Medium Extended Air Defense System

Medium Extended Air Defense System

Das Medium Extended Air Defense System (MEADS) ist ein Flugabwehrsystem, das sich aktuell in Entwicklung befindet und ab 2012/14 die Flugabwehrsysteme Roland, Hawk und teilweise Patriot ablösen soll. Roland und Hawk sind bereits seit 2005 außer Dienst gestellt.

Inhaltsverzeichnis

Beteiligte

An MEADS waren ursprünglich 4 Nationen beteiligt: USA, Deutschland, Frankreich und Italien. Es ist das derzeit einzige transatlantische Rüstungsprojekt mit deutscher Beteiligung. Frankreich kündigte die Teilnahme am Projekt jedoch frühzeitig auf, um das eigene System SAMP/T zu entwickeln.

Beteiligt an dem Unternehmen MEADS International Inc. mit Sitz in Orlando (Florida) sind die Firmen Lockheed Martin (USA), LFK-Lenkflugkörpersysteme GmbH (Deutschland) und MBDA-Italien (Italien). Beauftragt wird die Joint-Venture-Gruppe durch die NATO MEADS Management Agency (NAMEADSMA) aus Huntsville (Alabama). Die Finanzierung der Entwicklungsphase wird zu 55% durch die USA, zu 28% durch Deutschland und 17% durch Italien übernommen werden. Für Deutschland begann das Projekt 2001 mit Zustimmung der Bundesregierung zur RRE-Phase (Risk Reduction Effort, deutsch: Risikominimierung).

Am 20. April 2005 beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestages mit den Stimmen von SPD, Grünen und Union die Beteiligung an der Entwicklung des Raketenabwehrsystems. Mit Abschluss des Entwicklungsvertrages ist Deutschland danach an einer Finanzierungsbeteiligung von 855 Millionen Euro gebunden. Die Schätzungen über die System-Gesamtkosten betrugen 2005 nach Angaben der Bundesregierung 3,84 Milliarden Euro.

Mittlerweile wurde das erste Startgerät (Launcher) sowie das erste Tactical Operations System (TOC), jeweils in der italienischen Version mit luftverladbarem Sattelauflieger (in der deutschen und amerikanischen Version sind geschützte LKW als Träger vorgesehen) an den Generalunternehmer MEADS International übergeben. Dieser Launcher wird bis März 2011 auf dem italienischen Luftwaffenstützpunkt Pratica di Mare auf Systemebene zusammen mit dem Gefechtsstand und dem Multifunktions-/Feuerleitradar für die ab April 2011 vorgesehenen Gesamtsystemversuche integriert.[1] Der erste Testschuss soll 2012 stattfinden.

Siehe auch: Extended Air Defence Task Force

Technik

MEADS soll den Bodentruppen bei Auslandseinsätzen Schutz von zukünftigen Bedrohungen aus der Luft bieten, welche nicht rechtzeitig oder nur schwer von luftgestützten Systemen identifiziert und bekämpft werden können. Das Waffensystem kann dazu mittels Transportflugzeugen vom Typ A400M oder C-130 verlegt werden oder als Außenlast von Helikoptern vom Typ CH-53 oder CH-47. Die einzelnen Komponenten des Systems werden auf LKW montiert, um Geländemobilität zu gewährleisten. Die modulare Architektur des Systems ermöglicht Plug-and-Fight-Eigenschaften, so können neue Raketenstarter oder Radare in den Systemverbund integriert werden. Die einzelnen Komponenten sind mit Datenlinks oder Glasfaserleitungen vernetzt, so muss ein Lenkwaffenstarter keinen direkten Datenlink zum Tactical Operations Center (TOC) besitzen. Es reicht ein Link zu einem anderen Starter, welcher wiederum mit dem TOC vernetzt ist. Dies soll die Redundanz und Aufstellungsflexibilität erhöhen. Dazu wurden gegenüber dem PATRIOT-System auch Veränderungen beim Radar vorgenommen: Statt ein Radar (AN/MPQ-53) zum Suchen und Waffenleiten zu verwenden, verwendet MEADS separate Such- und Feuerleitradare. Für den Betrieb sind maximal 19 Personen (für den 24-Stundenbetrieb 36 Personen) notwendig. MEADS besteht aus folgenden Subsystemen:

Surveillance Radar (SR)

