Apostelkirche (Essen)

Apostelkirche (Essen)
Apostelkirche

Die Apostelkirche ist eine evangelische Kirche im Essener Stadtteil Frohnhausen, zu der eine Notkirche nach Plänen des Architekten Otto Bartning gehört.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Essener Stadtteil Frohnhausen, westlich nahe der Innenstadt gelegen, war Anfang des 20. Jahrhunderts bereits zum am dichtest besiedelten Gebiet der Stadt herangewachsen. Der Grund waren neu entstandene Siedlungen für die ständig wachsende Zahl von Arbeitern, die in nahegelegenen Zechen und in der Krupp Gussstahlfabrik im heutigen Westviertel beschäftigt waren. Krupp bezuschusste und ermöglichte den Bau der Apostelkirche. 1904 erstand die Stadt Essen Grund des Bauern Pollerberg gen. Lange. Hier entstand der Pollerbergshof, ein städtebauliches Reformprojekt. Ein Teilstück davon, auf dem die Apostelkirche entstehen sollte, wurde 1906 an die Kirche verkauft.

Der Kirchbau

Am 23. Juni 1912 fand die Grundsteinlegung für die Apostelkirche statt. Sie war nach der Lutherkirche und der Christuskirche die dritte evangelische Kirche der 1877 von Borbeck abgetrennten Gemeinde und wurde nach Plänen des Architekten Ewald Wachenfeld aus Hagen errichtet, dessen Entwurf den 1911 ausgeschrieben Architekturwettbewerb gewonnen hatte. Dem neuen Bauvorhaben musste ein mit dem Christusbild geschmücktes Feldwegkreuz weichen, das auf dem Kirchweg der südlichen Frohnhauser Bewohner lag. Mehrere Jahrhunderte lang war das von Gärten und Feldern umgebene Kreuz Station von Prozessionen.

Ansicht um 1914

Im Gegensatz zu den beiden ersten Kirchen im Essener Westen entstand mit der Apostelkirche ein Gemeindezentrum bestehend aus Kirche, Pfarr- und Gemeindehaus mit einem Vorplatz. Im ehemaligen Gemeindehaus fanden 400 Menschen in einem Gemeindesaal Platz, in seinem Dachgeschoss war eine Küsterwohnung. Das hohe Walmdach des Kirchengebäudes hob sich von den umgebenden Gebäuden ab. Das Innere folgte dem Wiesbadener Programm, so dass sich in einer Linie hintereinander Altar, Kanzel, Sängerbühne und Orgel befanden, und die Kirchenbänke abgewinkelt angeordnet waren. Die Kirche zeichnete eine durch den Neoklassizismus geprägte Reformarchitektur aus.

Beim Anlegen des Turmfundamentes stieß man auf einen alten Kohlenschacht, so dass man wesentlich tiefer in den Grund musste. Im Erdgeschoss des 48 Meter hohen, in vielen Details dem Campanile von Venedig nachempfundenen Turmes entstand eine Kapelle für Taufen oder Trauungen, die mit Hilfe einer Schiebewand mit dem Kirchsaal verbunden werden konnte. Der Turm erhielt mit einem Zuschuss der Stadt von 1.500 Mark eine bedeutende Turmuhr. Diese war bereits auf den Weltausstellungen in Brüssel 1910 und Turin 1911 (Esposizione internazionale dell'industria e del lavoro) gezeigt und ausgezeichnet worden. Äußerlich erhielt der Turm mit einem Durchmesser von 3,85 Metern die 1913 größten Zifferblätter Essens. Die drei von Motoren angetriebenen Glocken wurden am 7. Februar 1913 durch Bodenöffnungen in den Glockenstuhl des Turmes gehoben.

Am 2. November 1913 konnte die neue Kirche mit 1.000 Plätzen und bereits installiertem elektrischem Strom durch Pfarrer Cürlis eingeweiht werden. In ihr befand sich eine gehäuselose Orgel des Barmener Orgelbauers Paul Faust. Die Gemeinde Altendorf, zu der die Apostelkirche gehörte, verfügte zu dieser Zeit über sieben Pfarrstellen mit rund 24.000 Mitgliedern.

Zur Zeit der Weltkriege

Zum Gedenken an die Gefallenen des Ersten Weltkrieges wurden am 28. Februar 1925 Tafeln mit Namensinschriften enthüllt, die dann im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. Im April 1943 beschädigten Stabbrandbomben das Dach der Apostelkirche. Luftangriffe zerstörten das Gemeindezentrum am 26. März 1944. Am 11. März 1945 brach der stählerne Dachstuhl zusammen und zerstörte eine erste im Bau befindliche Notkirche. Nur der Kirchturm der Apostelkirche überstand den Krieg. Am 24. Juni 1945 wurde der Schlafsaal des Wilhelm-Augusta-Kinderheims in der Aachener Straße bis zur Einweihung der Notkirche als Apostelsaal genutzt.

