Menschenrechtskonvention

Menschenrechtskonvention

Menschenrechtsabkommen sind multilateral abgeschlossene völkerrechtliche Verträge. Sie kodifizieren in erster Linie Individualrechte, doch enthalten sie auch kollektive Rechte wie das Recht auf Selbstbestimmung der Völker. Die Verträge schaffen Menschenrechtsinstrumente, die im Gegensatz zu den auf der UN-Charta beruhenden Instrumenten nur für diejenigen Staaten, die den Verträgen durch Ratifikation beigetreten sind, gelten.

2006 gab es im Rahmen der Vereinten Nationen sieben allen Staaten zur Ratifikation offen stehende Menschenrechtsabkommen im engeren Sinne. Sie enthalten Überprüfungsverfahren, die den dazu eingesetzten UN-Vertragsorganen obliegen. Einige, aber nicht alle Verträge werden ergänzt durch Zusatzabkommen, sogenannte Optionsprotokolle, die in der Regel Individualbeschwerdeverfahren zum Gegenstand haben.

Europa, Amerika und Afrika haben darüber hinaus unterschiedlich weit reichende regionale Menschenrechtsabkommen vereinbart, die allen Ländern dieser Regionen offen stehen. Hier nicht behandelt werden die bereits seit 1912 erzielten zahlreichen Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation.


Inhaltsverzeichnis

Übersicht über die Menschenrechtsabkommen

Im Rahmen der Vereinten Nationen wurden die folgenden sieben Abkommen in Kraft gesetzt:

  1. der Internationale Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte vom 16. Dezember 1966 (kurz: „Sozialpakt“; in Kraft getreten 3. Januar 1976)
  2. der Internationale Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte vom 16. Dezember 1966 (kurz: „Zivilpakt“; in Kraft getreten 23. März 1976)
  3. Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (Abkürzung: ICERD, kurz: „Rassendiskriminierungskonvention“) vom 7. März 1966
  4. Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Abkürzung: CEDAW, kurz: „Frauendiskriminierungskonvention“) vom 18. Dezember 1979
  5. die UN-Anti-Folter-Konvention vom 10. Dezember 1984
  6. die UN-Kinderrechtskonvention vom 20. November 1989
  7. die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen (kurz: „Wanderarbeiterkonvention“) vom 18. Dezember 1990

Unter den regionalen Menschenrechtsabkommen sind die folgenden zu nennen:

Das wohl bekannteste Menschenrechtsdokument, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist kein völkerrechtlicher Vertrag, sondern formell nur eine politische Verlautbarung und Willenserklärung der UN-Generalversammlung vom 10. Dezember 1948. Wegen ihrer universellen Anerkennung gilt sie aber als Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts. Zusammen mit dem Sozial- und Zivilpakt spricht man von der International Bill of Human Rights als einem Grundkodex der internationalen Staatengemeinschaft über die Menschenrechte.

Die Völkermordkonvention vom 9. Dezember 1948 ist zwar auch menschenrechtsrelevant, hier geht es aber nicht um die Rechte einzelner Individuen wie bei den anderen Abkommen. Das Rom-Statut des internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag vom 17. Juli 1998 bezieht sich in erster Linie auf Völkermord, und nur nachrangig auf Menschenrechte. Die Genfer Flüchtlingskonvention zählt zu den Abkommen des humanitären Völkerrechts.

Akzeptanz und Ratifikationen

Erfolgreichstes Menschenrechtsabkommen ist die Kinderrechtskonvention. Sie wurde von allen Staaten ratifiziert bis auf zwei: dem in Nordosten Afrikas gelegenen Somalia und den USA. Die inhaltlich umfassendsten Abkommen – Sozialpakt und Zivilpakt – wurden bis 2006 von 153 bzw. 156 Staaten ratifiziert. Darunter sind alle ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrates – mit Ausnahme der USA, die dem Sozialpakt fern geblieben sind. Nur die Wanderarbeiterkonvention fällt mit lediglich 34 Ratifikationen deutlich hinter die anderen Menschenrechtsabkommen zurück. Deutschland, Österreich und die Schweiz sind allen Abkommen beigetreten mit Ausnahme der Wanderarbeiterkonvention.

Die allgemein hohe Zahl der Ratifikationen kann als Zeichen einer hohen Akzeptanz der völkerrechtlichen Menschenrechtsnormen durch die Staatengemeinschaft gewertet werden, ohne dass damit etwas über eine zufriedenstellende Umsetzung der Verträge gesagt ist. Ein Manko ist freilich die Weigerung der Vereinigten Staaten von Amerika und einiger anderer einflussreicher Staaten, sämtlichen Verträgen und ihren Zusatzabkommen beizutreten. Trotzdem ist es erlaubt, die Existenz der Menschenrechtsabkommen als einen Beleg für die Abwegigkeit der gelegentlich vorgebrachten kulturellen Relativierung der Menschenrechte zu nehmen. Von Bedeutung ist dafür auch der nahezu universelle Konsens der Wiener Weltmenschenrechtskonferenz von 1993, wo sich die Staatengemeinschaft zur Förderung der Menschenrechte als vorrangiger Aufgabe der Vereinten Nationen und aller Mitgliedsstaaten bekannte.

