Michael Glasmeier

Michael Glasmeier

Michael Glasmeier (* 1951 in Bochum) ist Professor für Kunstwissenschaft an der Hochschule für Künste Bremen, Essayist, Publizist und Ausstellungskurator. Schwerpunkte seiner Arbeit sind die vielfältigen Beziehungen der bildenden Kunst zu Musik, Sprache, Film, Fotografie, Theater oder Komik.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nachdem 1965 Cartoons in Jugendzeitschriften erscheinen, veröffentlicht Glasmeier ab 1969 erste Gedichte in Anthologien und tritt in Westdeutschland mit Lesungen auf. Inspiriert sind seine Texte von der visuellen Poesie und der amerikanischen Lyrik von Robert Creeley, Allen Ginsberg, William Carlos Williams oder Frank O’Hara. Gleichzeitig entstehen Super-8-Filme in Auseinandersetzung mit Expanded Cinema. 1970 sendet der WDR sein experimentelles O-Ton-Hörspiel „Kaputt“.

Nach seinem Bundeswehrdienst studiert Glasmeier von 1973 bis 1981 Philosophie, Kunst- und Literaturwissenschaft an der Technischen Universität Berlin und arbeitet nebenher in der Heinrich-Heine-Buchhandlung im Bahnhof Zoo. Nach Beiträgen zur visuellen Poesie (u.a. in der Zeitschrift „Volksfoto“), nach dem Theaterstück „Tableau um/mit Musik“ (Theater heute, 10/1979) und nach ersten Essays für „Sprache im technischen Zeitalter“ beginnt er mit sequenzartiger reduktionistischer Lyrik, die er in einzelnen Heften publiziert.

1976 erhält er ein Stipendium für Literatur der Stadt Gelsenkirchen. Ab den 1980er Jahren ist Glasmeier im Umkreis des Merve Verlags und der Edition Sirene, der internationalen Mail-Art-Künstler, des Gelsenkirchener Ateliers seines 2003 verstorbenen Bruders Rolf Glasmeier, der Berliner Zeitschrift „GEPEIN“, des Büro Berlin und des SO36 zu finden. Mit Fritz Rahmann entwickelt er 1980 in Berlin die Ausstellung „Enzyklopädie“. Alle diese unterschiedlichen, subkulturellen Produktionsstrategien werden 1982 mit der Einzelausstellung „Auszüge“ im Berliner Merve Verlag präsentiert.

Nach seiner Magisterarbeit zum Panoptikum des Karl Valentin, die teilweise 1982 im Katalog zur Jubiläumsausstellung „Karl Valentin. Volkssänger? Dadaist?“ im Münchner Stadtmuseum publiziert wird, setzt Glasmeier sein Studium in Marburg fort und beendet es 1984 mit der Promotion „Karl Valentin. Der Komiker und die Künste.“

In den nun beginnenden Jahren freiberuflicher Tätigkeit tritt die lyrische Produktion mehr und mehr in den Hintergrund, und Glasmeier beginnt im Bereich Kunst zu arbeiten. Er schreibt Katalogtexte, Kunstkritiken oder Essays für „neue bildende kunst“, „Daidalos“ oder die Stadtmagazine tip und zitty, arbeitet mit Künstlerinnen und Künstlern zusammen und zeigt 1986 seine Ausstellung „Die Kunstrezeption nach 1945“ in der Hotel-Pension Nürnberger Eck. 1987 beginnt eine Serie großer thematischer und historisch angelegter Ausstellungen zur konkreten und visuellen Poesie, zur Künstlerschallplatte, Strategie des Erzählens, zum Künstlerbuch, zum Verbrechen, zur Beziehung von Bruce Nauman und Samuel Beckett, zum Barock und Tableau vivant, die 2005 mit der Kassler Schau zum 50-jährigen Jubiläum der documenta ihren vorläufigen Höhepunkt findet. Seine Ausstellung „Gestern oder im 2. Stock. Karl Valentin, Kunst und Komik seit 1948“, die 2009 im Münchner Stadtmuseum stattfand (mit Wolfgang Till), versammelte internationale Künstler von John Baldessari, George Brecht, Samuel Beckett, Frieder Butzmann über Rodney Graham, Richard Hamilton, Thomas Kapielski bis zu Roman Signer, William Wegman, Olav Westphalen und Erwin Wurm. Sie wurde von der deutschen Sektion des internationalen Kunstkritikerverbandes AICA als „Besondere Ausstellung 2009“ ausgezeichnet.

Nach Lehraufträgen in Zürich, einer Vertretungsprofessur für Geschichte und Theorie der Kunst an der Hochschule für Architektur und Bauwesen in Weimar von 1992 bis 1993 und einer Professur für Kunstwissenschaft an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig von 1996 bis 2005 lehrt Glasmeier seit 2005 als Professor für Kunstwissenschaft an der Hochschule für Künste Bremen.

