Mehr Demokratie

Mehr Demokratie
Mehr Demokratie e. V.
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Zweck: Förderung der direkten Demokratie
Vorsitz: Ralf-Uwe Beck (Sprecher), Michael Efler (Sprecher), Claudine Nierth (Sprecherin), Roman Huber, Katrin Tober, Gerald Häfner, Daniel Schily
Gründungsdatum: 12. Juli 1988 (als IDEE)
Mitgliederzahl: ca. 5500 (Stand: März 2010)
Sitz: Berlin
Website: www.mehr-demokratie.de

Mehr Demokratie e. V. ist eine bundesweit tätige Organisation, die sich für direkte Demokratie, Bürgerbeteiligung sowie die Verbesserung des Wahlrechts auf allen politischen Ebenen Deutschlands und in der Europäischen Union einsetzt. Der Verein ist als gemeinnützig anerkannt, politisch neutral und überparteilich[1].

Inhaltsverzeichnis

Organisation

Mehr Demokratie ist in einen Bundesverband und insgesamt zwölf Landesverbände gegliedert. In sieben Städten (Berlin, Bremen, Erfurt Hamburg, Köln, Leipzig und Stuttgart) bestehen Landesbüros und in zwei Städten (Berlin und Kreßberg) Bundesbüros. Der Vereinssitz ist Bonn. Viele Aufgaben des Bundesverbandes (Mitgliederverwaltung, Internetauftritt etc.) werden jeweils von verschiedenen Büros wahrgenommen. Insgesamt arbeiten über das Bundesgebiet verteilt etwa 30 Personen hauptamtlich bzw. nebenamtlich für den Verein.

Daneben verfügt Mehr Demokratie über ein Kuratorium von mehr als 50 namhaften Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft und Politik[2]. Diese arbeiten, forschen und publizieren zu Demokratiefragen und fungieren als beratendes Gremium. Der Bundesvorstand ist dem Kuratorium gegenüber auskunftspflichtig.

Mehr Demokratie ist als gemeinnützig anerkannt und finanziert sich ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden. Es können sowohl natürliche als auch juristische Personen Mitglied sein. Neben einer regulären Mitgliedschaft ist auch eine Unterstützung als Förderer möglich.

Gründung

Mehr Demokratie wurde 1988 unter anderem von den Grünen-Politikern Lukas Beckmann und Gerald Häfner, sowie von den parteilosen Thomas Mayer und Daniel Schily (heute CDU), Sohn von Konrad Schily und Neffe von Otto Schily, in Bonn gegründet und hieß zunächst „IDEE – Initiative DEmokratie Entwickeln“. Vorläufer hat die Organisation im „Achberger Kreis“ (der parallel weiterhin besteht) sowie in der von Joseph Beuys 1971 gegründeten Organisation für direkte Demokratie durch Volksabstimmung.

Kampagnen

Kampagnen in den Ländern

Politisches Gewicht erhielt der von IDEE initiierte Verein „Mehr Demokratie in Bayern“ in den Jahren 1992 bis 1995. So mit dem Volksbegehren für direkte Demokratie in den bayerischen Gemeinden, das in einem erfolgreichen Volksentscheid angenommen wurde. Ebenfalls auf den Weg gebrachte Erleichterungen der Volksgesetzgebung auf Landesebene wurden durch das bayerische Verfassungsgericht später teilweise revidiert. Da dieses Gerichtsurteil von den Verfechtern der direkten Demokratie weithin als politisches Urteil wahrgenommen wurde, strebte Mehr Demokratie in Bayern, seit 1997 ein Landesverband des umbenannten Bundesvereins, einen weiteren Volksentscheid zur Änderung des Wahlmodus der bayerischen Verfassungsrichter an. Dieser sah vor, dass die Richter nicht wie bislang mit einfacher Mehrheit, sondern nur mit Zweidrittelmehrheit vom Landtag gewählt und wiedergewählt werden können. Das 2000 hierzu erforderliche Volksbegehren scheiterte, ebenso wie der erneute Versuch, die landesweite Volksgesetzgebung zu erleichtern,[3] jedoch an der Unterschriftenhürde (siehe auch Volksgesetzgebung in Bayern).