Das Surveillance Radar ist ein modernes Suchradar mit aktiver elektronischer Strahlschwenkung, welches drehbar auf einem LKW montiert ist. Dies ist gegenüber PATRIOT eine deutliche Verbesserung, da so Ziele im Umkreis von 360° mit nur einem Radargerät ortbar sind. Das Radar ist darauf optimiert zukünftige Bedrohungen aus der Luft zu orten, welche nur schwer durch luftgestützte Systeme entdeckbar sind. Dazu zählen:

Da diese Systeme nur eine geringe Radarrückstrahlfläche besitzen und eine hohe Ortungsreichweite erwünscht ist, verwendet das Suchradar ungewöhnlich niedrige Frequenzen im UHF-Band mit unter einem Gigahertz. Diese Frequenzen werden nur sehr gering durch Wettererscheinungen gedämpft und ermöglichen so eine große Reichweite. Weitere Vorteile sind, dass Fluggeräte mit Tarnkappentechnik für höherfrequente Radare im D,E,F und X-Band optimiert sind. So konnte laut NATO-Verantwortlichen eine S-125 Newa-Batterie mit Hilfe eines tieffrequenten Radars eine Lockheed F-117 im Kosovo-Krieg abschießen. Die Sucher von Antiradarraketen wie AGM-88 HARM oder AS-17 Krypton sind ebenfalls auf diese Frequenzbänder optimiert. Ein Sucher im UHF-Band müsste ungleich größer sein um dieselbe Winkelauflösung zu erzielen, was aufgrund der beschränkten Baugröße nur schwer zu realisieren ist.

PAC-3 Flugkörper

Multifunction Fire Control Radar (MFCR)

Das Mehrzweckfeuerleitradar arbeitet im I,J-Band (früheres X-Band) und ähnelt dem AN/MPQ-53 des PATRIOT-Systems. Das Phased Array Radar kann als Such- und Feuerleitradar verwendet werden und steuert die PAC-3 MSE Lenkwaffen bis an das Ziel heran, von wo aus ihre eigenen Suchköpfe das Ziel aufschalten können.

Tactical Operations Center (TOC)

Die Operationszentrale ist das Herzstück des MEADS, die Abkürzung BMC4I (Battle Management, Command, Control, Communications and Computers, Intelligence) wird ebenfalls dafür verwendet. Hier werden die Informationen eigener oder verbündeter Sensoren (zum Beispiel AWACS) ausgewertet und der Feuerkampf geführt.

Lenkwaffenstarter

BGT IRIS-T SL Raketenstartbehälter (VLS)

Die Lenkwaffen sind auf einem LKW als mobile Raketenstartrampe (TEL) montiert. Jeder dieser LKWs besitzt einen Starter mit acht PAC-3-MSE-Lenkwaffen. Der Startbefehl wird von der TOC zum Starter gesendet, woraufhin die Lenkwaffe senkrecht abgefeuert wird und auf Mach 5 beschleunigt. Nach dem Start wird sie vom MFCR zum Ziel gelenkt, bis sie mit ihrem eigenen Ka-Band-Sucher das Ziel aufschalten kann. Das Ka-Band (26,5 – 40 GHz) bietet neben einer zwar geringen Reichweite eine gute Auflösung, was das sichere Treffen von Zielen mit kleinem Radarquerschnitt ermöglicht. Die PAC-3-MSE-Lenkwaffen haben ungefähr 30 km Reichweite. Das bisher verwendete Trägerfahrzeug erfüllt die Anforderungen nach einer gepanzerten Fahrkabine nicht, weswegen das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung nach Alternativen sucht.

Die Bundesrepublik Deutschland plant als Zweitflugkörper die IRIS-T SL als kostengünstigeren Lenkflugkörper ins MEADS System zu integrieren. Damit können vor allem langsam fliegende Flugzeuge und Hubschrauber bekämpft werden. Die Reichweite der Lenkwaffe wird ungefähr 30 km betragen, im Endanflug wird ein abbildender Infrarotsucher das Ziel aufschalten und die Waffe ins Ziel führen. Die Waffe wird von Diehl BGT Defence hergestellt. Mit der Integration des IRIS-T Flugkörpers ins MEADS Luftverteidigungssystem kann auch ebenfalls die Plug & Fight Fähigkeit dieses Systems und damit die Zukunftssicherheit nachgewiesen werden.

Nachschubfahrzeug

Die Nachschubfahrzeuge versorgen die Starter mit neuer Munition.

