem Verteidigungsministerium unterstellte Militärnachrichtendienst SISMI wurde 2007 aufgelöst beziehungsweise in den zivilen Auslandsnachrichtendienst AISE überführt.

Siehe auch: Liste der italienischen Nachrichtendienste

Israel

Der militärische Nachrichtendienst ist der Aman.

Niederlande

Der militärische Nachrichtendienst der Niederlanden ist der Militaire Inlichtingen- en Veiligheidsdienst MIVD.

Österreich

In Österreich existiert als Militärnachrichtendienst das

Polen

  • Służba Wywiadu Wojskowego (dt. Militärischer Nachrichtendienst)
  • Służba Kontrwywiadu Wojskowego (dt. Militärischer Spionageabwehrdienst)

Schweden

Dem Verteidigungsministerium unterstellt:

Schweiz

  • Militärischer Nachrichtendienst (MND)
  • Luftwaffennachrichtendienst (LWND)

Siehe auch: Schweizer Nachrichtendienste

Sowjetunion und Russland

UdSSR

Im Kalten Krieg existierte Militärspionageabwehr TGU KGB UdSSR (Dritte Hauptverwaltung des KGB UdSSR).

Militärischer Nachrichtendienst und Militärische Aufklärungdienst des Streitkräfte der Sowjetunion war die Glawnoje Raswjedywatjelnoje Uprawljenije (GRU). Neben der Spionage mit Zielrichtung Heer, Marine, Luftwaffe, war die Spionage zur Waffentechnik, ABC-Waffe und Rüstungstechnologie zentraler Schwerpunkt der GRU.

Russische Föderation

Die GRU arbeitet heute für Russland als Auslandsnachrichtendienst und Militärische Aufklärungdienst.

Vormals TGU KGB UdSSR, heute Militärischer Spionageabwehrverwaltung des FSB (Uprawljenije Wojennoj Kontrraswjedki des FSB).

Spanien

Centro Nacional de Inteligencia ist der im November 2002 ins Leben gerufene Nachfolger des Centro Superior de Información de la Defensa (CESID).

Vereinigte Staaten

Stark fragmentiert sind die Militärnachrichtendienste der USA.

Dem US-Verteidigungsministerium unterstehen:

Vereinigtes Königreich

Der britische Auslandgeheimdienst MI6 ging aus dem Directorate of Military Intelligence, der 1888 gegründete Abteilung des militärischen Nachrichtendienstes im britischen Verteidigungsministerium (British Ministry of Defence, MoD) mit seinen 13 Sektionen hervor.

Es wurde 1946 durch den Defence Intelligence Staff abgelöst. Zusätzliche nachrichtendienstliche Anforderungen für the British Army werden geliefert vom Intelligence Corps, für die Royal Air Force arbeitet die RAF Intelligence.

Literatur

  • Norman J. Austin, Boris N. Rankov: Exploratio. Military and Political Intelligence in the Roman World From the Second Punic War to the Battle of Adrianople. Routledge, London 2002, ISBN 0-415-04945-8.
  • Gaius Iulius Caesar: Der Bürgerkrieg. Latein.-deutsch („Commentarii De Bello Civili“). Artemis & Winkler, Düsseldorf 2005, ISBN 3-7608-1512-X.
  • Cassius Dio: Römische Geschichte („Historiae Romanae“). Artemis & Winkler, Düsseldorf 2007, ISBN 978-3-538-03103-6 (5 Bde.).
  • Francis Dvornik: Origins of Intelligence Services. The ancient near east, Persia, Greece, Rome, Byzantinium, The Arab Muslim empire, The Mongol Empire, China, Moscovy. Rutgers University Press, New Brunswick, NJ 1974, ISBN 0-8135-0764-2.
  • John Frederick Charles Fuller: Die Entscheidungsschlachten der westlichen Welt („A Military History of the Western World“). Grabert Verlag, Tübingen 2004, ISBN 3-87847-192-0.
  • Richard A. Gabriel, Karen S. Metz: The Military Capabilities of Ancient Armies. Praeger Books, Westport, Conn. 2003, ISBN 0-275-97798-6.
  • Charles H. Harris, Louis R. Sadler: The Border and the Revolution. Clandestine Activities of the Mexican Revolution 1910–1920. HighLonesome Books, Las Cruces, N.M. 1988, ISBN 0-9377-9500-3.
  • John Keegan: Intelligence in War. Knowledge of the enemy from Napoleon to Al-Qaeda. Hutchinson, London 2003, ISBN 0-09-180229-6.
  • Henry Landau: The Enemy Within. The Inside Story of German Sabotage in America. Putnam Publ., New York 1937.
  • Sidney F. Mashbir: I Was An American Spy. Vantage Press, New York 1953.
  • Nathan Miller: Spying for America. The Hidden History of U.S. Intelligence. Marlowe Press, New York 1997, ISBN 1-569-24721-8.
  • Jürgen W. Schmidt: Gegen Russland und Frankreich. Der deutsche militärische Geheimdienst 1890 - 1914. 3. Auflage Ludwigsfelde 2009
  • Ian Sayer, Douglas Botting: America’s Secret Army. The Untold Story of the Counter Intelligence Corps. Fontana Press, London 1990, ISBN 0-00-636986-3.
  • Barbara Tuchman: Die Zimmermann-Depesche („The Zimmermann Telegram“). Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 1982, ISBN 3-404-65039-5.

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