Martin Scherber

Martin Scherber
Martin Scherber 1969 im Gespräch (vor dem Unfall).

Martin Scherber (* 16. Januar 1907 in Nürnberg; † 10. Januar 1974 ebenda) war ein deutscher Komponist und Schöpfer der Metamorphosensinfonik.

Inhaltsverzeichnis

Kindheit und Jugend

Martin Scherber wurde als drittes und jüngstes Kind von Marie und Bernhard Scherber [1] in Nürnberg geboren. Der Vater war erster Kontrabassist im Orchester des städtischen Opernhauses (heute: Staatstheater Nürnberg) [2].

Scherber besaß neben der musikalischen auch eine große technische Begabung. Daher besuchte er die Oberrealschule [3]. Schon früh – mit etwa fünf Jahren – begann er, Gehörtes auf dem Klavier und der Geige nachzuspielen. Er hatte das absolute Gehör. Noten wollte er nicht lernen. Nach Konflikten mit dem Vater akzeptierte er sie schließlich als ein Darstellungsmittel für Musik. Seine Stärke lag später in der Klavierimprovisation.

Als er dreizehn war, entstanden seine ersten Kompositionen. Weiterführenden Klavierunterricht erhielt er beim Nürnberger Opernkapellmeister Karl Winkler und der Pianistin Maria Kahl-Decker. 1922 trat er in Nürnberg öffentlich als Pianist im Stadtparksaal bei einem Wohltätigkeitskonzert und im Jahr darauf im Katharinenbau auch mit eigenen Werken auf.

Beim Komponieren und Improvisieren merkte er, wie er eingebettet war in eine "Hülle aus Musik"[4]. Er konnte spielend aus dem Alltagsbewusstsein heraustreten und in ein eigenständiges, wacheres Bewusstsein übergehen. Er trat "hinter die Wände“, wie er das nannte. Von da an versuchte er diese für ihn vorerst rätselhaften Erlebnisse genauer zu ergründen. Dabei stieß er zuerst auf das Werk von Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832), dessen umfassende Weltsicht und Art, mit den inneren und äußeren Phänomenen umzugehen, ihn unmittelbar ansprach [5]

Studium und Engagement

Scherber in Aussig - etwa 1932

Ab September 1925 besuchte er die Staatliche Akademie der Tonkunst in München (heute: Hochschule für Musik und Theater [6]). Dazu erhielt er Stipendien. Gleichzeitig studierte er Philosophie. Hier befasste er sich besonders mit Erkenntnistheorie, d.h. der Verständigung des tätigen Bewusstseins mit sich selbst und seiner Eingliederungsmöglichkeiten in das Weltgeschehen. Während viele Künstler eine derartige - meist analytisch durchgeführte Arbeit - als störend für ihre unbefangenen schöpferischen Tätigkeiten ansahen, verschmolz er diese Arbeit durch einen methodischen Verwandlungsprozess ganz mit der künstlerischen Lebenspraxis.

Über seinen Goethestudien entdeckte er die Schriften Rudolf Steiners (1861-1925). Dessen Hinweise auf erkenntnistheoretischem und spirituellem Gebiet erprobte er mit der ihm eigenen Selbständigkeit [7]. So wuchsen ihm langsam durch die Entwicklung eines reinen Wahrnehmungsvermögens und durch die energische Steigerung der Aufmerksamkeitskräfte tiefere Einsichten und Betätigungsmöglichkeiten zu [8]. Unter diesem Doppelaspekt erscheint seine Biografie in einem besonderen Licht. Die spätere freie schöpferische Tätigkeit beim Hervorbringen und Gestalten der Metamorphosensinfonien ist eine direkte Folge seiner künstlerischen Erkenntniserlebnisse.

Im September 1929 trat er eine Stelle als Korrepetitor in Aussig an der Elbe an. Nach kurzer Zeit wurde er dort Kapellmeister und Chorleiter. Als sein Vertrag [9] im Mai 1933 auslief, zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück [10], blieb aber dem dramatischen und tragischen Weltgeschehen seiner Zeit verbunden. Nun lebte er als Musikpädagoge und freischaffender Komponist wieder in seiner Geburtsstadt.