Die Notkirche

Rückansicht, links die Notkirche

Die von Otto Bartning entworfene Notkirche wurde überwiegend in freiwilliger Arbeitsleistung von Gemeindemitgliedern errichtet. Der Saalbau steht auf dem Fundament des ehemaligen Gemeindehauses und wurde am 30. Oktober 1949 eingeweiht. Zu diesem Anlass zog die Gemeinde vom als Gotteshaus genutzten ehemaligen städtischen Wilhelm-Augusta-Kinderheim zur Notkirche. Die drei Glocken des im Krieg stehengebliebenen Kirchturmes läuteten dazu. Möglich wurde der Bau durch Spenden der Evangelical and Reformed Church in Chicago, also evangelischer Christen aus den USA. Weder Architekt Bartning (wegen Krankheit) noch der Präsident der Reformed Church, L. W. Goebel, waren bei der Einweihungsfeier anwesend. Stattdessen kamen der Präses Heinrich Held, der Bürgermeister Josef Aust und als Vertreter des Weltkirchenrates dessen Deutschlandvertreter Propst Halfdan Høgsbro aus Bad Homburg.

Die Notkirche befindet sich direkt an der Mülheimer Straße zwischen der Apostelkirche und dem in den 1960er Jahren erbauten Apostelhaus. Heute dient sie Feierlichkeiten und kulturellen Ausstellungen. Im Innenraum sind noch die Trümmersteine sichtbar, die unter anderem für die Chorwände wiederverbaut wurden. Ebenfalls erkennbar sind die Holznagelbinder, die die hölzerne Dachkonstruktion tragen und in Karlsruhe gefertigt wurden. Mithilfe dieser Binder war eine Art Serienfertigung dieser Art Notkirchen möglich, von denen in Deutschland 43 Stück bis 1951 nach Bartnings Plänen errichtet wurden, von denen heute noch 41 existieren. Zur Errichtung der Apostel-Notkirche mit rund 450 Sitzplätzen benötigte man fünf Monate. 2009 wurde das Fensterband im alten Stil mit einer Doppelfensterverglasung erneuert, um Undichtigkeiten in den Griff zu bekommen.

Wiederaufbau

Die Apostelkirche wurde durch den Essener Architekt Reinhold Jerichow ab 1956 wenig verändert wiederaufgebaut und am 2. November 1958 vollendet. Am 18. September 1966 wurde die neue, durch Spenden finanzierte, große Schuke-Orgel mit 46 Registern und drei Manualen eingeweiht. Sie befindet sich jetzt auf der Turmempore und nicht mehr, wie die alte Orgel, über dem Altar. Am 25. März 1968 beschloss das Presbyterium, nach Unterschriftensammlung gegen Lärm, den Stundenschlag und die Totenglocke abzuschaffen sowie das Gottesdienstgeläut auf fünf Minuten zu verkürzen.

Das ursprüngliche Uhrwerk, der im Jahre 2000 durch eine Funkuhr ersetzten Turmuhr, soll noch heute im Turm zu besichtigen sein. Allerdings stimmen frühere Angaben nicht mit diesem Uhrwerk überein, so dass man annimmt, dass das Original in den Kriegswirren verloren ging und ersetzt wurde.

Forum-Apostelzentrum

Am 31. Oktober 2009, fast dem 60. Jahrestag der Apostel-Notkirche, wurde das gläserne Forum eingeweiht. Das Bauvorhaben kostete rund eine halbe Million Euro, die ohne öffentliche Mittel aufgebracht wurden. Unter anderem verkaufte die Gemeinde dazu ein Grundstück an der Aachener Straße an ein Dienstleistungsunternehmen der Stadt. Nun stellt das Forum eine bauliche Verbindung zwischen der Mülheimer Straße und der Straße An der Apostelkirche dar. Es bietet auf etwa 137 Quadratmetern Raum für ein kleines Café sowie für Ausstellungen, Basare, Sitzungen oder kleine Konzerte.[1]

Gänsereiterbrunnen

Gänsereiterbrunnen - 2010

Der Gänsereiterbrunnen auf dem Kirchplatz, seit 1994 unter Denkmalschutz[2], entstand ebenfalls 1913 und wurde auch vom Hagener Architekten Ewald Wachenfeld entworfen. Der Name geht auf den Volksbrauch des Gänsereitens zurück, der vermutlich bis Ende des 19. Jahrhunderts in Frohnhausen gepflegt wurde. Im Gespräch war bei der Brunnengestaltung, anstatt der dann verwendeten, feuervergoldeten Bronzeplastik eines nach einer Gans greifenden Reiters, alternativ ein Hähnchen, das eine weitere Tradition im Stadtteil dargestellt hätte, nämlich den Karnevalsbrauch des Hahneköppens.

