Massaker von Batak

Massaker von Batak
Nachträglich inszenierte Überreste vom Massaker in Batak

Das Massaker von Batak bezeichnet ein Massaker, das 1876 während des Aprilaufstandes an der Bevölkerung von Batak im heutigen Bulgarien begangen wurde.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte und Verlauf

Batak ist eine Stadt im Rhodopengebirge, welche in ein unteres und ein oberes Viertel geteilt ist. Ihre reichen Kaufleute kauften sich mehrmals, letztmalig 1657 von der Islamisierung frei, ein seltener Vorgang in der Region.[1] Batak blieb so eine Insel des Christentums. Hinzu kam, dass die Liturgie in den Kirchen von Batak über Jahrhunderte nicht wie vom Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel vorgeschrieben auf Griechisch, sondern auf Kirchenslawisch gepredigt wurde. Dieses war nach der Aufhebung der bulgarisch-orthodoxen Kirche, und die Einsetzung griechischer Priester und der griechischen Sprache in der Liturgie im Osmanischen Reich selten (s. bulgarisch-griechischer Kirchenkampf) und erst nach der Errichtung des Bulgarischen Exarchat möglich.[2]

Am 21. Februar 1876 gründete Panajot Wolow, unter dem Vorsitz von Peter Goranow in Batak ein Revolutionskomitee der IRO, das in den folgenden Monaten 1100 Aufständische aus der Region organisierte und bewaffnete. Nach dem Ausbruch des Aprilaufstandes wurde am 22. Apriljul./ 4. Mai 1876greg. eine unabhängige Republik. Batak war für die folgenden zehn Tage frei und stand unter der Leitung des Revolutionskomitees.

Als die türkische Presse über die aufständische Republik berichtete, wurde die osmanische Regierung aufmerksam und beschloss einzugreifen. Am 30. Apriljul./ 12. Mai 1876greg. wurde Batak von einer türkischen Armee aus 8000 Soldaten und irregulären Truppen, den sog. (Başı Bozuk), nach einigen Meinungen auch Pomaken aus den umliegenden muslimischen Dörfern[3] unter der Führung von Ahmet Aga Barun Tan umzingelt. Die ersten Kämpfe fanden noch am selben Tag im unteren Viertel statt. Als die Kaufleute und Ältesten von Batak die Übermacht sahen, beschlossen sie mit Ahmet Aga Verhandlungen zu führen, wie das Leben der Einwohner geschont werden könnte, eine Praxis, die sich schon in den Jahrhunderten davor bewährt hatte. Ahmet Aga versprach ihnen unter Eid den Abzug seiner Truppen unter der Bedingung der Entwaffnung und Herausgabe aller Munition der Aufständischen.

Am 1. Maijul./ 13. Mai 1876greg. fand die erste Übergabe statt. Nachdem einige der Aufständischen ihre Waffen abgegeben hatten, griffen die Başı Bozuk die wehrlose Bevölkerung an. Der Großteil von ihnen wurde geköpft[4]. Der Kampf dauerte fünf Tage und Nächte und erstreckte sich auf den Ort Galagonkata, auf Bogdan Haus (das Haus der kaufmännische Familie Bogdanow), auf die Schule Kyrill und Method und auf die Kirche „Sweta Nedelja“. Am 2. Maijul./ 14. Mai 1876greg. fiel das Bogdan Haus. Die Kirche „Sweta Nedelja“ wurde zur letzten Festung des Aprilaufstandes und ist das einzige erhalten gebliebene Gebäude von damals. Laut Robert More starben während des Massakers zwischen 3000 und 4000, laut der Times 5000, laut Januarius MacGahan[5] ca. 7000[6], Personen.[7]

Reaktionen im Ausland

Nachträglich inszenierte Gebeine der Opfer des Massakers von Batak

In der westlichen Öffentlichkeit wurde das Vorgehen der osmanischen Truppen scharf kritisiert. „In den Gräueltaten gibt es in der Welt einen Punkt, den man nicht überschreiten kann. Die Türken haben ihn in Batak weit überschritten.", schrieb der amerikanische Journalist MacGahan als Sonderkorrespondent der englischen Zeitung „Daily News". Victor Hugo, Dostojewski, Aksakow, Garibaldi und weitere namhafte Persönlichkeiten protestierten. Russland hingegen wusste die Ereignisse von Batak für seine Kriegspropaganda zu nutzen.

Nach der Befreiung Bulgariens im Jahre 1878 kehrten die am Leben gebliebenen Einwohner von Batak, etwa 1200 Personen (vor dem Massaker wird die Anzahl der Einwohner um 9000 geschätzt), zurück und begannen ihre niedergebrannten Häuser wieder aufzubauen.

