Arbeitskampf

Arbeitskampf

Arbeitskampf ist ein Sammelbegriff aus dem kollektiven Arbeitsrecht und bezeichnet die Ausübung kollektiven Drucks durch Streiks und Aussperrungen von Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberseite zur Regelung von Interessenkonflikten bei der Aushandlung von Löhnen und anderen Arbeitsbedingungen.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Arbeitskampf ist nach Nipperdey „die von den Parteiein des Arbeitslebens vorgenommene Störung des Arbeitsfriedens, um durch Druck ein bestimmtes Ziel oder Fernziel zu erreichen.“[1]

Arbeitskämpfe nach deutschem Recht

Das Recht, in den Arbeitskampf zu treten, rührt aus der in Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Betätigungsgarantie im Rahmen der Koalitionsfreiheit. Gemäß deutscher Rechtsprechung sind Maßnahmen des Arbeitskampfes nur unter Beachtung des Übermaßverbots zulässig, d. h., dass der Arbeitskampf erforderlich (dass mildere Mittel ausgeschöpft sein müssen, sog. "ultima-ratio-Prinzip") und verhältnismäßig (sog. Mittel-Zweck-Relation) sein muss. Regelmäßig ist das erst dann der Fall, wenn vorangegangene Verhandlungsbemühungen ausgeschöpft und gescheitert sind, zumindest mit Wahrscheinlichkeit zu scheitern drohen.

Arbeitskämpfe dürfen nur von den Tarifparteien, also Arbeitgebern und ihren Verbänden und den Gewerkschaften geführt werden und müssen tariflich regelbare Ziele verfolgen. Streiks mit politischen Zielen oder als Solidaraktionen sind rechtswidrig. Auch sogenannte "wilde Streiks" von Belegschaften, die ohne gewerkschaftliche Autorisierung geführt werden, sind rechtswidrig und können zu fristloser Kündigung (§ 626 BGB) führen.

Unter Umständen sind Streiks durch tarifvertraglich vereinbarte Friedenspflichten ausgeschlossen. Die relative Friedenspflicht verbietet Kampfmaßnahmen zur Durchsetzung von Streitgegenständen, die der aktuelle Tarifvertrag schon regelt. Die absolute Friedenspflicht hingegen ordnet ein unbedingtes Kampfverbot an, also auch über Gegenstände, die der geltende Tarifvertrag nicht einschließt. Im Gegensatz zur relativen Friedenspflicht bedarf die absolute Friedenspflicht einer ausdrücklichen Vereinbarung, um Wirksamkeit zu entfalten. Die relative Friedenspflicht gilt dagegen automatisch für alle tarifvertraglich geregelten Angelegenheiten.

Betriebsräte sind nicht zum Führen von Arbeitskämpfen berechtigt. Sie und ihre Mitglieder dürfen in dieser Eigenschaft nicht für Arbeitskampfhandlungen tätig werden (z. B. Nutzung des Betriebsratsbüros als Arbeitskampfzentrale). Eine Teilnahme von Betriebsratsmitgliedern an Arbeitskampfmaßnahmen in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer und Gewerkschaftsmitglieder ist zulässig.

Gilt ein Tarifvertrag für einen Wirtschaftszweig (Flächentarifvertrag), dann verhandeln die zuständige Gewerkschaft und der Arbeitgeberverband. Bei einem Tarifvertrag für ein einzelnes Unternehmen (Haustarifvertrag) verhandelt die Gewerkschaft, in Kooperation mit betrieblichen Gewerkschaftsrepräsentanten (in der Regel gewerkschaftlich organisierten Betriebsratsmitgliedern), mit der Geschäftsleitung.

Scheitern die Verhandlungen, beginnt in der Regel ein Schlichtungsverfahren, das auf freiwilligen Vereinbarungen zwischen den Tarifvertragsparteien beruht. Eine Zwangsschlichtung wie in der Weimarer Republik ist ausgeschlossen. Den meisten Schlichtungsvereinbarungen zufolge müssen die Konfliktparteien den Schlichterspruch nicht annehmen. Erklären eine oder beide Parteien das Scheitern der Schlichtung, ist dies gleichbedeutend mit dem Ende der Friedenspflicht. Streik und Aussperrung sind danach, unter Beachtung bestimmter Regeln der Verhältnismäßigkeit, zulässig.

Erfolgsbedingungen

Gewerkschaften bestreiken in der Regel solche Betriebe, deren Beschäftigte in hohem Maße gewerkschaftlich organisiert sind, um zu verhindern, dass eine größere Zahl von Unorganisierten als Streikbrecher auftreten und die Produktion aufrechterhalten.