Glasmeier, der auch in seiner wissenschaftlichen, kuratorischen und archivarischen Arbeit experimentell-poetisch geblieben ist, seinen Hang zu Komik, Albernheit und Subversion nicht leugnet und sich immer neue Bereiche digressiv und leidenschaftlich erschließt, folgt weder den Reinheitsgeboten und Ausschließungsverfahren modischer Diskurse, noch den Gesetzen des Kunstmarktes. Glasmeier zieht vielmehr den Widerspruch und die Überschreitung vor (abzulesen z.B. am kontrovers diskutierten Ausstellungsteil „Diskrete Energien“ ausgerechnet zum Jubiläum der documenta) und den unerschöpflichen Reichtum eines möglichen Denkens über Kunst, wie er sich beispielsweise in der von 1995 bis 2001 gemeinsam mit Gerti Fietzek herausgegebenen Fundus-Reihe zur Kunst exemplarisch zeigt.

Glasmeier ist Vater einer 1990 geborenen Tochter, seit 2004 verheiratet mit der Kunsthistorikerin Annelie Lütgens und lebt in Bremen und Braunschweig.

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • 2009: Die skelettierten Stadtmusikanten und Das Glück bei den Kühen. Märchenmotive in der zeitgenössischen Kunst. Zwei Vorträge. Salon Verlag, Köln
  • 2008: Das Ganze in Bewegung. Essays zu einer Kunstgeschichte des Gegenwärtigen. Philo Fine Arts (Fundus Bücher), Hamburg
  • 2007: Künstler in der Lehre. Texte von Ad Reinhardt bis Ulrike Grossarth. Philo & Philo Fine Arts (Fundus Bücher), Hamburg (Hg. mit Elke Bippus)
  • 2005: Erwin Panofsky: Was ist Barock? Philo & Philo Fine Arts (Fundus Bücher) Berlin, Hamburg (Hg. mit Johannes Zahlten)
  • 2005: Play Time – Film interdisziplinär. Lit Verlag, Münster (Hg. mit Heike Klippel)
  • 2005 Painting the Picture. Salon Verlag, Köln (Hg. mit Thomas Köhler und Annelie Lütgens)
  • 2004: Der Ausstellungskatalog. Beiträge zur Geschichte und Theorie. Salon Verlag, Köln (Hg. mit Dagmar Bosse und Agnes Prus)
  • 2002: Loop. Zur Geschichte und Theorie der Endlosschleife am Beispiel Rodney Graham. Salon Verlag, Köln
  • 2001: Extreme 1-8. Vorträge zur Kunst. Salon Verlag, Köln
  • 2000: Samuel Beckett: Das Gleiche nochmal anders. Texte zur bildenden Kunst. Suhrkamp Taschenbuch Verlag, Frankfurt a.M. (Hg. mit Gaby Hartel)
  • 2000: Üben. Essays zur Kunst. Salon Verlag, Köln
  • 1997: Vergessen. Jahrbuch der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, Salon Verlag, Köln (Hg.)
  • 1996: Sportfreund Willi Müller, Künstler Yves Klein. Eine Gelsenkirchener Begegnung. Vertrieb: Wiens Laden & Verlag, Berlin
  • 1995: Wilhelm Fraenger: Formen des Komischen. Verlag der Kunst (Fundus), Dresden, Basel (Hg.)
  • 1994: Johann Carl Wezel. Akten des Symposiums der Gesamthochschule/Universität Kassel vom 15. bis 18. Oktober 1992, Verlag Jenior & Preßler, Kassel (mit Rolf Lobeck)
  • 1992: Periphere Museen in Berlin. Merve Verlag, Berlin (Hg.)
  • 1992: THE MISSING HOUSE. Berliner Künstlerprogramm des DAAD für das Heimatmuseum Berlin-Mitte, (Führer zum gleichnamigen Werk von Christian Boltanski)
  • 1990: Schriftproben von Peter Hammer. Merve Verlag, Berlin (Hg. mit Thomas Isermann)
  • 1988: Clemens Brentano, Joseph Görres: Uhrmacher, Bärnhäuter und musikalische Reisen. Satiren der Heidelberger Romantik. Edition Sirene, Berlin (Hg. mit Thomas Isermann)
  • 1987: Karl Valentin. Der Komiker und die Künste. Carl Hanser Verlag, München u. Wien
  • 1997: Texte über Texte. Experimentelle Texte, Nr. 10, Siegen
  • 1984: Auf Walfang im südlichen Eis. Vogelsang, Berlin
  • 1983: Revierflexionen. Seele Verlag, Berlin
  • 1983: Enzyklopädie, eine Ausstellung. Seele Verlag, Berlin (mit Fritz Rahmann)
  • 1981: Einige illustrierte Sprüche des J.W. Goethe... Patio Verlag, Frankfurt am Main
  • 1981: An der Architektur vorbei. Abbildungen zu Abbildungen. Selbstverlag, Berlin
  • 1980: Pontormo. Selbstverlag, Berlin