Auslegungen und prozesshafter Charakter des Völker-Menschenrechts

Das Verständnis der aus den völkerrechtlich verankerten Menschenrechten erwachsenden Staatenpflichten ist noch eher am Anfang des Prozesses der juristischen Auslegung begriffen. Das gilt vor allem für die über die Vereinten Nationen abgeschlossenen Abkommen. Dieser Zustand ist unbefriedigend. Allerdings sollte für die Herausbildung einer weltweiten Menschenrechtstradition angemessen Zeit eingeräumt werden. Unterschiedliche Rechtstraditionen müssen hier ein Verhältnis zueinander finden; und zwischenstaatliche Konflikte können erhebliche Hindernisse darstellen. Die europäischen Staaten sind mit der Europäischen Menschenrechtskonvention schon ein Stück weiter.

Für die Konkretisierung der Staatenpflichten spielen die menschenrechtlichen Vertragsorgane, die mit der Überprüfung der UN-Vertragspraxis betraut sind, eine prägende Rolle. Es handelt sich um mit unabhängigen Fachleuten besetzte Ausschüsse, die Rechtskommentare zu von ihnen ausgewählten Fragen verfassen und dabei Aussagen zum Inhalt der Staatenpflichten treffen. Die Auslegung kommt ansonsten den obersten Gerichten der Vertragsstaaten zu. Die höchsten deutschen Gerichte haben sich bisher noch kaum auf die Menschenrechtsabkommen der Vereinten Nationen berufen. Ein Grund dafür dürfte schlicht die Unkenntnis über die Relevanz der Verträge sein; in der Richterausbildung haben sie in der Vergangenheit keine Rolle gespielt.

Umsetzung und Einklagbarkeit

Die Defizite bei der Umsetzung der Menschenrechtsabkommen sind abhängig von den einzelnen Ländern teilweise erheblich. Die Abkommen haben sich trotz völkerrechtlicher Ratifikation bisher nicht generell als Garanten für das Ausbleiben von Menschenrechtsverletzungen erwiesen. Dennoch ist ihr Nutzen beträchtlich, liefern sie doch einen Rahmen für das Umgehen mit schwerwiegenden Streitfällen und Konflikten zwischen Staat und Einzelperson, die die Würde der Person beeinträchtigen. Sie stellen universelle Normen mit konkreten Rechtsbegriffen bereit, die von Regierungen und Gerichten im Einzelfall anwendbar und von allen Menschen verstehbar und nachvollziehbar sind.

Die in den Abkommen kodifizierten Menschenrechte sind in den Vertragsstaaten nur bedingt und nicht von vornherein einklagbar. Denn Adressaten der Abkommen sind die Vertragsstaaten und nicht die Opfer von Menschenrechtsverletzungen. Die Verträge vermitteln subjektive Rechte nicht mit unmittelbarer Wirkung, sondern beschränken sich darauf, die Vertragsstaaten zur Gewährung bestimmter Rechte zu verpflichten. Hierfür sind sie gehalten, ihre Gesetzgebung entsprechend anzupassen und ihr Verwaltungshandeln an den Verträgen zu orientieren. Unter dem Gebot einer völkerrechtsfreundlichen Interpretation des nationalen Rechts können sie mithilfe der Gerichte auf die Rechtsordnung einwirken.

Auf internationaler Ebene sind die UN-Abkommen noch nicht einklagbar. Bis dahin muss das Völkerrecht noch einen weiten Weg gehen. Denn ein Weltmenschenrechtsgerichtshof ist noch nicht in Sicht. Allerdings sehen einige der Abkommen aufgrund von Zusatzprotokollen die Möglichkeit von Individualbeschwerden vor. Wenn alle einheimischen Rechtsmittel erfolglos ausgeschöpft sind, können sich Opfer von Menschenrechtsverletzungen an die Vertragsorgane wenden, um einen Spruch zu erwirken. Dieser kann Empfehlungen an den Vertragsstaat, aus dem die Beschwerde kommt, enthalten. Obwohl die Empfehlungen der Vertragsorgane nicht bindend sind, können sie von politischer Wirkung auf das Geschehen in dem Staat sein. Ähnliches gilt für die Äußerungen der Vertragsorgane, die sie zu den Staatenberichten abgeben. Die Staatenberichte müssen die Vertragsstaaten alle paar Jahre vorlegen, um den Stand der Verwirklichung der Menschenrechtsabkommen gegenüber den Vertragsorganen zu dokumentieren. Die Zivilgesellschaft kann sich dabei kommentierend und mit ergänzenden Informationen einbringen, so dass die Beurteilungen der Vertragsorgane durchaus kritisch ausfallen können.

Regionale Menschenrechtsabkommen

Sehr viel weiter entwickelt ist das Menschenrechtsregime des Europarats. Die Europäische Menschenrechtskonvention kennt sowohl ein Individualbeschwerdeverfahren als auch ein Oberstes Gericht, den stark frequentierten Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Vor allem für die Türkei und einige osteuropäische Länder besitzt er eine menschenrechtlich prägende Funktion.

Auch die Amerikanische Menschenrechtskonvention konstituiert ein Gericht, den Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof in San José (Costa Rica). Dieses wird jedoch weniger häufig angerufen als das Straßburger Gericht und fand bisher keine Beteiligung von Kanada und den USA. Das mehrere Jahre zuvor ausgehandelte Protokoll für die Errichtung eines afrikanischen Menschenrechtsgerichtshofes war bis 2006 noch nicht in Kraft.

Weblinks

Informationen zu den Menschenrechtsabkommen und der zugehörigen deutschen Staatenberichterstattung liefert das Deutsche Institut für Menschenrechte.

Stand der Ratifikationen von Menschenrechtsabkommen und ihrer Zusatzprotokolle per 14. Juli 2006

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