Martinet (Züchtigungsinstrument)

Martinet (Züchtigungsinstrument)
Ein einfacher Martinet

Der Martinet ist eine mehrriemige, kleine Peitsche, die in Frankreich traditionell vor allem zur körperlichen Züchtigung von Kindern und Jugendlichen und zur Erziehung von Haustieren benutzt wird. Die fast nur auf Frankreich beschränkte Verbreitung des Martinets ist dadurch begründet, dass Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts jeder einfache Soldat mit einem Martinet ausgerüstet wurde, um den Staub aus seiner Uniform zu klopfen. Daher rührt auch die deutsche Übersetzung „Klopfpeitsche“ her.

Der Martinet besteht aus einem Holzstiel (meistens Buche oder Kiefer), der einen dickeren Durchmesser im Griffbereich zur besseren Handhabung aufweist, und bis zu 20, meist aber 9–12 dünnen Lederriemen (meistens mit einer Länge von 25 bis 30 cm, in der Regel aus Produktionsabfällen der lederverarbeitenden Industrie), und war zunächst in Spielzeug-, Farben- und Haushaltswarengeschäften erhältlich.

In den französischen Familien gehörte der Martinet in der Vergangenheit zum festen Haushaltsinventar und war oft für alle sichtbar in der Küche an einem Haken in Sicht- und Greifweite aufgehängt. Eine andere Möglichkeit war, dass der Martinet im Eingangsbereich der Wohnung aufgehängt wurde, damit Besucher gleich erkennen konnten, dass in diesem Haushalt „Zucht und Ordnung“ herrsche. Oder er wurde oben auf dem Küchenschrank, aber immer noch sichtbar abgelegt, so dass die Bedrohung durch den Martinet noch vorhanden, der Martinet selbst aber außerhalb der Reichweite der Kinder war, damit sie die Lederriemen nicht kürzen oder deren Anzahl verringern konnten. Oft war der Martinet ein „Geschenk vom Weihnachtsmann“.

Der Name stammt von dem für seine strenge Disziplin berüchtigten ersten französischen Generalinspekteur der Armee (intendant de l´armée). Dieses Amt wurde unter dem Sonnenkönig Ludwig XIV. (1638–1715) geschaffen. Andere Quellen behaupten jedoch, dass der Begriff Martinet vom französischen Wort für Hammer (marteau) abgeleitet sei.

Da in Frankreich die elterliche Züchtigung nach wie vor legal ist, wird auch der Martinet noch benutzt, wenngleich Behörden einen maßvollen Umgang mit „die körperliche Strafe verschärfenden Mitteln“ empfohlen hatten. Seit 1984 ist die Anwendung des Martinets zur Bestrafung von Kindern, nicht jedoch von Jugendlichen, verboten; es gibt den Martinet seitdem nur in Zoofachgeschäften und den entsprechenden Abteilungen der Supermärkte, Warenhäuser und Gartencenter zu kaufen, oft mit dem Hinweis auf der Klarsichtverpackung oder als Aufkleber, dass der Martinet nur für Hunde (und Katzen) bestimmt sei. Ein maßvoller Umgang, mehr als Drohinstrument, wurde aber auch für die Tiere angeraten. In den letzten Jahren ist der Martinet inzwischen auch aus manchen zoologischen Fachgeschäften -und abteilungen der Selbstbedienungsläden verschwunden, und selbst die traditionellen Zoogeschäfte in der Nähe von Notre Dame in Paris führen keine Martinets mehr.

Verfügbar sind Martinets im Internethandel und in Zooabteilungen von Haushaltswarenläden und in den sogenannten Hypermarchés. Zwei Ketten von Hypermarchés haben offiziell bekanntgegeben, dass sie keine Martinets mehr im Sortiment führen. Die Mehrzahl der Martinets in Frankreich wird zur strengen Kindererziehung gekauft, nur vereinzelt zur Erziehung von Hunden. Es gibt sogar eine Online-Petition.[1]

Ob der Martinet, je nach Lederbeschaffenheit und -dicke, als potenziell noch schmerzhafter als der insbesondere früher in Deutschland und Großbritannien weit verbreitete Rohrstock, die in Schottland und Irland häufig gebrauchte Tawse oder als das in über 20 Bundesstaaten der USA weiterhin zur körperlichen Züchtigung in den Schulen verwendete Paddle bzw. als der in der häuslichen Erziehung zum Einsatz kommende Gürtel oder Lederriemen gilt, ist vom persönlichen Schmerzempfinden abhängig. Der Martinet wird fast ausschließlich auf dem nackten Gesäß eingesetzt. Trifft der Martinet auf Bekleidung, lässt die Schmerz- und Strafwirkung stark nach. Bei kurzen Hosen oder Röcken wurde bzw. wird gerne auch auf die unbekleideten Oberschenkel, gelegentlich auch auf die freiliegenden Waden, geschlagen. Dies ließ sich schnell bewerkstelligen, lag auch für diejenigen Eltern, die bei der Abstrafung das Kind unter den Arm klemmten, bequem in der Reichweite des Martinets. Meist wird das Schlagen auf die Oberschenkel als schmerzhafter empfunden. Ferner hatte das für die Kinder noch den beschämenden Nebeneffekt, dass bei entsprechend kurzer Kleidung jeder sehen konnte, dass vor kurzem eine Züchtigung stattgefunden hatte. Die Schmerzhaftigkeit ist dadurch noch zu steigern, wenn nur mit der Hälfte der Riemen zugeschlagen wird. Im Gegensatz zum Rohrstock oder zur Reitgerte hat der Martinet den Vorteil, dass beim Schlagen die Haut nicht blutunterlaufen wird oder gar aufplatzt und es somit nicht zu äußerlichen Verletzungen kommen kann. Der Martinet bewirkt zwar auch eine Rötung der getroffenen Hautfläche, die aber sehr schnell verschwindet und keine körperlichen Schäden hinterlässt.

Gegner der elterlichen Züchtigung verweisen auch auf die Demütigung, die durch die Züchtigung hervorgerufen wird und kämpfen seit langem für entsprechende Änderungen der Gesetze. Jedoch wird vor allem in den ländlichen Regionen Frankreichs der Martinet auch heute noch in der Erziehung von Haustieren, Kindern und Jugendlichen benutzt. Einer Umfrage zufolge wird der Martinet noch in 10% der Haushalte zur Kindererziehung eingesetzt.

In Deutschland bekannte Formen des Martinets sind die Klopfpeitsche [2] und der Westfälische Siebenstriemer. Klopfpeitschen mit bis zu 12, in aller Regel aber 7 Riemen wurden in Deutschland noch bis in die 1970er Jahre hinein auch für die Züchtigung von Kindern und Jugendlichen benutzt.

Einzelnachweise

  1. Stop aux martinets chez auchan - Petition
  2. SMiki: Klopfpeitsche

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