Masuren

Masuren
rosa: Masuren
(polnische Karte)

Masuren (polnisch: Mazury) ist eine Region des ehemaligen Ostpreußen in der im Norden Polens gelegenen Woiwodschaft Ermland-Masuren. Geografisch ist die Region nicht eindeutig festgelegt. Grob beschrieben liegt es im Sechseck Ełk (Lyck), Pisz (Johannisburg/ Johannisburger Heide), Mrągowo (Sensburg), Kętrzyn (Rastenburg), Węgorzewo (Angerburg), Olecko (Treuburg) mit Giżycko (Lötzen) und Mikołajki (Nikolaiken) an der masurischen Seenplatte. Der Eigenname der Masovier bedeutet „Mensch“ oder „Einwohner“ und entspricht dem polnischen „mąż“: Mann. Der polnische Name ist im Gegensatz zum deutschen ein grammatischer Plural. Seit der Teilung Ostpreußens 1945 ist Masuren die größte Seenlandschaft Polens.

Inhaltsverzeichnis

Bevölkerung

Das Gebiet wurde ursprünglich von den prußischen Pogesaniern, Barten, Galindern und Sudauern bewohnt und im 13. Jahrhundert vom Deutschen Orden erobert. Dadurch gehörte es zum Deutschordensland bzw. ab 1525 Herzogtum Preußen, das vom Zweiten Frieden von Thorn 1466 bis zum Vertrag von Oliva 1660 unter polnischer Ober- bzw. Lehnshoheit stand. Die Bevölkerung setzte sich aus christianisierten und germanisierten Prußen, deutschen Kolonisten und evangelischen Siedlern aus dem benachbarten polnischen Masowien zusammen. Neben Deutsch als Verkehrssprache wurde zeitweise überwiegend Masurisch gesprochen, eine mit deutschen Lehnworten durchsetzte, dem Polnischen ähnliche slawische Sprache, die ab dem 19. Jahrhundert immer mehr zugunsten der deutschen Sprache aufgegeben wurde.

Eine sprachliche Feinheit, die heute in Deutschland bei vielen Berichten und Reisebeschreibungen nicht mehr beachtet wird: Richtigerweise spricht man „von Masuren“ und nicht, wie es oft geschieht, von den Masuren, also kommt man „aus Masuren“ und man fährt „nach Masuren“ und nicht in die Masuren.

Geschichte

Die Herkunft des Namens des benachbarten Landes Masowien geht auf Masos (auch Maslao geschrieben), einem Mundschenk der ersten Polanen zurück. Es wurde 1834 auch der Ursprung im Reitervolk der Massageten angenommen [1], aber auch der pannonischdalmatinische Volksstamm der Mazei wird wegen der Ähnlichkeit vieler Toponyme nicht ausgeschlossen. Danach ginge die Namenbedeutung auf „maz“: groß (Bergname Massarus) zurück. [2] Die Ursprache der Masowier könnte ein protopolnischer Dialekt gewesen sein. Bei der Ankunft und Staatenbildung der Polanen um das Jahr 1000 AD unternahmen diese wiederholte Eroberungsangriffe auf die nördlich angrenzenden preußischen Stämme. Der aus Masowien während der Reformationszeit im südlichen Ostpreußen eingewanderten evangelischen Personen gesprochene masurische Dialekt geht auf polnische Wurzeln zurück, ist jedoch je nach Region stark mit anderen Sprachen vermengt: Im nordöstlichen Teil gab es ein Gemisch aus Litauisch und Polnisch, im westlichen Teil dagegen eine starke Vermischung mit Deutsch. Im Innern Masurens kamen sehr unterschiedliche Mundarten vor; am wenigsten geschätzt wurden im übrigen Ostpreußen diejenigen der Gegenden um Angerburg und Lötzen. Das reinste Polnisch traf man in der Gegend um Soldau an. Zwischen der gewöhnlichen Umgangssprache und dem kirchlichen Polnisch gab es erhebliche Unterschiede. [3]