Metamorphosensinfonien

Als seine Hauptwerke gelten die Metamorphosensymphonien. Die 1. Sinfonie in d-Moll schrieb er 1938[11]. Jahrelange Erfahrungen als Soldat im Zweiten Weltkrieg [12] berührten ihn nachhaltig. So können die rund vierzehn Jahre nach seinem ersten sinfonischen Versuch geschaffene 2. Sinfonie in f-Moll (1951-52)[13] und die unmittelbar folgende 3. Sinfonie in h-Moll (1952-55)[14] als gewichtigere Fortsetzungen seines mit der d-Moll-Sinfonie begonnen musikalischen Weges angesehen werden. Er schuf auch Instrumentalmusik, Chorwerke, Lieder und Klavierstücke. Hierher gehört das ‚ABC’, ein Klavierzyklus und Versuch, einige Qualitäten deutscher Sprachlaute einzufangen[15].

Kenner seiner großen Orchesterwerke bemerkten, wie in ihnen etwas Zeitloses und Universelles lebt. Das mag damit zusammenhängen, dass Scherber zwar an der Akademie die gängigen Kompositionstechniken kennenlernte, später die aktuellen Methoden von Arnold Schönberg und Schülern, Igor Strawinski, Béla Bartók, Paul Hindemith u.a., sowie die nach dem Zweiten Weltkrieg herrschend werdenden technischen Medien als substanzielle Basis neuen Komponierens untersuchte - sich jedoch durch die zunehmende Aufklärung seiner Jugenderlebnisse andersartiges Können und damit innerlichere Wege, Musik hervorzubringen, eröffnete. Er wendete seine technischen Fähigkeiten nach innen, d.h. die in der Außenwelt sachlich-nüchternen Handhabungen werden für seelische und geistige Innenerfahrungen fruchtbar gemacht [16]

Dieses Umwendung befähigten ihn, sich in die heute weitgehend verlorenen Ursprungsbereiche der Musik, in welche sich auch die großen Klassiker bei ihren schöpferischen Tätigkeiten mit dem 'inneren Ohr' hineinzuarbeiten suchten, mit immer größerer Bewusstheit einzuleben; kurz, sich ins Überpersönliche zu erheben. Zu dessen Charakteristikum gehört die Ausweitung des individuellen Bewusstseins ins Universelle.

Seine entscheidende Entdeckung dabei war: Die wohlgeleitete meditative Verinnerlichung führt zu den schöpferischen Kräften, welche u. a. die äußere wahrnehmbare Welt hervorbringen. So errang er sich allmählich einen seelischen Keimboden für die immer deutlicher von ihm zu erlebenden musikalischen und geistigen Inhalte [17]. Das frühere träumerische, also halb-bewusste Leben in einer "Musikhülle" und das Empfinden, "hinter die Wände" zu treten, klärten sich dadurch auf. Auch sein Rückzug aus der Öffentlichkeit kann damit begründet werden, dass er, bei der Fremdartigkeit seiner Einsichten für das populäre Bewusstsein, in dauernde weltanschauliche Auseinandersetzungen hineingezogen worden wäre.

Der Komponist während der Zeit, als er an den Metamorphosen-Symphonien arbeitete, 1951-55.

Die musikalischen Träger für seine Orchesterwerke werden das alles zentrierende Thema, die sich aus ihm durch die gesamte Sinfonie fein webenden, polyphonen Metamorphosen, die strengen Rhythmen und die daraus aufsteigenden dissonierenden und konsonierenden Harmonien [18]. Da es sich hier, nach Scherber, um die künstlerische Verarbeitung des im Quellgebiet der Musik Erlebten handelt, hat der Tonsetzer dafür zu sorgen, dass ein adäquater, vom Ganzen her durchwirkter, raum-zeitlich wahrnehmbarer musikalischer Organismus entstehen kann. Dieser wird zur tönenden Botschaft eines differenzierten, tatsächlich innerlich erfahrenen Kosmos. Daher rührt die von ihm eingesetzte Autorenformel "Sinfonie durch" nicht "Sinfonie von"[19].

