Mathias Rust

Mathias Rust

Mathias Rust (* 1. Juni 1968 in Wedel) ist ein deutscher Privatpilot, der im Alter von 18 Jahren am 28. Mai 1987 auf einer Brücke unweit des Roten Platzes in Moskau mit einem Flugzeug vom Typ Cessna 172 P[1] landete.

Inhaltsverzeichnis

Flugverlauf und Landung

Ungefähre Flugroute

Rust mietete die Cessna 172 P eines Hamburger Luftsportvereins[2] für einen „Rundflug über die Nordsee“[3] und startete in Hamburg-Fuhlsbüttel. Bei einer Zwischenlandung auf dem Flugplatz Uetersen bei Hamburg baute er die Rücksitzbank der viersitzigen Maschine aus und flog am 13. Mai 1987 auf die Färöer. Rust flog in den folgenden Tagen über Keflavík (Island) und Bergen (Norwegen) nach Finnland, wo er auf dem Flughafen Malmi in Helsinki am 25. Mai 1987 landete.[4] Von dort aus flog er am 28. Mai über die finnisch-sowjetische Grenze Richtung Leningrad und folgte von dort der Eisenbahnlinie nach Moskau.[3] Er wurde dabei frühzeitig von der sowjetischen Luftverteidigung (PWO) erfasst. Eine unmittelbare Abwehrreaktion blieb aus. Im Fernsehen ausgestrahlte Beiträge zeigten parallel mitfliegende MiG-23-Kampfflugzeuge. Entscheidungen wurden nicht getroffen, und Rust erreichte schließlich nach etwa fünfeinhalbstündigem Flug Moskau, wo er gegen 18:15 Uhr mehrere Runden über dem Roten Platz und dem Kreml drehte. Da auf dem Platz zu viele Menschen waren, musste er gegen 18:40 Uhr auf der nahen Großen Moskwa-Brücke (Большой Москворецкий мост - Bolschoi Moskworezkij most) (55° 44′ 52″ N, 37° 37′ 29″ O55.74789078388937.624623141667) landen. Auf dem Parkplatz für Reisebusse am Wassilij-Abhang (Wassilewski spusk) neben der Basilius-Kathedrale direkt am Roten Platz brachte er das Flugzeug zum Stehen.[3]

Nach seinem Flug sagte Rust, dass er ihn für den „Weltfrieden“ und die „Verständigung zwischen unseren Völkern“ unternommen habe.[5]

Sein Flug, der ironischerweise am sozialistischen Feiertag, dem "Tag der Grenzsicherheitstruppen" stattfand, löste internationale Aufmerksamkeit aus und führte zu innenpolitischen Konsequenzen in der Sowjetunion. Verteidigungsminister Sergei Leonidowitsch Sokolow, der Chef der sowjetischen Luftverteidigung, Alexander Koldunow, sowie weitere Offiziere, die den 700-km-Flug über sowjetisches Territorium zugelassen hatten, wurden von Michail Gorbatschow verantwortlich gemacht und „auf eigenen Wunsch in den wohlverdienten, frühzeitigen Ruhestand“ entlassen.

In Medien und zeitgeschichtlichen Büchern war und ist von der „Landung auf dem Roten Platz“ die Rede, obwohl das Flugzeug den Platz überflogen hat und letztlich rund 100 Meter südlich des Platzes zum Stehen kam.

Festnahme und Gefängnisaufenthalt

Nach der Landung wurde Rust von Mitarbeitern des sowjetischen Geheimdienstes KGB festgenommen. Am 2. September 1987 begann sein Prozess vor dem Obersten Gerichtshof. Er wurde am 4. September zu vier Jahren Arbeitslager wegen illegaler Einreise, Verletzung der internationalen Luftverkehrsregeln und schweren Rowdytums[6] verurteilt. Durch die Landung auf der Brücke hätten, so der Richter, Menschen verletzt werden können. Nach der Verbüßung einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten im Lefortowo-Gefängnis in Moskau wurde er am 3. August 1988 infolge einer Begnadigung durch den Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR, Andrei Gromyko, vorzeitig aus der Haft entlassen, musste auf Anordnung unverzüglich die Sowjetunion verlassen und nach Deutschland zurückkehren.