1226 bat der polnische Seniorherzog Konrad von Masowien den Deutschen Orden um Hilfe gegen die heidnischen Prußen, die in Sassen, um Löbau (Lubava), Barta, Galinden und Sudauen im Altpreussenland wohnten (wo um die Reformationszeit auch Masuren siedelten). Der Orden wurde erst tätig, nachdem ihm 1226 der römisch-deutsche Kaiser Friedrich II. und 1230 Konrad von Masowien die unumschränkte Hoheit über alle zu erobernden Gebiete garantiert hatte. Im 13. Jahrhundert unterwarf der Deutsche Orden die baltisch-prussischen Stämme der Sudauer und Galinder und siedelte Sudauer nach dem Samland und dem Memelland um. In das Gebiet des jetzigen Masuren wanderten Siedler aus Westfalen und Niedersachsen ein, die der Deutsche Orden angeworben hatte. Nach mehreren Kriegen zwischen dem Orden auf der einen, dem Königreich Polen und dem Preußischen Bund (deutsche Städte im Ordensland) auf der anderen Seite musste der Orden im Zweiten Thorner Frieden 1466 den Westteil seines Herrschaftsgebietes an die polnische Krone abtreten und sich mit dem Rest, zu dem auch (das allerdings erst seit dem 18. Jahrhundert so genannte) Masuren gehörte, polnischer Lehenshoheit unterstellen. 1525 wurde dieser Ordensstaat unter Albrecht von Brandenburg-Ansbach auf Anraten Luthers protestantisch. Er wurde, damit er Hilfe gegen die katholischen Kaiser hatte, wiederum unter polnischer Lehenshoheit, zum weltlichen Herzogtum Herzogtum Preußen. In der späten Ordenszeit und der frühen herzoglichen Zeit wurden die bisher dünn besiedelten Teile Preußens mit Litauern (Preußisch-Litauen) und Masowiern (Masuren) besiedelt. Nach der Reformation rissen deren Verbindungen nach Polen weitgehend ab. Das Herzogtum Preußen wurde 1648 in Personalunion mit dem Kurfürstentum Brandenburg verbunden und 1660 durch den Vertrag von Oliva aus der polnischen Lehenshoheit gelöst. Da Preußen nun weder dem König von Polen noch dem Heiligen Römischen Reich unterstand, konnte der regierende Kurfürst für Preußen die Königswürde erwerben und sich 1701 in Königsberg als Friedrich I. zum König in Preußen krönen.

Seit dem 18. Jahrhundert benannte man die Landschaft und die Gesamtheit ihrer zahlreichen Seen nach den evangelischen „Masuren“, die im 15. bis 18. Jahrhundert aus Masowien (dem südöstlich anschließenden Teil Polens) eingewandert waren.

„Masuren war mit Abstand das rückständigste Gebiet Ostpreußens. Wie die litauische Bevölkerung im Nordosten der Provinz waren die Masuren ein ethnisches Überbleibsel aus vornationaler Zeit. Polnische Sprache, preußischer Königspatriotismus und evangelische Konfession bildeten in Masuren eine Symbiose, die charakteristisch war für den multiethnischen vornationalen Status Preußens. Bis zur Reichsgründung von 1871 wurde diese Sonderheit respektiert und vor allem von den masurischen Pfarrern gepflegt, z. B. von Friedrich Czygan, Christoph Coelestin Mrongovius und Gustav Gisevius. Nachträglich erhob die polnische Masurenpropaganda und -forschung beide zu ‚Aktivisten im Kampf für das Polentum Masurens‘. Ihnen zu Ehren wurde nach 1945 Sensburg in Mrągowo und Lötzen in Gizycko umbenannt.“ (Kossert 2001).