In meiner II. lebe ich z. B. immer bewußt im ganzen Tongeschehen; sorgfältig wache ich, daß der geistige Faden nicht abreißt. D.h. daß es eine durchlaufend durchorganisierte Gestalt bleibt. Etwas den Weltwesen Abgelauschtes. Auf die Frage: Harmonie oder nicht, lasse ich mich gar nicht ein, weil ich ja Inhalte einfange, die wir heutigen Menschen eben noch nicht haben. Und um diese im Tonleib sich darleben zu lassen, brauche ich eben alles. Jedes Ausschließen von irgend etwas würde ja verarmen. Wer z.B. Harmonien ausschließt, kann ja bestimmte Dinge überhaupt nicht mehr aufleben lassen. Der Maler wäre in der gleichen Falle, wenn er z. B. die Gerade oder eine bestimmte Farbe nicht gebrauchen wollte. Der wahren Wirklichkeit gegenüber sind das Mätzchen! --- Ein technischer Apparat läßt sich mit dem gewöhnlichen Bewußtsein herstellen. Ein Kunstwerk, das den anderen Menschen in eine höhere Wirklichkeit weisen soll, kann nur aus einem höheren Bereich durch höheres Bewußtsein geholt werden. Bewußtsein – nicht Trieb, wie Schönberg [20] sagt.[21]

Scherbers Nähe zu Anton Bruckner ergibt sich aus der Verwandtschaft der inspirativen Erlebnisse. Bruckner ist und bleibt als Mensch und Komponist einmalig. Das mag mit seiner ganz persönlichen Konstitution, kulturellen Einbettung und Zeitgebundenheit zusammenhängen. Scherber sah einen Fortschritt darin, indem die von Bruckner instinktiv und ahnungsvoll erfassten Quellbereiche der Musik durch eine zusätzlich zur musikalischen Ausbildung sich vollziehende spirituelle Schulung ausgeschritten würden. Der erfahrene Inhalt rege dann selbst aus der Eigengesetzlichkeit des Zusammenklingens von Mensch und Welt eine passende musikalische Form an - hier: ein thematisch zentrierter, aus der klassischen Sinfonieform sich entwickelnder Sinfonieorganismus. Inhalt und Gestalt gingen dann konform.

Versuche, eine neue Sinfoniegestalt zu schaffen, gab es seit dem 19. Jahrhundert viele. Richard Wagner u.a. äußerten schon die Absicht, einsätzige Sinfonien schreiben zu wollen. Von Allan Pettersson hörte man: "No one in the 50‘s noticed, that I am always breaking up the structures, that I was creating a whole new symphonic form." "Niemand nahm in den 1950er Jahren zur Kenntnis, dass ich ständig die [alten] musikalischen Formen aufbrach, dass ich [damit] eine gänzlich neue sinfonische Form schuf"[22] etc..

Für Scherber war die Sinfonie in ihrer durch die Jahrhunderte herangereiften musikalischen Universalität keine sich allmählich summierende, zufällige, experimentelle oder auslaufende Erscheinung, sondern der historisch auftönende Weg des menschlichen Ringens um die bewusste Teilnahme am Schöpfungsprozess der Welt. Jeder, ob Komponist, Interpret oder aktiver Hörer könne in der Musik gleichermaßen daran teilnehmen. Folgerichtig zeigen Scherbers Sinfonien Verwandtschaft mit den Werken und Intentionen der großen Schrittmacher des sinfonischen Klanges. Konnte man doch immer wieder von Komponisten, nicht allein von Ludwig van Beethoven, hören:

Es gehört Rhythmus des Geistes dazu, um Musik in ihrer Wesenheit zu erfassen: Sie gibt Ahnung, Inspiration himmlischer Wissenschaften, und was der Geist sinnlich von ihr empfindet, das ist die Verkörperung geistiger Erkenntnis.[23]

Der erst seit Kurzem bekannter werdende Martin Scherber spielte durch seinen selbst gewählten Lebensstil im Musikleben seiner Zeit keine Rolle. Ende der 1960er Jahre plante er, erneut öffentlich aktiv zu werden. Ähnlich wie zur Zeit Gabriela Montero wollte er u.a. konzertieren und dabei über vom Publikum vorgeschlagene Themen improvisieren. Eine zunehmende Unkontrollierbarkeit der rechten Hand[24] und ein schwerer Unfall im Jahre 1970 verhinderte das.

