Meister Gerhard

Meister Gerhard
Meister Gerhard, Statue

Meister Gerhard (* um 1210/1215 vermutlich in Reil, † 24. oder 25. April um 1271 in Köln[1], Gerhard von Rile, latinisiert als Meister Gerardus) war der erste Dombaumeister des Kölner Doms. Von Gerhard stammt wahrscheinlich der Gesamtplan des Kölner Doms.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft

Da es im heutigen Moselort Reil im Mittelalter ein Adelsgeschlecht "von Ryle" gab, gibt es Vermutungen, dass Meister Gerhard aus diesem Geschlecht gestammt haben könnte. Außerhalb von Köln lebten zudem seit 1173 die Schillinge de Ryle (Rile), die Ministeriale des Erzbischofs waren. Diese Schillinge de Ryle besaßen in der Marzellenstrasse ein Stadthaus mit Bauernhof, von dem es eine alte Zeichnung geben soll. Nebenan soll Meister Gerhard einen Weinberg erhalten haben in dem Bereich, für den die für de Ryle zuständige Stiftskirche St. Kunibert seelsorgerisch verantwortlich war. Die These, dass dieser Gerhard de Ryle mit dem Dombaumeister Gerhard identisch ist, kann deshalb nicht ganz ausgeschlossen werden. Ebenso wird seine Beteiligung an der Entstehung des Altenberger Domes angenommen. Der Altenberger Hof an der Johannisstraße lässt auch hier eine Diskussion zu. Ob die de Ryles (Bornheim) Besitz in Reil/Mosel hatten, ist bisher nicht untersucht worden.

Leben

Möglicherweise besuchte Gerhard in seinen Lehr- und Wanderjahren die Baustellen der Kathedralen von Troyes und der Sainte-Chapelle in Paris. Der Baumeister der Abteikirche von Saint-Denis, Pierre de Montereau, Doctor lathomodorum, könnte Gerhards Lehrmeister gewesen sein. Auch zu Jean de Chelles, dem Leiter der Baustelle von Notre Dame in Paris, soll er in regem Kontakt gestanden haben.

Das Leben Gerhards ist bis 1247 fast ausschließlich durch sein Werk rekonstruierbar. Er muss als Parlier oder Meister in Nordfrankreich gearbeitet haben, bevor das Kölner Domkapitel ihn als Werkmeister berief. Am 25. März 1247 wurde der Neubau des Kölner Domes beschlossen, die Grundsteinlegung erfolgte am 15. August 1248. Erstmalig wird Gerhard 1257 genannt, als das Domkapitel ihm, dem magistro gerardo lapicide rectori fabrice ipsius ecclesie, „wegen seiner Verdienste um diese Kirche“ Land bei seinem Hause in der Marzellenstraße mittels Erbpacht überließ, um darauf ein großes Steinhaus zu errichten.[2] [3] Hans Jürgen Rieckenberg[4] identifiziert Dombaumeister Gerhard mit dem 1268 gleichfalls als magister operis genannten Domherrn Gerhard und geht davon aus, dass Gerhard um 1260 Kölner Domherr geworden sei.

Kurz nach 1248 heiratete er Gude, die Schwester des Kellermeisters des Domdechanten. Er stürzte bei einem Kontrollgang im April 1271 unter mysteriösen Umständen vom Gerüst des unfertigen Doms und verletzte sich tödlich. Meister Gerhard hinterließ drei Söhne: Wilhelm, Peter, Johann und eine Tochter Elisabeth, die alle den geistlichen Stand annahmen.[5]

Werk

Im Frühjahr 1247 beschlossen die Kölner Domherren, den karolingischen Dom durch eine neue, moderne Kathedrale ersetzen zu lassen. An Mariä Himmelfahrt 1248 legte Erzbischof Konrad von Hochstaden feierlich den Grundstein für den Neubau.

Gerhard wurde der erste Dombaumeister. Er verwendete Trachyt vom Drachenfels. Er errichtete den Chor im gotischen Stil. Von der Kathedrale von Amiens (Nordfrankreich), die Gerhard offenbar gut kannte, übernahm er die Gewölbeform und Wandgliederung in überhöhter Reinheit.

Während seines Wirkens wird der Chor eine Bauhöhe von 13 bis 20 Metern erreicht haben. Die Dombauhütte wurde weithin Vorbild.[6] Am klarsten zeigt sich sein Stil beim Kapellenkranz und der alten Sakristei.[7]

Unter Gerhards Mitwirkung wurde wahrscheinlich auch die Abteikirche Altenberg errichtet, zu der Graf Adolf IV. von Berg 1255 den Grundstein legte. 1256 gestaltete Meister Gerhard auch den gotischen Chor des Mönchengladbacher Münsters, das 1275 durch Albertus Magnus eingeweiht wurde.

Nachwirken

Meister Gerhards Bauplan blieb auch für die folgenden Dombaumeister Richtschnur. Im 19. Jahrhundert galt der Chor als bedeutendstes gotisches Bauwerk. Der Weiterbau des Kölner Doms 1842 folgte den Plänen Gerhards.

Baumeister Gerhard wurde sogar zur Sagengestalt.[8]

In seinem Kriminalroman Tod und Teufel lässt Frank Schätzing Meister Gerhard zum ersten Opfer eines historischen Komplotts der Kölner Patrizier gegen den Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden werden.[9]

Eine Gedenktafel erinnert an ihn in der Walhalla in Donaustauf.

Literatur

  • Paul Clemen (Hrsg.): Der Dom zu Köln (= Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz. Band 6, Teil III). Reprint der 2., vermehrten Auflage, Düsseldorf, 1938. Düsseldorf Schwann 1980, ISBN 3-590-32101-6
  • Leonard EnnenGerhard von Rile. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 8, Duncker & Humblot, Leipzig 1878, S. 756–758.
  • Johann Jakob Merlo: Geschichte der Kölner Dombaumeister (= Nr. 75 der Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande), 1883
  • Johann Jakob Merlo: Nachrichten von dem Leben und den Werken kölnischer Künstler, S.133 Köln 1850
  • Heinrich Pröhle: Meister Gerhard von Rile, des Kölner Domes Baumeister, in: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Berlin 1886, S. 213-216 (E-Text)
  • Herbert Rode: Gerhard. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, S. 272.
  • Sulpiz Boisserée: Meister Gerhard, muthmaßlicher Baumeister des Doms v. Köln. (Geschichte u. Beschreibung des Doms v. Köln). In: Kunstblatt Nr. 13 (1824)
  • Max Hasak: Der Dom zu Köln, Berlin 1911, S. 55ff online

Anmerkungen

  1. nach NDB (1964) wahrscheinlich um 1271; nach ADB (1878) gegen Ende des 13. Jahrhunderts; nach Merlo, Nachrichten (1850) 1295; nach Hasak, Dom, S.55 1280
  2. Grundbucheintrag im Schreinsbuch von St. Lupus (Niederich). Merlo, Nachrichten, S. 133. Abgedruckt bei Hasak, Dom, S. 58 ff.
  3. Georg Kaspar Nagler, Neues allgemeines künstler-lexicon: oder, Nachrichten von dem leben und den Werken..., 1837, S. 110
  4. Der erste Kölner Dombaumeister G., in: Archiv für Kulturgeschichte, 44, 1962
  5. Merlo, Nachrichten, S.135; Hasak, Dom, S.62 ff.
  6. NDB Bd. 6, S. 272
  7. Clemen, Der Dom zu Köln, S. 54
  8. Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Berlin 1886, S. 213-216.
  9. Frank Schätzing: Tod und Teufel, Emons Köln 1995

Siehe auch


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