Einsatzmöglichkeit

Die kleinste einsetzbare MEADS-Einheit wird Minimum Engagement Capability (MEC) genannt und besteht aus:

Eine volle Feuereinheit besteht aus:

  • 1 × Tactical Operations Center
  • 1 × Surveillance Radar
  • 2 × Multifunction Fire Control Radar
  • 6 × Lenkwaffenstarter
  • 3 × Nachschubfahrzeuge

Da das MEADS Plug and Fight-fähig ist kann sowohl die MEC als auch die volle Feuereinheit beliebig erweitert werden; mit Lenkwaffenstartern, Radaren, Drohnen etc.

Kritik

BGT IRIS-T SL

Es wird bemängelt, dass die MEADS-Entwicklung nur von einer Teilstreitkraft, der Luftwaffe, begleitet werde und Beschaffungen der Marine unberücksichtigt geblieben seien. So hat sich Frankreich für das Paams entschieden, welches auch von der Marine verwendet wird.

Ebenso rügte der Bundesrechnungshof die Adaption der IRIS-T SL für das MEADS-System, da dies bei fragwürdigem Nutzen nur weitere Kosten verursache[2] [3]. Die Reichweite der IRIS-T SL liegt nämlich mit nur 30 km unter der Reichweite der PAC-3 MSE bei weniger Leistungsfähigkeit; auch seien geringere Kosten durch diesen nationalen Sonderweg nicht zu erwarten.

Aufgrund der Komplexität der Entwicklung und der Uneinigkeit der Partnernationen traten 2008 Verzögerungen im Programmablauf des Entwicklungsprojekts auf. Es wurde durch die Partner festgestellt, dass die Programmziele erreicht werden können, allerdings nicht im vorgegebenen Zeit- und Kostenrahmen. Daher soll eine Anpassung des Entwicklungsvertrages erfolgen. Derzeit geht die Industrie von einer Verzögerung von 18 Monaten aus.

Der sog. Critical Design Review wurde im August 2010 erfolgreich beendet. Hierbei wurde die erforderliche technische Entwicklungsreife durch die Partner formal bestätigt sowie das Design festgelegt, um die Erstellung der ersten Prototypen sicherzustellen.

Im Mai 2010 schlug der FDP-Generalsekretär Christian Lindner vor, einige Beschaffungsprojekte der Bundeswehr auf den Prüfstand zu stellen. Bei einem Verzicht auf "Meads" und geringere Stückzahlen bei U-Booten, Eurofightern und Hubschraubern könnte ein zweistelliger Milliardenbetrag eingespart werden, sagte Lindner im Deutschlandfunk.[4]

Am 12. Februar 2011 haben die USA bekanntgegeben, dass sie für die Entwicklung von MEADS keine zusätzlichen Haushaltsmittel bereitstellen werden, die trinationale Entwicklung soll im ursprünglich vereinbarten Kosten- und Zeitrahmen im Jahr 2014 als "Proof of Concept" beendet werden.[5]

Am 16. Februar 2011 wurde bekannt, dass MEADS in absehbarer Zeit von der deutschen Bundeswehr nicht beschafft wird. Bekannt wurde die Entscheidung der Bundesregierung durch ein Schreiben des Verteidigungsstaatssekretärs Walther Otremba. Das Schreiben richtete sich an die Ausschüsse für Verteidigung und Haushalt des deutschen Bundestages.[6]

Weblinks

 Commons: Medium Extended Air Defense System – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. Strategie und Technik Ausgabe Januar 2011 Seite 7
  2. Bernd W. Kubbig (2005): Raketenabwehrsystem MEADS: Entscheidung getroffen, viele Fragen offen (DE) (PDF) S. 11. Hessische Stiftung Friedens- und Kulturforschung. Abgerufen am 15. April 2010. „Viertes Defizit: Der Zweitflugkörper IRIS-T SL bleibt ein finanzielles und technisches Problem (2.4). Der Bundestag hatte die deutsche Teilnahme an der im Jahr 2001 begonnenen MEADS-Definitionsphase (Risk Reduction Effort) mit der Auflage verbunden, zu untersuchen, ob ein kostengünstigerer Zweitflugkörper in Ergänzung zum PAC-3-Flugkörper in MEADS integriert werden könne. [...]“
  3. Derselbe Einzelnachweis als Google-Docs-HTML-Schnellansicht
  4. dradio.de vom 30. Mai 2010
  5. 12. Februar 2011
  6. Tagesschau vom 16. Februar 2011

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