Martin von Arndt

Martin von Arndt

Martin von Arndt (* 1968 in Ludwigsburg) ist ein deutscher Schriftsteller, Musiker und Wissenschaftler.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Martin von Arndt wurde 1968 als Sohn ungarisch-deutscher Eltern in Ludwigsburg geboren. Er studierte Religionswissenschaft, Germanistik und Psychologie in Saarbrücken, Budapest und Würzburg mit abschließender Promotion über tiefenpsychologische Bibelexegese. Er lebt heute in Markgröningen und Essen.

Seit 2005 ist er stellvertretender Vorsitzender im Verband deutscher Schriftsteller (VS) Baden-Württemberg, Mitglied im Deutschschweizer P.E.N.-Zentrum und im Förderkreis deutscher Schriftsteller.

Waren frühere Arbeiten von Arndts in Bildern und gehobener Sprache der Tradition von Symbolismus und Surrealismus verhaftet, zeugt die jüngste Prosa von gesellschaftskritischer Distanz und tragikomischer Reflexion, ähnlich Werken von Arnold Stadler und Wilhelm Genazino oder auch Joachim Zelter, mit dem ihn eine literarische Freundschaft verbindet.

ego shooter

In seinem 2007 erschienenen Roman ego shooter setzt sich von Arndt mit der Literarisierung von „Gamer-Welten“ und neuen Formen der Vereinsamung des städtischen Bürgertums auseinander. Kovács, der Held in Martin von Arndts Roman, ist Profispieler im Internet. Eine kleine Erbschaft, die er von seinem Onkel gemacht hat, hilft ihm dabei, nach dem Abbruch seines Archäologiestudiums vollständig in die Welt des E-Sports einzutauchen. In seiner hermetisch abgedichteten Wohnung nimmt er Nacht für Nacht an nachgespielten Flugzeugkämpfen des Ersten und Zweiten Weltkriegs teil. Mit möglichst vielen Abschüssen verdient Kovács sein Geld, so lange, bis er von einer schweren Krankheit (Hirnhautentzündung) heimgesucht wird, die ihn zunächst spielunfähig macht und schließlich mit dem Tod bedroht. Die auf die ärztliche Diagnose folgende Woche wird Kovács' Karwoche. Station für Station erleidet er seine Passion. Stationen auf diesem Gang sind Rückblicke in seine unerfüllt gebliebene Liebe und Katastrophen aus seiner Familiengeschichte, die zwischen Ungarn nach dem 1956er Aufstand und dem Wirtschaftswunder-Deutschland hin und her pendelt. Am Ende des Romans bleibt offen, ob Kovács überleben wird und gegebenenfalls ein weiteres Mal seine Lebenswelt radikal verändern kann.

ego shooter ist ein gesellschaftskritischer Roman. Kovács ist der Vertreter einer jungen Generation, die sich in immer brutaler ausgetragenen gesellschaftlichen Verteilungskämpfen ihren Weg suchen muss und nur noch selten Nischen findet, die den Generationen davor angeblich noch offen standen.

Die SWR-Buchkritik schreibt über das Buch: „Diese Generation ist latent oder offen aggressiv, weil sie vor dem Computer Gefahr läuft, menschlich abzustürzen und zu verkommen. Es ehrt sie, dass sie das überhaupt nicht will. Nach einer Zeit der Duckmäuser und der Überangepassten zeigt sich hier wieder eine rebellische Jugend, die mehr will als die Ruhigstellung durch Unterhaltungselektronik. Deshalb ist dieses Buch wichtig. Ein bedrückendes Buch über eine bedrückende Wirklichkeit.“

Der Tod ist ein Postmann mit Hut

Inhalt

Im Zentrum des in Innsbruck angesiedelten Romans steht der Jazzgitarrist Julio. Geschieden von seiner Frau Ines, die er noch immer geradezu pathologisch liebt, nicht mehr ganz jung, beruflich gedemütigt (er muss davon leben, Klassiker der Rockmusik für chinesische Schnellimbisse aufzubereiten: „Smells like teen spirit. Mit Geschmacksverstärker.“) und mitten in einer Depression, erhält er plötzlich an seinem 40. Geburtstag anonym ein leeres Blatt Papier als Einschreibe-Brief. Die Prozedur wiederholt sich Monat für Monat. Julio macht sich nach anfänglicher Lethargie auf, nach dem Urheber des Schreibens, dem Sinn der Briefe, dem möglicherweise dunklen Geheimnis in seiner eigenen Vergangenheit oder in der seiner Familie zu suchen. Bei seinen Recherchen trifft er auf den pensionierten Kriminalbeamten Koloman Steinbichler (alias „der Grantler“), der versucht, Julio mit halbprofessionellen Methoden weiterzuhelfen. Wenn gegen Ende des Romans Steinbichler stirbt, hat Julio nur eine vage Idee, wer hinter den Briefen stecken könnte, scheint aber Einsicht in die Mechanik des Daseins gefunden, seine Depression überwunden und zu neuem Lebensmut gefunden zu haben.

