Aramäische Sprache

Aramäische Sprache
Aramäischer Text über der Pforte des Klosters Mor Gabriel im Tur Abdin.

Die aramäische Sprache (ܐܪܡܝܐ/ Aramäisch) gehört zusammen mit dem Hebräischen zum nordwestsemitischen Zweig der semitischen Sprachen, die ein Zweig der afro-asiatischen Sprachfamilie sind. Die wissenschaftliche Untersuchung dieser Sprache wird von der Aramaistik betrieben. Seit dem 6. Oktober 1997 besteht in der Türkei das offizielle Unterrichtsverbot für Aramäisch.[1] Der Sprachcode nach ISO 639-3 ist arc.

Inhaltsverzeichnis

Sprachgeschichte

Palmyrenische Inschrift

Die ältesten bisher bekannten Zeugnisse des Aramäischen stammen aus dem 10. Jahrhundert v. Chr. oder 9. Jahrhundert v. Chr. Bereits in assyrischer Zeit kam dem Aramäischen als internationaler Handels- und Diplomatiesprache große Bedeutung zu. Neuassyrische Reliefs zeigen nebeneinander Schreiber, die mit einem Griffel auf Tontafeln schreiben, sich also vermutlich der akkadischen Sprache bedienten, und Schreiber mit Schriftrollen, die aramäische Texte verfassen. Aramäische Inschriften des 7. Jahrhundert v. Chr. sind zum Beispiel aus Zincirli und Nerab in Nordsyrien/Südostanatolien bekannt.

Im mehrsprachigen Perserreich wurde Aramäisch unter den Achämeniden zu einer der offiziellen Reichssprachen („Reichsaramäisch“); es war von Kleinasien und Ägypten bis zum Indus verbreitet. Die immer größer werdende Bedeutung spiegelt sich auch im Alten Testament wider, wo einige Textpassagen in aramäischer Sprache verfasst sind. Da das Hebräische in der 2. Hälfte des 1. Jt. v. Chr. die Schriftzeichen des Aramäischen übernommen hat („Quadratschrift“), werden innerhalb des Judentums heute beide Sprachen in derselben Schrift mit 22 Konsonantenzeichen geschrieben. Andere Dialekte wie das Palmyrenische, Nabatäische, Syrische etc. entwickelten eigene Schriftformen.

In Palästina verdrängte das Aramäische das Hebräische zunehmend. Zur Zeit Jesu wurde dort überwiegend Aramäisch gesprochen, und aramäische Wendungen innerhalb des Griechischen Neuen Testaments, zum Beispiel Abba (eine Anrede Gottes im Gebet (Aramäisch: „Lieber Vater“/„Vati“), Pascha, Hosanna, zeigen, dass Aramäisch auch die Sprache Jesu war. Auch zahlreiche Texte, die in Qumran gefunden wurden, sind aramäisch verfasst. Da in der rabbinischen Literatur das Wort „aramäisch“ aber mit heidnisch gleichgesetzt war, bezeichnete man die Sprache lieber als „syrisch“. Um die Zeitenwende war Aramäisch neben der griechischen Koine die allgemein gebrauchte Verkehrssprache des Nahen Ostens.

Die palästinischen Targume (Bibelübersetzungen) und der palästinische bzw. Jerusalemer Talmud dokumentieren das Jüdisch-Palästinische, welches wie das Christlich-Palästinische und das Samaritanische zum Westaramäischen Sprachzweig gehört. Daneben gab es das Ostaramäische. Es wird vertreten durch die Sprache, in der der babylonische Talmud verfasst wurde. Nahe verwandt ist das Mandäische. Ein weiterer wichtiger Vertreter des Ostaramäischen ist das Syrische, das zum Beispiel in der Peschitta (aramäische Bibelübersetzung) und in Schriften der sog. Kirchenväter dokumentiert ist.

Aus Tayma in Arabien sind aramäische Inschriften bekannt, die um 500 v. Chr. datieren. Auch im Gebiet der Nabatäer wurden zahlreiche aramäische Inschriften gefunden, wie auch auf dem Sinai. Aus parthischer Zeit stammen zahlreiche Ostraka in aramäischer Sprache aus Nisa in Turkmenistan. Dabei handelt es sich vor allem um Wirtschaftstexte, Bestellungen der Palastküche.

Mit der Ausbreitung des Islams wurde das Aramäische zunehmend vom Arabischen zurückgedrängt; heute wird es in Form des Neu-Aramäischen in verschiedenen Dialekten nur noch in einigen Dörfern im Libanon, in der Türkei, in Syrien, im Irak und im Iran, meist von Christen, gesprochen. Die Anzahl der aramäisch-sprachigen Menschen in Syrien wird mit rund 5000 angegeben.

Sprachen, die aus dem Alt- und Mittel-Aramäischen hervorgegangen sind, werden heute von zahlreichen Menschen gesprochen, die vornehmlich in Australien, in den USA, in Kanada, in Brasilien, in Argentinien, in Mexiko, im Libanon, in Jordanien, in Syrien, im Irak und in Europa (zum Beispiel in Deutschland oder Österreich) leben. Auch sollen in Indien 3 Millionen Aramäer leben, davon sind 100.000 Menschen aus dem Tur Abdin gekommen. Der Rest von den 3 Millionen sind Inder, die sich der syrisch-orthodoxen Kirche angeschlossen haben und sogar die Sprache lernten; man zählt sie mittlerweile als Aramäer.