1998 gelang es Mehr Demokratie in Hamburg mit einem erfolgreichen Volksbegehren die Möglichkeit zu Bürgerbegehren in den Stadtteilen durchzusetzen. Obwohl ein zweiter von Mehr Demokratie initiierter Volksentscheid zur Absenkung der Hürden für die direkte Demokratie auf Landesebene an selbigen Hürden scheiterte, griff die rot-grüne Regierungskoalition im Jahre 2001 einige wesentliche Anliegen dieses zweiten Volksbegehrens auf und setzte sie um.

Die ebenfalls per Volksentscheid im Jahre 2004 durchgesetzte Änderung des Hamburger Wahlrechts wurde von der CDU mit absoluter Mehrheit, bevor es auch nur einmal zur Anwendung kam, in Teilen rückgängig gemacht. Auf Klage der Initiatoren des Volksbegehrens erklärte das Hamburgische Landesverfassungsgericht die Vorgehensweise für verfassungswidrig und machte die Eingriffe (ebenfalls in Teilen) rückgängig. Mehr Demokratie initiierte Anfang 2009 daraufhin erneut ein Volksbegehren zur Änderung des Hamburger Wahlrechts, dass im April des selben Jahres mit der notwendigen Zahl Unterschriften eingereicht wurde. Um einen Volksentscheid, der zeitgleich zur Bundestagswahl am 27. September 2009 stattgefunden hätte, zuvorzukommen, hat die Hamburger Bürgerschaft den Gesetzesentwurf übernommen (siehe auch Volksgesetzgebung (Hamburg)).

In Bremen erreichte der Verein 2006 ebenfalls eine Reform des Wahlrechts nach Hamburger Vorbild. Mit mehr als 70.000 Unterschriften konnte der Verein das erste erfolgreiche Volksbegehren in diesem Bundesland einreichen. Im Dezember 2006 wurde der Vorschlag des Volksbegehrens von der bremischen Bürgerschaft übernommen und findet ab 2011 Anwendung. Eine Folge des Volksbegehrens war auch eine 2009 auf den Weg gebrachte Reform der Volksgesetzgebung im Land Bremen.

In Thüringen konnte Mehr Demokratie zusammen mit Partnern 2008 das Volksbegehren für „Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen“ erfolgreich abschließen. Nach Verhandlungen mit dem Bündnis entschloss sich die dort mit absoluter Mehrheit regierende CDU den Vorschlag unverändert anzunehmen. Ein erfolgreiches Volksbegehren im Jahre 2000 zur Verbesserung der Volksgesetzgebung wurde vom Staatsgerichtshof für unzulässig erklärt, führte aber dennoch zu einer Reform.

Vorzeitig beendete Kampagnen

In Brandenburg gelang es 2001, die erforderlichen Unterschriften für die Einleitung zweier Volksbegehren zur Senkung der Hürden auf Landes- und Kommunalebene zu sammeln. Mehr Demokratie entschied sich jedoch, aufgrund der geringen Größe seines Brandenburger Landesverbandes mit denen die hohen Hürden für ein Volksbegehren kaum zu überwinden gewesen wären, sowie mehrerer Verfassungsgerichtsurteile zu Ungunsten der direkten Demokratie, auf die eigentlichen Volksbegehren zu verzichten[4].

Ebenfalls wegen der zu hohen Hürden verzichtete der Verein 2009 in Berlin auf die Durchführung des in der ersten Stufe erfolgreichen Volksbegehrens zur Änderung des Berliner Wahlrechts.

In NRW wurde 1999 das Volksbegehren „Mehr Demokratie in NRW: Faire Volksentscheide in die Verfassung!“ für unzulässig erklärt, weil es eine Verfassungsänderung zum Ziel hatte. Im Jahre 2002 verabschiedete der nordrhein-westfälische Landtag aber eine Reform der Volksgesetzgebung, der vielfältige Verbesserungen der Direkten Demokratie enthielt.

In Baden-Württemberg scheiterte Mehr Demokratie daran, erleichterte Bedingungen für die landesweite und kommunale direkte Demokratie zu schaffen, da die Landesregierung das Volksbegehren für unzulässig erklärte. 2005 senkte der Landtag die Hürden für Bürgerbegehren in Städten und Gemeinden jedoch leicht.

