Me'a Sche'arim

Me'a Sche'arim
Tradition und Moderne (Aufnahme aus dem Jahr 2006)

Me'a Sche'arim auch Mea Shearim (hebräisch מאה שערים, deutsch „hundertfach“, oft als hundert Tore übersetzt) ist eines der ältesten Stadtviertel Jerusalems außerhalb der Altstadt. Es wird hauptsächlich von ultraorthodoxen Juden bewohnt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Mit dem Bau der vom deutschen Architekten Conrad Schick entworfenen Wohnanlage Me'a Sche'arim wurde 1874 begonnen. Religiöse Juden Jerusalems wollten den engen Verhältnissen in der Stadt entkommen und ließen vor den Toren der Stadt eine als autarke Kooperative angelegte eigene Siedlung errichten. Namensgebend war ein Wort aus dem Wochenabschnitt der Tora, der zum Zeitpunkt der Gründung der Mea Schearim-Gesellschaft gelesen wurde: „Und Isaak säte in seinem Lande und erntete in jenem Jahre hundertfach, denn der Herr segnete ihn.“ (Gen 26,12)[1] 1880 waren die ersten hundert kleinen Wohnungen bezugsbereit, die sich um einen offenen bepflanzten Hof, der später durch Kuhställe ersetzt wurde, gruppierten. Bis zur Jahrhundertwende entstand eine komplexe eigene Kleinstadt mit rund 300 Wohneinheiten innerhalb Jerusalems.[2] Neben orthodoxen Juden aus anderen Teilen Palästinas siedelten sich vor allem strenggläubige Juden aus Polen und Ungarn in Me'a Sche'arim und seiner unmittelbaren Umgebung an.

Gegenwart

Schild in Me'a Sche'arim

Me'a Sche'arim ist heute ein relativ isoliertes Viertel im Westteil Jerusalems, wo die Alltagssprache vornehmlich Jiddisch ist. Seine in verschiedene ultraorthodoxe Gemeinschaften, chassidische und misnagdische, aufgespaltenen Bewohner halten sich an eine möglichst wörtliche Auslegung der Tora und der Religionsgesetze. Weitgehende Einigkeit herrscht in Bezug auf die strikte Einhaltung der Schabbat-Ruhe, der Riten der jüdischen Feiertage, der Geschlechtertrennung und der Ablehnung des säkularen Staates Israel. Zu den wichtigsten Organisationen in Mea Schearim gehört Neturei Karta, eine streng antizionistische ultraorthodoxe Organisation.

Mea Schearim ist, zum Leidwesen der Bewohner dieses Stadtviertels, auch eine Touristenattraktion geworden und findet zunehmend in Reiseführern Erwähnung. Mit mehrsprachigen Hinweisschildern wird an den Eingängen zum Viertel auf die herrschenden Verhaltens- und Kleidungsvorschriften, in erster Linie für Frauen, hingewiesen, die auch von Besuchern zu beachten sind. Am Schabbat dürfen Autos im Viertel nicht verkehren, sämtliche von Menschen bediente elektrische Anlagen sind ausgeschaltet und das Benutzen von Fotoapparaten, Mobiltelefonen etc. auf der Straße ist untersagt.

Hintergrund ist dafür die von den Bewohnern dieses Viertels strikt praktizierte Bestimmung, dass am Schabbat kein Feuer gemacht werden dürfe. In der Auslegung dieses alttestamentarischen Gesetzes wird der elektrische Funke dem Anzünden von Feuer gleichgesetzt, womit diese in orthodoxer Auslegung auf das "Schalten" elektrischer Anlagen jeder Art (bis hin zum Einschalten der Zimmerbeleuchtung oder dem Funken der Zündkerze eines Autos) ausgedehnt wurde und hier auch (anders als in anderen Teilen Israels) auch strikt (und zum Teil auch rigide, z.B. durch Steinwürfe) durchgesetzt wird.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Vgl. genauere Erklärungen in: Scheel, Wolfgang: Lexikon biblischer Ortsbenennungen im modernen Israel, 3. Aufl., Hammerbrücke 2003, ISBN 3-933750-32-6, S. 102
  2. Lili Eylon: Jerusalem: Architecture in the late Ottoman Period JewishVirtualLibrary (englisch). Abgerufen: 6. September 2010

Weblinks


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