Marquês von Pombal

Marquês von Pombal
Der Marquis von Pombal

Sebastian Joseph von Carvalho und Melo (portugiesisch: Sebastião José de Carvalho e Melo), Graf von Oeiras, seit 1769, Markgraf von Pombal (portugiesisch: Marquês de Pombal), (* 13. Mai 1699 in Lissabon; † 8. Mai 1782 in Leiria) war Erster Minister (=Regierungschef) Portugals während der Herrschaft König Joseph I. und der bedeutendste portugiesische Staatsmann des 18. Jahrhunderts. Ausgehend vom Denken der Aufklärung versuchte er mit einem umfangreichen Reformprogramm, das in vielen Dingen noch immer mittelalterliche Portugal den Bedürfnissen der Moderne anzupassen.

Leben

Pombal studierte an der Universität Coimbra. 1738 wurde er portugiesischer Botschafter in London, sieben Jahre später portugiesischer Gesandter in Wien. 1750 wurde er von Joseph I. zum Außenminister ernannt.

1755 wurde die Hauptstadt Lissabon von einem katastrophalen Erdbeben fast völlig zerstört. Der Marquis von Pombal organisierte den Wiederaufbau. Nachdem er so sein organisatorisches Geschick unter Beweis gestellt hatte, wurde Pombal 1756 zum Ersten Minister und damit zum eigentlichen Regenten Portugals ernannt. Der König war an den Regierungsgeschäften nicht sonderlich interessiert und gewährte Pombal weitestgehend freie Hand, so dass dieser zum eigentlichen Regenten des Landes wurde. Pombal legte den Grundstein für das Eintreten Portugals in die Moderne. An die Stelle der traditionellen klerikalen Politik setzte der Marquis einen aufgeklärten Absolutismus.

"Marquês de Pombal" (Louis-Michel van Loo und Claude-Joseph Vernet, 1766), Museu da Cidade, Lissabon.

Das rief bald den Widerstand der katholischen Kirche hervor. Die Jesuiten predigten, dass das Erdbeben Gottes Strafe für die Reformen gewesen sei. Am 3. September 1758 kam es zu einem Attentat auf Joseph I. Der König war auf dem Heimweg nach Ajuda, wo er in einer Zeltstadt residierte, da sein Schloss beim Erdbeben von 1755 zerstört worden war. Er kam von einem Schäferstündchen mit seiner Mätresse und war daher ohne Eskorte. Unterwegs wurde er überfallen und angeschossen. Die Täter wurden gefasst und gestanden unter der Folter, von der Familie Tavora beauftragt worden zu sein. Die Tavoras gehörten zum Hochadel und standen in scharfer Opposition zum Marquis von Pombal. Pombal nutzte die Gelegenheit, die gesamte Familie des Hochverrats anzuklagen. Auch der Lehrer von Leonora de Tavora, der Jesuitenmönch Gabriel Malagrida, wurde verhaftet und später auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Am 13. Januar 1759 wurde fast die gesamte Familie exekutiert, ihr Besitz konfisziert und ihr Name aus dem Adelsverzeichnis gestrichen. Nur der Königin war es zu verdanken, dass nicht alle Tavoras getötet wurden. 1759 wurde der Jesuitenorden in Portugal und Brasilien aufgelöst. Pombal erhielt im gleichen Jahr von König D. José I. für sein Wirken nach dem Erdbeben von Lissabon den Titel "Conde de Oeiras". Pombal schaffte 1761 die Sklaverei in Portugal und in den indischen Kolonialgebieten ab - nicht aber in Brasilien; sämtliche noch bestehenden rechtlichen Diskriminierungen zwischen den Cristãos-Novos (Neu-Christen, den getauften Juden) und den Cristãos-Velhos (Alt-Christen) wurden aufgehoben, die Zensur wurde von der Kirche auf den Staat übertragen, die Inquisition der Aufsicht des Staates unterstellt. An der Universität Coimbra wurde eine naturwissenschaftliche Fakultät gegründet, ein staatliches Schulwesen entstand, die Indianer in Brasilien wurden emanzipiert.

Mittels protektionistischer Maßnahmen versuchte Pombal nationale Manufakturen zu stärken und die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Ausland, namentlich von England, zu überwinden. Er gründete staatliche Monopolunternehmen, verlieh Konzessionen an einheimische Unternehmer und rief verschiedene unter staatlicher Kontrolle stehende Handelsgesellschaften mit Monopolcharakter ins Leben. Des Weiteren legte er einen Schwerpunkt auf die Reform des Finanzsystems des Landes.

Pombal sorgte dafür, dass verstärkt portugiesische Siedler in Brasilien angesiedelt wurden und förderte den Brasilienhandel durch die Gründung von Handelsgesellschaften, darunter die Ostindische Kompanie. Sowohl die Landwirtschaft als auch der Handel erlebten in dieser Zeit einen Aufschwung, die finanzielle Lage des Staates verbesserte sich erheblich, das Außenhandelsdefizit mit England wurde ausgeglichen.

Im Jahre 1769 wurde Sebastião José de Carvalho e Mello zum ersten "Marquês de Pombal" ernannt, er erhielt den Marquistitel von Lissabon. 1777 starb Pombals großer Gönner, König Joseph I., und seine Tochter Maria I. bestieg zusammen mit ihrem Ehemann und Onkel, Peter III. den portugiesischen Thron. Die neue Königin war sehr fromm, die antiklerikale Politik des Marquis war ihr deshalb ein Gräuel. Kaum auf dem Thron, entließ sie Pombal und stellte ihn auf seinem Landsitz unter Hausarrest.

Das Wirken des Marquis von Pombal ist bis heute umstritten. Einerseits ging er als großer Modernisierer in die portugiesische Geschichte ein, der unbestreitbar die Grundlage für den modernen portugiesischen Staat gelegt hat. Andererseits ging er bei der Erreichung seiner Ziele buchstäblich über Leichen und war bereit, seine Politik mit Brachialgewalt gegen beharrende Elemente durchzusetzen.

Siehe auch: Geschichte Portugals, Zeittafel Portugal

Literatur

  • Kenneth R. Maxwell: Pombal. Paradox of the Enlightenment, Cambridge 1995.
  • Jorge Borges de Macedo: O marquês de Pombal (1699–1782), Lissabon 1982.

Weblinks


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