Bundeskampagnen

Neben der Befassung mit den länderspezifischen Problemen, bleibt das bislang unerfüllte Vereinsziel weiterhin die Einführung von bundesweiten Volksentscheiden. Von 1998 bis 2003 betrieb der Verein die Kampagne „Menschen für Volksabstimmungen“ und sammelte über 100.000 Unterschriften für dieses Ziel. Obwohl 2002 im Bundestag die Mehrheit der Abgeordneten für die Einführung einer Volksabstimmung votierte, wurde die für eine Verfassungsänderung erforderliche Zweidrittelmehrheit aufgrund der Gegenstimmen der CDU/CSU-Fraktion verfehlt. 2009 startete Mehr Demokratie die Kampagne „Volksentscheid ins Grundgesetz“.[5] Das Ziel ist eine verbindliche Aussage zur Einführung von bundesweiten Volksentscheiden im kommenden Koalitionsvertrag.

Kampagnen auf Europaebene

Während des Europäischen Konvents hat sich Mehr Demokratie im Rahmen der European Referendum Campaign zusammen mit anderen Organisationen aus den Mitgliedstaaten der EU Europäische Bürgerinitiative (European Citizens’ Initiative) für die Einführung direkter Demokratie in die Europäische Verfassung eingesetzt. Nach dessen scheitern durch den Volksentscheid in Frankreich bzw. die Volksbefragung in den Niederlanden arbeitet Mehr Demokratie daran, die im Vertrag von Lissabon vorgesehene Europäische Bürgerinitiative in ein wirksames Instrument zu wandeln.

Lobbyarbeit

Neben der Kampagnentätigkeit betreibt Mehr Demokratie auch intensive Lobbyarbeit bei Parteien und deutschen Regierungen für den Ausbau der Demokratie. So konnte der Verein seine Vorschläge zur Schaffung direktdemokratischer Instrumente bereits 1989 erfolgreich in Schleswig-Holstein in den politischen Prozess einbringen. Gleiches gelang 2000 und 2002 in Nordrhein-Westfalen sowie 2005 in Berlin.

Weitere Aktivitäten

Neben der Kampagnen- und Lobbyarbeit versucht der Verein durch weitere Aktivitäten den Diskurs über Demokratie und deren Ausgestaltung anzuregen. Dies geschieht unter anderem durch:

  • die Publikation von Statistiken und Forschungsarbeiten zu Demokratiefragen (teils in Zusammenarbeit mit dem Kuratorium),
  • den Betrieb der Bürgerbegehrensdatenbank[6] (in Kooperation mit der Philipps-Universität Marburg) und
  • die Beratung von zivilgesellschaftlichen Initiativen zu den Möglichkeiten und Bedingungen für die Durchführung von Volks- und Bürgerbegehren.

Mehr Demokratie war darüber hinaus Mitinitiator der Internetplattform Abgeordnetenwatch.de und ist bis heute dort Fördermitglied.

Nahestehende Organisationen und Kooperationen

Mehr Demokratie schließt für seine Kampagnen oftmals mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren Bündnisse (bspw. Ver.di, attac, Die Familienunternehmer – ASU). Um die Aktivitäten auf europäischer Ebene mit Partnern in anderen Ländern besser koordinieren und bündeln zu können, hat der Verein die Organisation Democracy International (DI) ins Leben gerufen. Die 2006 in Österreich gegründete Vereinigung mehr demokratie![7] begleitet der deutsche Verein partnerschaftlich. Mit der 1987 gegründeten Omnibus für direkte Demokratie gGmbH [8] besteht eine lange und enge Kooperation.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. vergleiche §4 der Vereinssatzung
  2. Aufgaben des Kurtatoriums
  3. Mehr Demokratie e. V. Bayern: Entstehung
  4. Eintrag auf der Website des Landesverbandes Berlin/Brandenburg.
  5. Homepage der Bundeskampagne
  6. Link zur Bürgerbegehrensdatenbank
  7. Homepage des österreichischen Vereins mehr demokratie!
  8. Homepage der OMNIBUS gGmbH

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