Ausstellungskataloge (Auswahl)

  • 2009 Gestern oder im 2. Stock. Karl Valentin, Komik und Kunst seit 1948. Münchner Stadtmuseum, Verlag Silke Schreiber, München (mit Wolfgang Till)
  • 2005: 50 Jahre/ Years documenta: Diskrete Energien. archive in motion. 2 Bde., Kunsthalle Fridericianum Kassel; Steidl Verlag, Göttingen
  • 2002: Tableaux vivants. Lebende Bilder und Attitüden in Fotografie, Film und Video. Kunsthalle Wien (mit Sabine Folie)
  • 2001: Eine barocke Party. Augenblicke des Welttheaters in der zeitgenössischen Kunst. Kunsthalle Wien (mit Sabine Folie)
  • 2000: Samuel Beckett Bruce Nauman. Kunsthalle Wien (Mitherausgeber)
  • 1999: Private Eye. Crimes & Cases. Haus am Waldsee, Berlin (Hg.)
  • 1996: Thomas Kapielski: Nach Einbruch der Nüchternheit. Werkkatalog 1979 bis 1996. Valentin-Musäum, München; Wiens Verlag, Berlin
  • 1995: Im Schuber. en passant 1-9. Begleithefte zur Ausstellungsreihe Kunst im Foyer, Podewil, Berlin-Mitte, März 1994-Mai 1995. Vertrieb der Buchhandlung Walther König, Köln (zu Raffael Rheinsberg, Christian Boltanski, Claus Böhmler, Sibylle Hofter, Hulda Hakon, Paul-Armand Gette u.a.)
  • 1994: Die Bücher der Künstler. Publikationen und Editionen seit den sechziger Jahren in Deutschland. Institut für Auslandsbeziehungen, Stuttgart; Edition Hansjörg Mayer, Stuttgart, London
  • 1994: ERZÄHLEN. Eine Anthologie. Akademie der Künste Berlin, Cantz Verlag, Ostfildern
  • 1993: Schenkung Christian Boltanski. Valentin-Musäum, München; Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln
  • 1989: Broken Music. Artists' Recordworks. Berliner Künstlerprogramm des DAAD, gelbe Musik Berlin, (mit Ursula Block)
  • 1987: buchstäblich wörtlich - wörtlich buchstäblich. Eine Sammlung konkreter und visueller Poesie der sechziger Jahre in der Nationalgalerie Berlin. Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Berlin

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Glasmeier — ist der Familienname folgender Personen: Heinrich Glasmeier (1892−1945), deutscher Rundfunkintendant und Funktionär des NS Rundfunkwesens Michael Glasmeier (* 1951), deutscher Professor für Kunstwissenschaft an der Hochschule für Künste Bremen,… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Gl — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Künstlerbuch — Künstlerbücher sind eigenständige Kunstwerke, die allgemein das Buch zum Gegenstand eines künstlerischen Konzepts gemacht haben; in der Kunst der Gegenwart überschritten diese Konzepte auch die Grenzen des Buches als Objekt. Künstlerbücher werden …   Deutsch Wikipedia

  • Documenta — Die documenta ist die weltweit bedeutendste Reihe von Ausstellungen für zeitgenössische Kunst. Sie findet alle fünf Jahre in Kassel statt (ursprünglich alle vier Jahre) und dauert jeweils 100 Tage. Die erste documenta wurde 1955 veranstaltet und… …   Deutsch Wikipedia

  • Museum der 100 Tage — Die documenta ist die weltweit bedeutendste Reihe von Ausstellungen für zeitgenössische Kunst. Sie findet alle fünf Jahre in Kassel statt (ursprünglich alle vier Jahre) und dauert jeweils 100 Tage. Die erste documenta wurde 1955 veranstaltet und… …   Deutsch Wikipedia

  • Museum der hundert Tage — Die documenta ist die weltweit bedeutendste Reihe von Ausstellungen für zeitgenössische Kunst. Sie findet alle fünf Jahre in Kassel statt (ursprünglich alle vier Jahre) und dauert jeweils 100 Tage. Die erste documenta wurde 1955 veranstaltet und… …   Deutsch Wikipedia

  • documenta — Die documenta ist die weltweit bedeutendste Reihe von Ausstellungen für zeitgenössische Kunst. Sie findet alle fünf Jahre in Kassel statt (ursprünglich alle vier Jahre) und dauert jeweils 100 Tage. Die erste documenta wurde 1955 veranstaltet und… …   Deutsch Wikipedia

  • HFK — Hochschule für Künste Bremen Gründung 1873 Trägerschaft staatlich Ort Bremen …   Deutsch Wikipedia

  • HfK Bremen — Hochschule für Künste Bremen Gründung 1873 Trägerschaft staatlich Ort Bremen …   Deutsch Wikipedia

  • Kunsthochschule Bremen — Hochschule für Künste Bremen Gründung 1873 Trägerschaft staatlich Ort Bremen …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”