Merce Cunningham

Merce Cunningham

Merce Cunningham (* 16. April 1919 in Centralia, Washington; † 26. Juli 2009 in New York City[1]) war ein US-amerikanischer Tänzer und Choreograf. Zu Beginn seiner Karriere wurde er von vielen als sehr talentierter Tänzer angesehen, der aber sein Talent mit gewagten Tanz-Experimenten vergeude. Vier Jahrzehnte später ist seine Stellung als einer der führenden Köpfe des modernen Tanztheaters unbestritten.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Cunningham wurde in Centralia, einer kleinen Stadt im Bundesstaat Washington, geboren. Sein Vater war Rechtsanwalt. Das Interesse für Tanz entwickelte sich eher zufällig und wurde von seinen Eltern weder speziell gefördert noch unterbunden. Als 11-jähriger lernte er Stepptanz bei Maud Barrett, die in seiner Heimatstadt eine Tanzschule eröffnet hatte. Mit ihr und deren Tochter Marjorie tingelte Cunningham durch Kalifornien, wo sie teilweise auch als Zwischenprogramm bei Stummfilmen auftraten.

Nach seinem Schulabschluss ging er nach Seattle und nahm an dem Cornish College of the Arts Schauspielunterricht, wechselte dann aber zum Tanz. Leiter der Tanzklasse war Bonnie Bird, ein ehemaliger Tänzer von Martha Graham. Ein Jahr später wurde John Cage als Pianist und Korrepetitor für die Tanzabteilung engagiert. Mit Cage lernte Cunningham seinen späteren Arbeits- und Lebenspartner kennen. [2] Cage führte die Tanzstudenten in unorthodoxe Ideen über die Beziehung von Tanz und Musik ein. 1939, noch vor Abschluss seinen Studiums, zog Cunningham nach New York und übernahm zahlreiche Solistenrollen bei der Martha GrahamDance Company. 1940 studierte er an der School of American Ballet, New York Klassischen Tanz [3]. 1942 begann er eigene Choreografien mit Musik von John Cage zu entwerfen [4]. Im Laufe der Zeit wurde der Tanz und die Musik der beiden immer unabhängiger voneinander, und in den frühen 1950er Jahren war schließlich die einzige Bindung zwischen Tanz und Musik die Gleichzeitigkeit ihrer Darbietung. Die Bühnenbilder für Cunningham entwarf oft der Maler Robert Rauschenberg.

Cunningham folgte in der Choreografie den Methoden von Cage, die dieser für seine Kompositionen verwendete. Jede Bewegung konnte jeder anderen folgen, und jede Bewegung war erlaubt. In der Anordnung setzten Cunningham wie Cage Zufallsprozesse ein. Beide wünschten sich, die Natur in ihrer Wirkungsweise zu imitieren. Der Gebrauch des Zufalls befreite Cunningham von den Einschränkungen der Gewohnheit und Intuition und eröffnete Bewegungsmöglichkeiten, die er anders nicht gefunden hätte.

1953 gründete er die Merce-Cunningham-Company, für die John Cage und David Tudor die Musik schrieben. Zehn Jahre später ging die Merce-Cunningham-Company auf eine sechsmonatige Welttournee; viele Gastspiele mussten wegen des großen Erfolges verlängert werden. In Amerika selbst, wo die Truppe zunächst nur wenige Auftritte hatte, führte die weltweite positive Resonanz zu einem verstärkten Interesse. Die Cunningham-Company geht seither regelmäßig auf Tournee durch die USA [5].

Bei seinen Auftritten beschränkte sich Cunningham nicht nur auf traditionelle Spielstätten, sondern führte seine Choreografien auch in Museen, Stadien und auf öffentlichen Plätzen auf, zum Beispiel dem auf dem Markusplatz in Venedig oder in der Grand Central Station in New York. 1972 trat Cunningham beim Schiraz-Kunstfestival vor den Ruinen von Persepolis auf. Auch mit Film und Kamera experimentierte Cunningham und schuf speziell auf die filmtechnischen Möglichkeiten abgestimmte Choreografien.

Cunninghams Werke finden sich heutzutage im Repertoire von Ballett- und Tanztheater-Companien in der ganzen Welt. 2005 erhielt er die renommierte Auszeichnung Praemium Imperiale, den „Nobelpreis der Künste“[6] 1985 war er MacArthur Fellow.