Moderne Verwaltung und allgemeine Schulpflicht bewirkten seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine zunehmende Eindeutschung der Masuren: Um 1875 gebrauchten noch etwa 66 % der damals etwa 400.000 Bewohner Masurisch bzw. Polnisch. 34 % der Bewohner waren deutschsprachig. Im Rahmen der Volkszählung von 1910 gaben etwa 29 % der Bewohner Masurisch, 13 % Polnisch und 58 % Deutsch als Muttersprache an. Während des Ersten Weltkrieges drangen russische Truppen weit in Ostpreußen ein. In Masuren fanden am 26.–31. August 1914 die Schlacht bei Tannenberg, am 6.–14. September 1914 die Schlacht an den Masurischen Seen, sowie 7.–27. Februar 1915 die Winterschlacht in Masuren statt.

„Das masurische Selbstbewusstsein zeigte sich jedoch nicht nur im polnischen Mehrheitsmilieu, sondern erfasste auch die lokale Elite, die durch Schule und Studium deutsch geprägt war und auf Deutsch miteinander verkehrte. Sichtbarer Ausdruck ihres Heimatstolzes war die studentische Verbindung Masovia, die in den vierziger Jahren an der Albertina entstand. Mit deren Farben blau-weiß-rot erfolgte später die regionale Identifizierung vieler Masuren mit ihrer Heimat. Ein Mitglied der Königsberger Masovia, der Gymnasiallehrer Friedrich August Dewischeit (1805–1884), komponierte 1855 das Masurenlied Wild flutet der See, das sich zur inoffiziellen Hymne Masurens entwickeln sollte. Der Reichssender Königsberg verwendete die Melodie ab 1930 als Pausenzeichen.“ (Kossert 2001)

Abstimmungsergebnisse 1920

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges (inoffiziell schon vorher) erhob Polen Anspruch auf Masuren. Aufgrund des Versailler Vertrages wurde am 11. Juli 1920 im westpreußischem Abstimmungsgebiet Marienwerder und im südlichen Ostpreußen unter der Aufsicht einer Interalliierten Kommission eine Volksabstimmung abgehalten. Wenige Tage vorher hatte sich im Polnisch-Sowjetischen Krieg nach polnischen Anfangserfolgen das Blatt zugunsten der Roten Armee gewendet. Im eigentlichen Masuren entschieden sich 99,32 %[4] für den Verbleib bei Ostpreußen und damit bei Deutschland. Im gesamten Abstimmungsgebiet Allenstein (einschließlich Ermland) stimmten bei 87,31 % Wahlbeteiligung 97,86% für Ostpreussen (363.159 Stimmen), nur 7.924 Stimmberechtigte (2,14 %) votierten für Polen. Im Rahmen der Volkszählung von 1925 gaben 82 % der Bewohner Masurens Deutsch, 11 % Polnisch und 7 % Masurisch als Muttersprache an.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Ostpreußen 1945 unter polnische und russische Verwaltung gestellt (der nördliche Teil fiel an Russland, der südliche an Polen). Am 14. Februar 1946 führte die Volksrepublik Polen in ihrem Teil eine Volkszählung durch. 114.000 Bewohner wurden als sog. Autochthone erfasst und erhielten – mit der Auflage des Nichtgebrauchs der Deutschen Sprache und der Ablegung deutschsprachiger Vor- bzw. Familiennamen – ein Bleiberecht. Die übrigen Bewohner Masurens wurden als Deutsche eingestuft und bis auf wenige Ausnahmen aus Masuren vertrieben. Die Ortsnamen wurden ebenfalls in polnische Namen umgewandelt, wobei weitgehend wieder auf die alten prußischen zurückgegriffen wurde. Die ehemaligen deutschen Namen sind in der Liste der Namen ehemals ostpreußischer Orte in Polen aufgeführt. In den Folgejahrzehnten, insbesondere in den 70er und 80er Jahren, übersiedelten viele der masurischen Autochthonen als Spätaussiedler in die Bundesrepublik. Heute bildet Masuren zusammen mit dem Ermland die Woiwodschaft Ermland-Masuren (polnisch Warmińsko-Mazurskie).

Religion

Die Bewohner Masurens waren seit der Reformation bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs mehrheitlich Lutheraner (anders als im benachbarten Ermland). Aufgrund der Flucht und Vertreibung der Deutschen und durch Ansiedlung von mehrheitlich katholischen Polen stellen die Protestanten heute nur eine kleine Minderheit. Viele Kirchengebäude sind daher von der katholischen Kirche übernommen worden.