Zeitgenossenschaft

Scherber bewegte sich in einem anderen geistigen Umfeld als die auf Arnold Schönberg und Anton von Webern aufbauende Avantgarde der 1950er Jahre. Diese experimentierte u. a. auch mit technischen und elektronischen Medien. Das daran mit großer Begeisterung Erforschte verband sie mit konstruktiven Ideen oder Zufallsoptionen, was zu seriellen, aleatorischen und mit Verfremdungen arbeitenden Kompositionen führte. Ihr Ziel war der Ersatz der in der europäischen Klassik und Romantik kulminierenden und für ausgeschöpft erklärten Inspirationsquellen der Musik. Sie wollte die im tonalen Material empfundenen Zwänge hinter sich lassen und alle Musik aufbauenden Parameter auf wissenschaftlicher Basis durch selbst erfundene Behandlungsmethoden bestimmen. Darüber hinaus strebte man nach einer Weltmusik. Sie sollte durch die Aufnahme musikalischer Elemente aus möglichst vielen Kulturen – adäquat der die Erde umspannenden naturwissenschaftlich-technisch-industriellen Zivilisation – für alle Menschen als musikalische Heimat geschaffen werden. Wohl wurden nie gehörte Klänge und überraschende Effekte auch mit Hilfe völlig neuer grafischer Notationen erzeugt – doch es zeigte sich: Viele Musiker und Hörer weigerten sich aus einem feinen Empfinden für Tonqualitäten heraus, die auf diese Art hervorgebrachten Klangphänomene als die ihrem Wesen gemäße Zukunft der Musik zu akzeptieren. Das weltweite Konzertleben blieb der tieferen Substanz der eigentlichen Klassik geneigt und folgte kaum den Vorstellungen, wie sie sich u.a. Karlheinz Stockhausen noch 1959 entsprechend seiner Aufbruchstimmung voller Optimismus ausmalte:

In zwanzig Jahren spricht keiner mehr von Bach und den Klassikern.[25]

Mit ihm hatte Scherber einen kurzen Briefwechsel. [26] Viele Komponisten der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert suchten zu Stockhausens Erstaunen wieder andere, individuell geprägte Wege. Für Scherber war jeder Ton ein inneres Tun – und ihn mit anderen Tönen verbinden keine intellektuelle, emotionale oder instinktive Aktion, sondern eine freie Tat. Er bewegte sich in den von ihm aufgetanen Tonwelten ähnlich, wie ein Entdecker einen neuen Kontinent erkundet. Inneres Handeln verwob sich mit den Erlebnissen im Quellgebiet des Musikalischen. Er liebte und lebte Musik. Sie bewegte ihn, und er bewegte sie. Musik, die, wie er manchmal äußerte, jedem Menschen eingeschrieben sei, auch wenn dieses heutzutage noch nicht in die persönlichen Bewusstseine fiele – also Weltmusik wäre, welche sich aus dem inneren Zusammenklingen von Mensch und Kosmos ergäbe. Zur F-Moll-Sinfonie schrieb er im Jahre 1962 an Peter von Siemens:

Ich darf vielleicht [...] andeuten, daß gerade diese zweite Symphonie keine Komposition ist – sondern ein Mysterium – auch für mich! [...] Wie eine werdende Mutter erlebte ich den Vorgang des Hervorbringens – nur nicht so unbewußt; erlebte, wie jene Weltenmächte, die den Menschen schaffen, hörbar sich offenbaren wollten.[27]