Während eines Streiks muss der Arbeitgeber keinen Lohn zahlen (§ 614 S.1 BGB,§ 326 I 1 BGB,§ 275 I BGB: Grundsatz "ohne Arbeit kein Lohn"). Die Gewerkschaft zahlt ihren Mitgliedern Unterstützungsleistungen aus der Streikkasse. Der Staat hat im Arbeitskampf seine Neutralität zu wahren (siehe Tarifautonomie), er darf folglich an Streikende und Ausgesperrte kein Arbeitslosengeld I zahlen, auch wenn diese keine Unterstützung durch die Gewerkschaft beziehen. Der Arbeitsvertrag wird für die Zeit des Arbeitskampfes nicht aufgehoben, sondern lediglich suspendiert, d. h. es besteht für beide Parteien keine Leistungspflicht.

Die Entscheidung eines Unternehmens, sich an einer Aussperrung seines Arbeitgeberverbandes zu beteiligen, hängt von seiner Verbandsloyalität ab, die dort ihre Grenze finden wird, wo die wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel steht.

Für die Gewerkschaft hängen die Erfolgsaussichten eines Arbeitskampfes wesentlich von der Auftragslage der Unternehmen und der Arbeitsmarktlage ab. Bei starker Produktionsauslastung und stabiler Nachfrage scheuen Unternehmen insbesondere längere Arbeitskämpfe. Je knapper qualifizierte Arbeit ist, desto besser stehen die Chancen für die Arbeitnehmerseite und umgekehrt.

Erweiterter Arbeitskampf

Weitere Möglichkeiten des Arbeitskampfs auf Seiten der Arbeitnehmer sind die Blockade nichtbestreikter Betriebe, Demonstrationen und der Aufruf an die Kunden des Betriebs, diesen zu boykottieren. Ist ein Streik nicht möglich oder strategisch inopportun, können Arbeitnehmer auch Dienst nach Vorschrift, den sog. „Bummelstreik“ ableisten.

Auch Arbeitgeber haben erweiterte Kampfmittel zur Verfügung. Sie können einem Streik mit der Aussperrung begegnen, die nach deutschem Arbeitsrecht – wie der Streik – unter dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit steht, d. h. ein begrenzter Streik darf nicht mit einer Totalaussperrung beantwortet werden.

Als weiteres Kampfmittel verfügen Arbeitgeber über die Möglichkeit der sog. „kalten Aussperrung“. Sie können in der Konsequenz eines Streiks, der sie nicht unmittelbar betrifft, Arbeitnehmer mit der Begründung zeitweilig entlassen, dass ausbleibende Zulieferungen aus bestreikten Unternehmen die Produktion in ihren Betrieben stilllegen. Derart „kalt Ausgesperrte“ haben keinen Anspruch auf staatliche oder gewerkschaftliche Unterstützung.

Globalisierung und Arbeitskampf

In den hochindustrialisierten Ländern bestimmt in den letzten Jahren die zunehmende Globalisierung die Rahmenbedingungen von Arbeitskämpfen. Darunter sind vor allem folgende Entwicklungen zu verstehen:

Arbeitskampfrecht in der DDR

In der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik von 1949 war das Streikrecht der Gewerkschaften verankert (§ 14 Abs. 2). Der FDGB lehnte jedoch einen Streik gegen Volkseigene Betriebe ab. Als Instrument des Arbeitskampfs schied damit der Streik genauso aus wie die (unzulässige) Aussperrung. Im Gesetzbuch der Arbeit (GBA) von 1961, der neuen Verfassung von 1968 und dem Arbeitsgesetzbuch (AGB) von 1978 wurde kein Streikrecht mehr erwähnt.

Literatur

  • Peter Berg, Helmut Platow, Christian Schoof, Hermann Unterhinninghofen: Tarifvertrags- und Arbeitskampfrecht. Kompaktkommentar, Bund-Verlag, 3. Aufl. Frankfurt 2010, ISBN 978-3-7663-3996-6
  • Michael Kittner: Arbeitskampf: Geschichte – Recht – Gegenwart. C. H. Beck, 1. Auflage, München 2005, ISBN 3-406-53580-1
  • Peter Renneberg: Die Arbeitskämpfe von morgen?, VSA – Verlag Hamburg 2005, ISBN 3-89965-127-8

Siehe auch

Wiktionary Wiktionary: Arbeitskampf – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Weblinks

Quellen

  1. Nipperdey: Arbeitsrecht, III. Teil, zitiert nach: Martin Donath: Arbeitskampf. In: Friedrich Karrenberg (Hrsg.): Evangelisches Soziallexikon / Im Auftrag des deutschen evangelischen Kirchentages. Stuttgart: Kreuz-Verlag 1954, S. 66.
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