Übersicht [2]

  • Altaramäisch
    • Frühes Altaramäisch (bis um 700 v. Chr.; Sfire-Stelen u.a.)
    • Spätes Altaramäisch (um das 7. und 6. Jahrhundert v. Chr.; Hermopolis-Papyri)
  • Reichsaramäisch
    • Achämenidisches Reichsaramäisch (um 5. bis 3. Jahrhundert v. Chr.; Elephantine-Papyri u.a.)
    • Nachachämenidisches Reichsaramäisch (ab um 200 v. Chr.)
      • Biblisch-Aramäisch (größtenteils)
      • Nabatäisch
      • Palmyrenisch
      • Dialekte der galiläischen und babylonischen Targume
  • Älteres Aramäisch
    • Altostaramäisch
      • Altsyrisch
      • Ostmesopotamisch (u.a. Inschriften aus Hatra)
    • Altwestaramäisch
      • Dialekte zur Zeit Jesu (galiläisch, samarisch, judäisch etc.)
  • Mittelaramäisch
  • Neuaramäisch

Filme

In Mel Gibsons Kinofilm Die Passion Christi (2004) wird sehr viel Aramäisch gesprochen und im Untertitel jeweils übersetzt. Im Herbst 2007 erschien ein weiterer Kinofilm in aramäischer Sprache: Darbo D'hubo (engl.: The Way of Love) wurde von Nabil Anni nach einem Drehbuch des Berliner Regisseurs Aziz Said produziert und hatte am 29. September 2007 in Gütersloh „Weltpremiere“. Schon im Jahre 1997 in dem Film Dämon – Trau keiner Seele mit Denzel Washington wurde die aramäische Sprache in einigen Passagen gesprochen. Auch gibt es die Filme Holo Malke und Holo Malke bi Malkutho, in denen auch in aramäischer Sprache gesprochen wurde.

Quellenangaben

  1. Kath.net: Türkei: Zehn Jahre Lehrverbot für Aramäisch 6. Oktober 2007
  2. Vgl. u.a. Efrem Yildiz: The Aramaic Language and Its Classification. In: Journal of Assyrian Academic Studies 14 (2000), 23-44.

Literatur

Dialektübergreifend

  • Klaus Beyer: Einleitung, in: Klaus Beyer: Die aramäischen Texte vom Toten Meer. Göttingen 1984, S. 20–153. ISBN 3525535716 (Abriss der Sprachgeschichte von der Antike bis zur Moderne, geschrieben von einem der führenden Semitisten der Gegenwart)
  • Stuart Creason: Aramaic. In: Roger D. Woodard (Hg.): The Cambridge Encyclopedia of the World's Ancient Languages Cambridge University Press, Cambridge 2004, S. 391-426. ISBN 0-521-56256-2
  • Joseph A. Fitzmyer; Stephen A. Kaufman (Hg.): An Aramaic Bibliography. Vol. 1: Old, Official and Biblical Aramaic. Baltimore u.a. 1992.
  • Holger Gzella; Margaretha L. Folmer (Hg.): Aramaic in its Historical and Linguistic Setting. Wiesbaden 2008. ISBN 978-3-447-05787-5
  • Franz Rosenthal (Hg.): An Aramaic Handbook. 2 Bände zu 2 Teilen. Wiesbaden 1967.

Einzelne Perioden und Dialekte

  • Klaus Beyer: Die aramäischen Inschriften aus Assur, Hatra und dem übrigen Ostmesopotamien. Göttingen 1998. ISBN 3-525-53645-3
  • Rainer Degen: Altaramäische Grammatik der Inschriften des 10.-8. Jh. v. Chr. Wiesbaden 1969.
  • Holger Gzella: Tempus, Aspekt und Modalität im Reichsaramäischen. Wiesbaden 2004. ISBN 3-447-05094-2
  • Volker Hug: Altaramäische Grammatik der Texte des 7. und 6. Jh.s v. Chr. Heidelberg 1993. ISBN 3-927552-03-8
  • Rudolf Macuch: Grammatik des samaritanischen Aramäisch. Berlin u.a. 1982. ISBN 3-11-008376-0
  • Christa Müller-Kessler: Grammatik des Christlich-Palästinisch-Aramäischen. G. Olms, Hildesheim 1991. ISBN 3-487-09479-7
  • Heinz-Dieter Neef: Arbeitsbuch Biblisch-Aramäisch. Materialien, Beispiele und Übungen zum Biblisch-Aramäisch. Tübingen 2006. ISBN 3-16-148874-1
  • Stanislav Segert: Altaramäische Grammatik. Leipzig 1990 (4. Aufl.). ISBN 3-324-00123-4
  • Werner Arnold: Das Neuwestaramäische. 5 Bde. Wiesbaden 1989f. ISBN 3447029498

Weblinks

Wikipedia Wikipedia auf Aramäisch


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