Sein spiritueller Weg erlaubte ihm, die inneren und äußeren Beschränkungen an den Grenzsäumen menschlichen Erlebens langsam zu verschieben, sich also in einer typischen Pioniersituation zu bewegen. Er sprach darum, wie andere seiner Generation - beispielsweise auch Arnold Schönberg - jedoch mit dem angedeuteten Erfahrungshintergrund, von einem bewusst zu gestaltenden Neuanfang der Musik, einem tiefgreifenden Paradigmenwechsel beim Hervorbringen musikalischer Kunstwerke, der weit über die bisherigen klassischen Höhepunkte der Musik hinausführen würde und sah sich darin als Anfänger. Es ginge eben um das innerlich klare Betreten einer Neuen Welt – einer Quellwelt alles Schöpferischen, die – nicht allein für die Musik – unter bestimmten Bedingungen erreicht werden könne. Daher kommt wohl die Konsequenz, Stringenz und Intelligenz - und wohl auch die kontroverse Aufnahme seiner sinfonischen Sprache zu seinen Lebzeiten und heute.

Kritik

  • „Diese Musik gehört verboten.“ (Hans Börnsen, 1957 nach der Uraufführung der Zweiten, A/BRK-N).
  • „...[ohne] musikalische Schöpferkraft[...]“ (Bruno Walter, Brief vom 25. April 1957 zur Dritten an den Komponisten (A/BRK-N)).
  • „So eine Musik wollen wir nicht!“ (Alfons Dressel, in den 1950er Jahren, A/BRK-N).
  • „In diesem fast einstündigen kolossalen Satz jedenfalls tritt die Metamorphose auf der Stelle. Bruckners geniales Wissen um Kontraste und Ergänzung in Harmonik und Bewegung hat sich trotz aller Meditation nicht offenbart. [...] Eine Musik [...] wenig ökonomisch im Einsatz der Mittel und von einer nicht zu überhörenden Langatmigkeit.“ (Peter T. Köster / Klassik heute 11/2001, zur Dritten).
  • Scherbers Sinfonie ist „[...]ein schöpferischer Widersinn“ [...] „Die Musik klebt an Bruckner so sehr, dass selbst der Begriff des Epigonen merkwürdig blass bleibt.“ [Das Werk ist] "am ehesten lästig in seiner Chimäre der Zeitlosigkeit[...]“ (Reinhard Schulz, NMZ 2001/2002, zur Dritten).
  • „[...] die Musik steht allzu sehr außerhalb unserer Zeit. Und dass sie sich keiner angemesseneren, angepassteren Tonsprache bedient, einer heute als ernsthaft verständlichen Sprache, erscheint mir als ihr größter Fehler, ja vielleicht ihr tödlicher. Sie ist ein absoluter Anachronismus.“ (Peter Huber, Brief vom 5. Mai 2005, A/BRK-N).


  • „Das ist ja wieder Musik! Aufführen lassen! [...]“ (Siegfried Horvath, in den 1950er Jahren, zur Ersten, A/BRK-N).
  • „[...] weit wie das Meer, nirgends konstruiert, immer interessant, nie intellektuell – und immer lebendig [...]“ (Karl Winkler, in den 1970er Jahren, zur Dritten, A/BRK-N).
  • „Der Komponist hat die Form der Gattung radikal erneuert, und das auf eine Art und Weise, welche die Wahrnehmung keineswegs erschwert[...]“ [...] „Um so erstaunlicher kam für mich die Symphonie Scherbers vor: sie ist modern und trotzdem nicht modern, sie ist zeitlos. Nur ein großer Geist konnte die üblichen, zur „Modernisierung“ der musikalischer Sprache führenden Wege souverän ignorieren und aus den eigenen Tiefen heraus eine Ausdrucksweise gestalten, die mit den so unmusikalischen Experimenten des Jahrhunderts nichts zu tun hat, und trotzdem absolut originell klingt. [...]“ (Georg Balan, Brief zur Dritten im Jahr 2004, A/BRK-N).
  • „[...] Man vermeint gar nicht mehr Musik zu hören, sondern Weltgeschehen, Schöpfungsgeheimnisse mitzuerleben[...]“ (Ludwig Hölzel, in den 1950er Jahren, A/BRK-N).