In die Rahmenhandlung eingebettet ist eine Erzählung in Form eines forensischen Protokolls. In ihr schildert ein Mann die Geschehnisse einer Mordnacht, bei der ein Mensch getötet und er selbst angeschossen wird. Das Protokoll soll dazu dienen, die Leiche des oder der Getöteten zu finden, wirft aber, je weiter der Text voranschreitet, immer noch mehr Fragen auf, als dass die eigentliche Frage tatsächlich beantwortet würde. Über den inneren Zusammenhang mit der Rahmenhandlung (Parzival-Motiv) informiert der Autor in seinen Frequently Asked Questions zum Roman.[1]

Thema und Deutung

Die existentialistische Hintergrundfolie des Romans Der Tod ist ein Postmann mit Hut lässt den Protagonisten Julio als Antihelden im Sinne Camus’ erscheinen, der durch die anonymen Einschreiben dem Absurden begegnet. Julio will diesem Geheimnis auf die Spur kommen, er sucht nach Antworten, nach Rechtfertigung, nach Sinn. Doch er muss unweigerlich scheitern. „Das Absurde entsteht aus dieser Gegenüberstellung des Menschen, der fragt, und der Welt, die vernunftwidrig schweigt.“ (Camus: Der Mythos des Sisyphos)[2]

Für Julio gibt es bald keine Hoffnung mehr, den Urheber der Briefe zu finden. Auf seiner Reise begegnet er stattdessen immer wieder nur den Vorboten des Todes als einziger Realität und nicht mehr anzuzweifelnder Wahrheit des absurden Menschen. Diese Erkenntnis erschüttert Julios Leben in seinen Grundfesten, lässt keine Illusion von Sinnhaftigkeit mehr zu und wirft ihn auf das Hier und Jetzt zurück. „Der absurde Mensch hat verlernt zu hoffen. Endlich ist die Hölle des Gegenwärtigen sein Reich.“[3]

Gleichzeitig befreit diese Erkenntnis Julio von den Fesseln, in die er zuvor sein Leben gezwängt hat. Die gescheiterte Beziehung mit Ines, seine erfolglose Karriere als Musiker verlieren für Julio aus der Perspektive des Absurden an Bedeutung. „Sich in diese grundlose Gewissheit stürzen, sich von nun an dem eigenen Leben gegenüber recht fremd fühlen, um es größer werden zu lassen und ohne die Kurzsichtigkeit eines Verliebten zu durchmessen – darin liegt das Prinzip einer Befreiung. Diese neue Unabhängigkeit ist zeitlich begrenzt wie jede Handlungsfreiheit. Sie stellt keinen Wechsel auf die Ewigkeit aus. Aber sie ersetzt die Illusionen der Freiheit, die alle vor dem Tode haltmachen.“[4]

Am Ende des Romans macht sich Julio auf, sein neues Leben anzunehmen, ohne Hoffnung auf Sinn und Erlösung. Aber es ist jetzt sein Leben, dem er sich mit neu gewonnener Freiheit bewusst zuwendet. Mit Camus müssen wir uns Julio als einen glücklichen Menschen vorstellen.

Erzähltechnik

In seiner Technik des Spiels mit Elementen des Kriminalromans, die von der Frage nach dem Täter (Whodunnit als Spielart des Krimis) überführen zu allgemein existentiellen Fragen, steht Der Tod ist ein Postmann mit Hut in der Tradition von Autoren wie Paul Auster (Leviathan) oder Friedrich Dürrenmatt (Der Richter und sein Henker). Ferner arbeitet das Buch mit intertextuellen Verweisen auf den Tod in Venedig von Thomas Mann. So heißt der Hund des Kriminalbeamten Steinbichler Tadzio und wird am Ende des Romans ebenso zum Seelenführer des Protagonisten, wie es der Junge Tadzio in Manns Novelle wird. Das Ende des Buchs zitiert Mann fast wörtlich.

Wie im Film üblich, nutzt der Roman an herausragenden Stellen Musik zur Unterstützung, Charakterisierung und Kontrastierung wichtiger Szenen. Im Epilog befindet sich eine Playlist mit den in den Roman eingebetteten Songs. Der Autor stellt diese Playlist mit Links zu Youtube-Videos zudem auf seiner Homepage zur Verfügung. Damit nutzt er, wie vor ihm deutschsprachige Autoren wie Alban Nikolai Herbst oder Thomas Klupp, das Medium Internet für Buch-Updates und Zusatznutzen.

Rezeption

Die literaturkritischen Einschätzungen gehen auseinander. Während Elke Heidenreich den Roman in ihrer Online-Sendung 'Lesen!' zum Buch der Woche[5] deklariert und trotz nonlinearer Erzähltechnik Lesbarkeit und Humor betont, akzentuiert Zeit-online den kafkaesken Hintergrund und die stilistischen Fertigkeiten des Buchs[6]. Eine ausführliche literaturkritische Interpretation des Buchs findet sich im Online-Literaturmagazin „Glanz und Elend“.[7]

Auszeichnungen

  • 2000 Limburg-Preis Kunstverein Bad Dürkheim, Förderpreis 'Rheinpfalz'
  • 2002 Arbeitsstipendium Förderkreis deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg
  • 2003 Stadtschreiber von Rottweil, Förderstipendium Auswärtiges Amt
  • 2004 Arbeitsstipendium Förderkreis deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg
  • 2006 Arbeitsstipendium Förderkreis deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg
  • 2007 Landesliteraturstipendium Baden-Württemberg
  • 2008 Einladung zum Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt
  • 2010 Thaddäus-Troll-Preis

Werke

Übersetzungen

Lyrische Übersetzungen aus dem Französischen (Tristan Corbière, Maurice Rollinat), Englischen (Robert Frost, Stephen Pain), Spanischen (Rubén Darío) und Ungarischen (Attila József).

Musik

1983 gründete von Arndt die Musikformation Printed at Bismarck’s Death, die sieben Alben zwischen Freejazz, Avantgarde, Techno, Dance und Electronica, daneben Hörspiel- und Filmmusik, Theater- und Tanztheaterperformances im In- und europäischen Ausland produzierte. Seit 1997 ist er Live-Saxophonist der Band In My Rosary und war an dem Gemeinschaftsprojekt Griffin’s Fall beteiligt.

Weblinks

Einzelnachweise


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