Werk

Rune (Uraufführung 14. August 1959) dauert 25 Minuten und ist ein Tanz für sechs Tänzer (vier Frauen und zwei Männer). Die Musik stammt von Christian Wolff und kann mit zwei Klavieren oder auch mit Orchester gespielt werden. Rune besteht aus fünf Teilen zu je ca. 5 Minuten. Cunningham plante hier eine Reihe choreographischer Blöcke, die er beliebig aneinanderreihen und variieren konnte. In jedem Block von ca. 5 Minuten sollte sowohl Stille/Stillstand als auch Aktion stattfinden. Die Blöcke sollten unverbunden nebeneinander stehen. Da der erforderliche Probenaufwand jedoch nicht aufgebracht werden konnte, wurde das Stück in seiner ursprünglichen Konzeption nie verwirklicht. Es ist das einzige Werk, welches Cunningham – auf ca. 40 beschriebenen Seiten, während einer Flugreise von Amerika nach Europa – akribisch genau notiert hatte. Eine Rekonstruktion des Werkes nach seinen eigenen Aufzeichnungen zu Beginn der 1980er Jahre gestaltete sich dennoch als äußerst mühsam und schwierig.

Winterbranche (Uraufführung 21. März 1964) ist ein Tanz über das Fallen. Hier hat Cunningham im Vorfeld vieles mit Steve Paxton ausprobiert. Zusätzlich kam die Idee hinzu, die Tänzer nicht in einer Art Entrée tanzend auf ihren Platz auf der Bühne zu führen, sondern dass sie einfach auf ihren Platz gehen, dort tanzen und wieder abtreten sollten. Das Bühnenbild (Bob Rauschenberg) sollte laut Cunninghams Vorstellung schwarz gestaltet sein.

RainForest (Uraufführung 9. März 1968) wird von Cunningham als Charaktertanz bezeichnet. Gleich zu Beginn steht ein langsames Duo, zu dem dann noch ein weiterer Tänzer hinzukommt. Obwohl nur drei Tänzer agieren, scheint dieses Stück von sechs Tänzern getanzt zu werden, von denen jeweils nur drei gleichzeitig sichtbar sind. Die Inspiration für das Bühnenbild bekam Cunningham von einer Ausstellung, in der Andy Warhol silberne Ballons (Silver Clouds) in Kissenform platziert hatte. Cunningham verwendete mit Warhols Einverständnis diese Kissen, die mit Helium gefüllt wurden und teilweise mit einer Schnur am Boden fixiert waren, teilweise in unterschiedlichen Höhen auf der Bühne schwebten. Eine Idee von Warhol, die Tänzer nackt auftreten zu lassen, wurde von Cunningham nicht realisiert. Cunningham wollte dennoch so etwas wie "zerrissene Haut" zeigen, was dann von Jasper Johns mit geschlitzten Trikots umgesetzt wurde.

Walkaround Time (Uraufführung 10. März 1968) dauert 49 Minuten und war von Beginn an für acht Tänzer konzipiert. Es besteht aus zwei Teilen und einem Entre’acte, welcher ursprünglich aus Relâche (nie aufgeführt) stammt und hier eingefügt wurde. Die teilweise wechselnde Musik stammt von David Behrmann. Die Choreografie wurde von Charles Atlas auch verfilmt.

1991 entstand das Stück Beach Birds, welches 2010 in Paris erneut aufgeführt wurde.

Ausstellung

  • 2011: Merce Cunningham. Zeichnungen und Videoaufzeichnungen, Museum Wiesbaden, Wiesbaden

Literatur

  • Sabine Huschka: Merce Cunningham und der moderne Tanz: Körperkonzepte, Choreographie und Tanzästhetik, Königshausen & Neumann, 2000, ISBN 3-8260-1668-8

Weblinks

Einzelnachweise

  1. New York Times: Merce Cunningham Dies
  2. Andante:Through the Silence: John Cage and Beyond
  3. Sabine Huschka, Merce Cunningham und der moderne Tanz: Körperkonzepte, Choreographie und Tanzästhetik, Königshausen & Neumann, 2000, ISBN 978-3-8260-1668-4
  4. Kerstin Evert: Dancelab - Zeitgenössischer Tanz und neue Technologien, Königshausen & Neumann, 2003, ISBN 978-3-8260-2428-3
  5. Kerstin Evert: Dancelab - Zeitgenössischer Tanz und neue Technologien, Königshausen & Neumann, 2003, ISBN 978-3-8260-2428-3
  6. Nachricht in: tanznetz.de



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