Erneute Schlagzeilen

1989 geriet Rust erneut in die Schlagzeilen. Während seines Zivildienstes attackierte er im DRK-Krankenhaus Rissen eine Schwesternschülerin mit einem Messer, weil sie ihn nicht küssen wollte.[7][8] 1991 wurde Rust dafür zu einer 30-monatigen Freiheitsstrafe wegen Totschlagversuchs in einem minderschweren Fall verurteilt, nach 15 Monaten wurde er im Oktober 1993 vorzeitig entlassen. 1994 arbeitete er für 400 DM als Kellner in Moskau.[9] Im Jahr 2001 kam er wegen Diebstahls eines Kaschmirpullovers in einem Hamburger Kaufhaus erneut vor Gericht und wurde zur Zahlung von 600 DM verurteilt. 2003 verfolgte Rust das Internetprojekt „Orion and Isis“, in dem er sich als „Quelle des Friedens“ anpries.[7] Wegen fortgesetzten Betruges wurde im November 2005 gegen Rust eine Geldstrafe von 1500 € verhängt. Ferner wurde er durch gerichtlichen Beschluss zur Herausgabe nicht bezahlter Möbelstücke gezwungen.[10]

Rust lebte um 2007 in Berlin[2] und bestritt seinen Lebensunterhalt nach eigenen Angaben durch professionelles Pokerspielen.[11][12] 2009 gab er im Gespräch mit der Rheinischen Post an, dass er finanziell ausgesorgt habe und keiner geregelten Tätigkeit mehr nachgehen müsse. Rust arbeitet als Veranstalter von Boots- und Autorennen in Estland und ist weiterhin als professioneller Pokerspieler aktiv. Außerdem schreibe er seine Memoiren.[13]

Nachwirkungen

Die Cessna 172 P (Kennzeichen D-ECJB), genauer eine F 172 P Skyhawk II, da ein Lizenzbau aus Reims, wurde nach Rusts Flug von einer Münchner Kosmetikfirma zum doppelten Schätzwert gekauft und später an einen japanischen Club verkauft und in einem Freizeitpark in Utsunomiya bei Tokio unter freiem Himmel ausgestellt.[2]

Im Oktober 2008 wurde die Cessna nach Berlin zurückgeholt und restauriert. Seit 28. Mai 2009 ist sie im Deutschen Technikmuseum Berlin als ständiges Exponat zu sehen. Die Cessna 172 wird später Teil einer langfristig geplanten Sonderausstellung mit dem Titel „Fliegen über den Eisernen Vorhang“.[14]

Künstlerische Aufbereitung

In der NDR-Comedy-Serie Stenkelfeld wurde der fiktive Mathias-Rust-Flughafen nach ihm benannt. Zeitweise gab es auch einen Mathias-Rust-Fan-Club im Internet. Im Film Der Mann, der Yngve liebte ist der Protagonist Sänger einer fiktiven Punkband namens Mathias Rust Band.

Am 21. Oktober 2010 wurde im Hamburger Deutschen Schauspielhaus ein vom Hamburger Kollektiv Studio Braun kreiertes Stück mit dem Titel Rust – Ein deutscher Messias uraufgeführt.[15][16][17][18]

Einzelnachweise

  1. Spiegel Online: Kreml-Flieger Rust, 6. Juni 2009
  2. a b c wz-newsline.de „Moskau-Flug: Der Kremlflieger pokert hoch“ 29. Mai 2007
  3. a b c sueddeutsche.de „Die Wahrheit liegt neben dem Platz“ 28. Mai 2007
  4. dr.dk „Rust in Red Square - 20 years later“ 28. Mai 2007
  5. Deutschlandfunk Kalenderblatt 28. Mai 2007
  6. Wedel-Schulauer Tageblatt: „Ein Husarenritt begeistert die Welt“, 24. Mai 2007
  7. a b Die Welt: „Und was macht eigentlich Mathias Rust?“, 7. Januar 2003
  8. die tageszeitung, Detlef Kuhlbrodt: Flieger, grüß mir den Kreml, 28. Mai 2009
  9. http://www.ndr.de/land_leute/norddeutsche_geschichte/mathiasrust2.html
  10. Kreml-Flieger Rust wieder vor Gericht
  11. Bild:„Kreml-Flieger Rust lebt jetzt vom Pokern“, 14. Mai 2007
  12. http://www.wz-newsline.de/?redid=160470
  13. http://www.rp-online.de/public/kompakt/gesellschaft/717251/Kreml-Flieger-Rust-hat-ausgesorgt.html
  14. Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin: Himmelfahrt zum Roten Platz, 5. Mai 2009
  15. Die Schauspielhäuser der Region suchen in der kommenden Spielzeit den Anschluss an die Zukunft - Langsames Medium in schneller Zeit
  16. Freie Presse: Leben von Kreml-Flieger Mathias Rust kommt auf die Theaterbühne - In Hamburg laufen derzeit Vorarbeiten zu "Rust - Ein deutscher Messias"
  17. Spiegel Online vom 21. Oktober 2010: Hamburger Humortrio Studio Braun: "Wenn einer gehen soll, dann der Kultursenator!"
  18. Hamburger Abendblatt vom 21. Oktober 2010: Leben von Kreml-Flieger Rust feierte Premiere

Weblinks


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