Sinfonieveröffentlichung

1966 wurde in Krefeld der Bruckner-Kreis[28] von dem Dirigenten Fred Thürmer und Musikfreunden gegründet. Sein Fernziel war, sich um das Werk Martin Scherbers zu kümmern. Scherber selbst beabsichtigte die Metamorphosensinfonien erst nach seinem Tode zu veröffentlichen. Doch Ostern 1970 wurde von verschiedenen Seiten die Idee an ihn herangetragen, sein musikalisches Werk früher zu publizieren. Er stellte sich als Berater zur Verfügung, wohl wissend, dass diese Entscheidung einen erheblichen Einfluss auf sein Leben nehmen könnte. Die Faksimilepartituren der dritten und ersten Sinfonie erschienen daraufhin als unmittelbare Beiträge zum Nürnberger Albrecht Dürer-Jahr 1971. Die Drucklegung der F-Moll-Sinfonie folgte zwei Jahre später.

Unfall

Ende Mai 1970 wurde Scherber während eines Spazierganges von einem Betrunkenen mit dem Auto überfahren. Der ehemals leicht und locker sich Bewegende war nun als teilweise Gelähmter jahrelang auf den Rollstuhl angewiesen.[29] Unfallbedingt starb er schließlich an einer ärztlich nicht erkannten Zuckerkrankheit (Nierenversagen).

Werke

Klavierwerke
  • Kultische Musik zu den Jahresfesten 1946–1951 (Streicher, Klavier)
  • Tänze für zwei Klaviere zu je vier Händen
  • ABC-Stücke für Klavier (ca.1938–1963), UA: offen
  • Märchenmusiken (1930 verschollen, 1946)
Klavierbearbeitungen
  • Max Reger: Symphonischer Prolog für Großes Orchester von 1908 (1926)
  • Anton Bruckner: Sinfonien No. 3 bis 9, (1948-50)
  • Martin Scherber: Sinfonien No. 1 bis 3, (1951-55)
Sinfonische Musik
  • 1. Sinfonie in d-moll 1938, UA 11. März 1952 in Lüneburg; Lüneburger Sinfonie-Orchester, Dirigent Fred Thürmer
  • 2. Sinfonie in f-moll 1951–1952, UA 24. Januar 1957 in Lüneburg; Niedersächsisches Sinfonie-Orchester Hannover, Dirigent Fred Thürmer
  • 3. Sinfonie in h-moll 1952–1955, UA offen
Vokalwerke
  • Lieder mit Klavier (45 Vertonungen)
  • Goethelieder (1930), 7 Vertonungen
  • Stör’ nicht den Schlaf 1936 (Morgenstern)
  • Wanderers Nachtlied 1937 (Goethe)
  • Kinderliederzyklen 1930/1937 (Scherber (9), Brentano (18))
  • Hymne an die Nacht 1937 (Novalis)
  • Chöre a cappella (10) und Chöre mit Klavier oder Orchester (3 Stücke)
Texte
  • Von Urquellen wahrhaft moderner Kunst und der Allverbindung des vereinsamten Menschen (1972)
  • Warum heute wieder Märchen? (1972)
  • Aphorismen I + II (1976 und 1993)

Diskografie

Große Metamorphosensinfonien

  • Sinfonie No. 3 in h-moll, 2001 bei col legno WWE 1 CD 20078; World Premiere Recording. Herausgeber: Peermusic Classical, Hamburg 2001.
  • Sinfonie No. 2 in f-moll, 2010 bei cascade Order No. 05116; am@do-classics. Herausgeber: Bruckner-Kreis Nürnberg 2010