Bilderstreit 2007

Im Frühjahr 2007 plante das Osteuropainstitut der Freien Universität Berlin in Sofia und Batak eine Konferenz mit dem Titel Feindbild Islam - Geschichte und Gegenwart anti-islamischer Stereotypen in Bulgarien am Beispiel des Mythos vom Massaker in Batak sowie die Ausstellung Batak als bulgarischer Erinnerungsort. Ziel der Konferenz war es, vorgegangene Untersuchungen des Einsatzes von Medien zur Instrumentalisierung des Massakers, die zur Bildung eines nationalen Mythos führten, zu präsentieren.[8][9]

Nach Protesten von bulgarischer Seite (Präsident, Presse und Teile der Bulgarischen Akademie der Wissenschaften) wurden Konferenz und Ausstellung am 17. Mai 2007 abgesagt. In Bulgarien befürchteten einige Kreise, dass das Massaker durch die Osmanen in Frage gestellt würde und man betrachtete das Projekt als Provokation. Nichtsdestoweniger steht das aktuelle Bild vom „Massaker von Batak“ als „nationaler Mythos“ in der Kritik der Historiker. So wurde das Gemälde von Antoni Piotrowski von 1892 Das Massaker von Batak von der Kunsthistorikerin Martina Baleva als Propaganda entlarvt, die sich anschließend massiver Bedrohung ausgesetzt sah. Die Vorwürfe von der bulgarischen Seite bezogen sich vor allem darauf, dass Martina Baleva aufgrund der vorgenommenen kunsthistorischen Analyse die Augenzeugenberichte der wenigen Überlebenden in ihren Untersuchungen nicht berücksichtigt und sich dabei nur auf kunsthistorische Quellen, Medien (vor allem Bilder) gestützt hatte. In Bulgarien ist Batak untrennbar mit der Erinnerung an das 500-jährige „türkische Joch“ und der bulgarischen Identität verbunden. [10]

Heiligsprechung

Die Heiligen Märtyrer von Batak (Ikone)

Am 17. Mai 2006 gab die Bulgarisch-Altkalendarisch-Orthodoxe Kirche die Heiligsprechung der Märtyrer von Batak bekannt. Die erste Ikone (siehe Bild rechts) wurde im Kloster Knjagina Elisaweta in Etna Kalifornien gefertigt.[11]

Im März 2011 beschloss die Synode der Bulgarisch-Orthodoxen Kirche die Heiligsprechung der „Märtyrer von Batak“. Am 3. April des gleichen Jahres fand in der Patriarchenkathedrale Alexander-Newski-Kathedrale in Sofia die festliche Liturgie der Kanonisation statt.[12] Fast zwei Monate später gab die Heilige Synode der Russisch-Orthodoxen Kirche die Anerkennung und Aufnahme im Kalender der Heiligen Märtyrer von Batak bekannt.[13]

Quellenangaben

  1. Methodius Draginow: Die Belowo Chronik
  2. Vgl.: Hans-Dieter Döpmann: Kirche in Bulgarien von den Anfängen bis zur Gegenwart, München, Biblion Verlag, 2006, ISBN 3-932331-90-7; Hans-Joachim Härtel, Roland Schönfeld: Bulgarien, Regensburg, Friedrich Puste Verlag, 1998, ISBN 3-7917-1540-2
  3. Iwan Wazow; Im Schoße der Rhodopen. Wanderungen durch Bulgarien
  4. Sahari Stojanow (Hrsg.): „Chronik der bulgarische Aufstände von 1875/1876. Geschichte von Augenzeugen
  5. Korrespondent der „The London Daily News“, siehe en:Januarius MacGahan
  6. MacGahan über die Türkische Herrschaft in Bulgarien
  7. Robert Jasper More: Under the Balkans. Notes of a Visit to the District Philippopolis in 1876
  8. Klaus Köhler: Alles in Butter: wie Walter Kempowski, -Bernhard Schlink und Martin Walser den Zivilisationsbruch unter den Teppich kehren, Verlag Königshausen & Neumann, 2009, S. 7-10
  9. Batak als bulgarischer Erinnerungsort. Bulgarische Botschaft Berlin, Zugriff 13. Juli 2011
  10. Terror um ein Bild. In: Der Spiegel 47/2007, Hamburg, 19. November 2007, S. 74ff. ISSN 0038-7452
  11. Цъкровна прослава на Баташките мъченици на 17 май 2006 г. auf der Seite der Bulgarisch-Altkalendarisch-Orthodoxe Kirche, Zugriff 12. Juli 2011
  12. Heiligsprechung der Märtyrer von Batak (bulg.) auf dem Portal www.pravoslavie.bg, Zugriff 12. Juli 2011
  13. Die Heilige Synode der Russisch-Orthodoxen Kirche traf die Entscheidung die Heiligen Märtyrer von Batak zu würdigen (bulg.), auf der Seite des bulgarischen Patriarchs, Zugriff 12. Juli 2011

Siehe auch

Literatur

  • Robert Jasper More: Under the Balkans. Notes of a Visit to the District Philippopolis in 1876, 1876 Elibron Classics
  • William Miller: The Ottoman Empire and Its Successors, 1801-1927. University Press, Cambridge 1913, Cass, London 1966, Routledge, New York 1966, S.358ff.
  • Paul Greenway: Bulgaria. Lonely Planet, London 2002, S.141, ISBN 1-86450-148-0
  • Sahari Stojanow (Hrsg.): „Chronik der bulgarische Aufstände von 1875/1876. Geschichte von Augenzeugen“, Berlin, Rütten und Loening Verlag, 1978, (Nachdruck)

Weblinks


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