Die Kosten für den Gänsereiterbrunnen teilten sich der Essener Verschönerungsverein und die Stadt Essen, die noch heute Eigentümerin ist. Als einer von drei Frohnhauser Brunnen[3] aus der Kaiserzeit zeugt er im Jugendstil von der Gestaltung einer durch Krupp geprägten Stadt. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Gänsereiterbrunnen unter den Trümmern der Apostelkirche begraben. Die vom Kölner Bildhauer William Ohly stammende, feuervergoldete Bronzeplastik eines nach einer Gans greifenden Reiters, die bis dahin die Spitze des Brunnens krönte, fehlt seitdem. Der Brunnen erhielt keinen neuen Wasseranschluss. Damals war er an eine Frischwasserleitung angeschlossen. Abgebrochene Teile aus Trachyt wurden in den Nachkriegsjahren durch verputzte Ziegel ersetzt. Die Delphine und die damals üblichen Masken im Jugendstil schmückten später den Brunnen, zeigen aber nicht mehr seine Namensherkunft. Außerdem waren sie durch Umwelteinflüsse stark beschädigt, ebenso wie das Innere des Brunnens durch eingedrungenes Regenwasser.

Im Januar 2008 wurde der stark restaurierungsbedürftige Jugendstilbrunnen im Rahmen von Bauarbeiten bei der Neugestaltung des Platzes teilzerlegt, eingelagert und in Sachsen restauriert. Ein Steinmetz aus Essen, Eugen Kalenborn, erhielt den Restaurierungsauftrag. Der Brunnen wurde bis auf das feste Material abgeschält und erhielt neue Ersatzteile. Das benötigte Ersatzgestein, Tuff vulkanischen Ursprungs, kommt aus Selters. Dazu bekam der Brunnen neue bronzene Überläufe. Die vier völlig verwitterten Delphinköpfe wurden erneuert. Der Brunnenkopf zerfiel bei der Restaurierung durch verrostetes Eisen in seinem Innern. Der rund 30 Tonnen schwere Gänsereiterbrunnen steht seit November 2009 wieder am Kirchplatz und hat einen neuen Wasseranschluss erhalten; diesmal, wie heute üblich, mithilfe einer Umwälzpumpe und einer Zisterne, um nicht ständig Frischwasser zu verbrauchen. Am 17. April 2010 fand die offizielle Einweihung des Brunnens statt.

Zur Finanzierung der Restaurierung sollten laut einer ersten äußerlichen Kalkulation zunächst rund 70.000 Euro benötigt werden. Die tatsächlichen Kosten lagen deutlich höher. Für Spendeneinnahmen sorgte unter anderem der Verein Frohnhauser Denkmäler und Kulturwerte e. V..[4] [5]

Weblinks

Quellen

Zugrundeliegende Quellen des Artikels sind die Schriften:

  • Robert Welzel: Dokumentation 90 Jahre Apostelzentrum, 90 Jahre Gemeindegeschichte in Frohnhausen
  • Robert Welzel: Frohnhausens Trümmerkirche wird 50, Dokumentation zur Entstehung der Apostel-Notkirche
  • Robert Welzel: Der Gänsereiterbrunnen an der Apostelkirche - Architektur der Kaiserzeit in Frohnhausen; Januar 2008

Einzelnachweise und Fußnoten

  1. Stadtspiegel Essen, West-Anzeiger, Ausgabe Nr. 83 vom 17. Oktober 2009
  2. Auszug aus der Denkmalliste der Stadt Essen; zuletzt gesichtet am 17. November 2011
  3. ein weiterer Brunnen steht am Frohnhauser Platz (Marktplatz), sowie ein Brunnen im Innenhof der Siedlung Luisenhof
  4. Stadtspiegel Essen, West-Anzeiger, Ausgabe Nr. 42 vom 27. Mai 2009
  5. Stadtspiegel Essen, West-Anzeiger, Ausgabe Nr. 92 vom 18. November 2009
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