Quellen

  1. Bernhard Scherber * 1. Dezember 1864 in Klein Tschachwitz bei Dresden - † 8. Juni 1941 in Nürnberg; Maria Scherber geb. Egloff * 20. Juli 1878 in Maxhütte/Oberpfalz - † 11. März 1963 in Nürnberg
  2. Booklet zur Sinfonie No. 3 in h-moll durch Martin Scherber, Peermusic classical, Hamburg/ col legno Bad Wiessee 2001, S. 7.
  3. Oberrealschule an der Löbleinstraße; heute: Hans-Sachs-Gymnasium Nürnberg
  4. Martin Scherber: Autobiographische Notiz 2. Archiv Bruckner-Kreis Nürnberg (A/BRK-N).
  5. "Grandiose Goethefeier im Stadttheater" mit Prolog von Martin Scherber, Zeitung Aussig, 1932
  6. Hochschule für Musik und Theater München Jahresberichte Namenslisten S. 16-18
  7. Erkenntnistheoretische Grundlagen und Praxistipps im Werk Rudolf Steiners: Wahrheit und Wissenschaft. Vorspiel einer Philosophie der Freiheit. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1980, ISBN 3-7274-0030-7; Philosophie der Freiheit - Grundzüge einer modernen Weltanschauung. 16. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1995, ISBN 3-7274-0040-4. (Taschenbuch: 1992, ISBN 3-7274-6271-X)
  8. Martin Scherber Von Urquellen aller echten Kunst und der Allverbindung des vereinsamten Menschen. Partitur Sinfonie No. 2, Nürnberg 1973, Anhang, S. 277.
  9. Vertrag Stadttheater Aussig vom 15. September 1932 (A/BRK-N)
  10. Bühnennachweis, Köln vom 31. August 1934. (A/BRK-N)
  11. Faksimilepartitur Sinfonie No. 1 in d-moll durch Martin Scherber. Heinz Bosannek, Nürnberg 1971.
  12. 1940-46: Bahnflak, Musikkorps, Sanitätsdienst, englische Gefangenschaft Munster Lager
  13. Faksimilepartitur Sinfonie No. 2 in f-moll durch Martin Scherber. Heinz Bosannek, Nürnberg 1973.
  14. Faksimilepartitur Sinfonie No. 3 in h-moll durch Martin Scherber. Heinz Bosannek, Nürnberg 1971.
  15. Martin Scherber: Das ABC - Stücke für Klavier. Minden 1996.
  16. Hinweise dazu bei Rudolf Steiner: Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten. 24. Auflage. Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1993, ISBN 3-7274-0100-1. (Taschenbuch: 1990, ISBN 3-7274-6001-6)
  17. Henning Kunze: Zur Dritten Symphonie von Martin Scherber. Booklet zur Dritten, Peermusic classical/col legno, 2001, S. 4-7.
  18. Henning Kunze: Die Metamorphose als Wesenselement der Musik. In: Die Drei. 9/1990, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1990, S. 676-687, Hinweise auf die Zweite Sinfonie
  19. Partituren der Sinfonien No. 1-3, jeweils S. 1.
  20. Arnold Schönberg: Harmonielehre. Universal Edition, Wien/Salzburg/Berlin 1911, S. 497 bzw. 1949 S. 500.
  21. Martin Scherber: Brief an Fred Thürmer vom 10. November 1951 (A-BRK-N)
  22. Paul Rapoport: Allan Pettersson. Stockholm 1981, S. 21.
  23. Bettina Brentano: Gespräche mit Beethoven. Josef Rufer: Bekenntnisse und Erkenntnisse - Komponisten über ihr Werk. Goldmann Verlag/Schott's Söhne, München 1981, ISBN 3-442-33055-6, S. 33. (TB 33055) (letzte Auflage April 1988)
  24. Erika Scherber berichtete 2008, dass Scherbers Vater Bernhard und Neffe Richard im Alter Parkinson bekamen. Vielleicht machten sich derartige Krankheitssymptome auch bei Martin Scherber bemerkbar? Er selbst hat es nie so artikuliert, sondern auf andere Ursachen zurückgeführt. Auch seine Umgebung, z. B die Schülerschaft bemerkte nichts davon.
  25. Michael Kurtz: Stockhausen. Eine Biographie. Bärenreiter, Kassel/Basel 1988, S. 93; Bach-Preis Träger 1995 - Bach-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg
  26. Karlheinz Stockhausen: Brief an Martin Scherber. vom 30. April 1972 (A/BRK-N)
  27. Martin Scherber: Brief an Peter von Siemens. vom 7. Juli 1962 (A/BRK-N)
  28. Heute: Bruckner-Kreis Nürnberg
  29. Abendzeitung. Nürnberg vom 7. September 1973, S. 1 und 5. Februar 1974, S. 9.

Weblinks

 Commons: Martin Scherber – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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