Persönlichkeiten masurischer Herkunft

Sehenswürdigkeiten

Zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten in Masuren gehören:

Verweise

Siehe auch

Literatur

  • Renate Wittenberg: Einkehr in Masuren. Ein Stück Zeitgeschichte, Haag+Herchen, 2006, ISBN 3-89846-382-6
  • Melanie Haselhorst, Kenneth Dittmann: Bootsurlaub in Masuren, Edition Maritim, 2009, ISBN 978-3-89225-617-5
  • Paul Jeute: Polen in Preußen. Zur preußischen Polenpolitik im 19. Jahrhundert, 1. Auflage. München 2009, ISBN 978-3-640-92232-1
  • Wolfgang Koeppen Es war einmal in Masuren, 2. Auflage. Frankfurt am Main 1991
  • Andreas Kossert: Masuren. Ostpreußens vergessener Süden, 3. überarbeitete Auflage, Siedler-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-88680-696-0
  • Gert G. von Harling: Jagen in Masuren, Nimrod-Verlag, 2005, ISBN 3-7888-1061-0
  • Ehrhard u. Pollmann: Bildband Masuren – Ein Land wie aus einer anderen Zeit, 2. aktualisierte Auflage, Bruckmann-Verlag, München 2005, ISBN 3-7654-3908-8
  • Klaus Bednarz: Fernes nahes Land – Begegnungen in Ostpreußen, 10. Auflage, Wilhelm Heyne Verlag, 2005, ISBN 3-453-11772-7
  • Erwin Kruk: Kronika z Mazur. Warschau 1989
  • Winfried Lipscher, Kazimierz Brakoniecki (Hg.): Meiner Heimat Gesicht. (Aus dem Polnischen von Ursula Fox). Augsburg 2000 „Eine Anthologie ostpreußischer Literatur aus vier verschiedenen Sprachen - Deutsch, Litauisch, Polnisch und Russisch - liegt seit einigen Jahren vor und unterstreicht das multiethnische Erbe der Region.“ (Kossert, S. 403)
  • Bernd Martin. Masuren: Mythos und Geschichte. Herrenalber Forum Band 22. Verlag Evang. Presseverb. für Baden, 1998. ISBN 3-87210-122-6.
  • Jerzy Szynkowski: Reiseführer Masuren. Land der dunklen Wälder und kristall‘nen Seen... Verlag Kengraf, Kętrzyn (PL) 2001; ISBN 83-87349-76-3 (in deutscher Sprache)
  • Max Toeppen: Geschichte Masurens. Ein Beitrag zur preußischen Landes- und Kulturgeschichte. Danzig 1870 (Neudruck Aalen 1978), polnisch: Historia Mazur. Olsztyn 1995
  • Reinhold Weber. Masuren: Geschichte - Land und Leute. Verlag Gerhard Rautenberg, Leer, 1983. ISBN 3-7921-0285-4.
  • Burkhard Wittek: Masuren - Mein Ort. Nirgends. Bericht meiner Reise in eine Provinz vergessenen Erinnerns. 2. Aufl. 2011. ISBN 978-3940756374

Weblinks

 Commons: Masuren – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Fußnoten

  1. Roman Soltyk: Polen, geographisch & historisch geschildert, Stuttgart 1834, S.53
  2. Heinrich Kunstmann: Die Slaven, Ihr Name, ihre Wanderung nach Europa und die Anfänge der russischen Geschichte in historisch-onomastischer Sicht, Franz Steiner Verlag Stuttgart, 1996, S. 148
  3. August Ambrassat: Die Provinz Ostpreußen, ein Handbuch der Heimatkunde, 1912, Nachdruck Weidlich, Frankfurt a.M. 1978, S. 241 f
  4. Andreas Kossert: „Grenzlandpolitik“ und Ostforschung an der Peripherie des Reiches, S. 124

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