Marienkirche (Wismar)

Marienkirche (Wismar)
Westansicht der Marienkirche
Marienkirche im Stadtbild von 1640 in der Bildmitte rechts vom Rathaus, hier noch mit dem gotischen Turmhelm (Kupferstich von Matthäus Merian)
Grundriss von St. Marien (1896)
Südansicht, Zeichnung von 1896
Aufgemauerter Grundriss des beseitigten Kirchenschiffs: Foto vom Kirchturm 2010
Neue Kirche: als ev. Notkirche 1951 errichtet

Die Marienkirche (auch Sankt Marienkirche) im Zentrum der Altstadt Wismars ist die höchste der drei Stadtkirchen. Die Höhe des Mittelschiffgewölbes betrug 32,2 Meter; der Turm ist 82,5 Meter hoch.[1] Sie war Pfarrkirche der Marktstadt. Sie gehört zu den ältesten Bauwerken der Hansestadt. Ihr im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigtes Schiff wurde 1960 gesprengt.

Inhaltsverzeichnis

Baugeschichte

Bau I

Die Marienkirche wurde als Hallenkirche mit Westturmanlage um 1260–70 erbaut. Die Breite des Langhauses betrug 36 Meter, die Höhe der Gewölbe etwa 16 Meter, die Länge des Schiffes und die Gestalt des Chores sind unbekannt. Erhalten blieben der Westturm und seine Seitenkapellen.

Bau II

  • 1. Bauabschnitt:

Nach dem Abriss des Chores erfolgte der Bau einer provisorischen Abschlusswand zum weiterbenutzten Hallenlanghaus. Um 1320–1339 wurde unter Werkmeister Johann Grote der basilikale Umgangschor mit Kapellenkranz errichtet.

  • 2. Bauabschnitt:

Nach 1339 erfolgte die Vollendung des Chores und 1353 die Weihe. Danach wird das alte Hallenlanghaus abgetragen, das Backsteinmaterial für den Neubau des Langhauses als Basilika wiederverwandt. Im Typus entsprach die Kirche dem Vorbild der Marienkirche von Lübeck.

  • 3. Bauabschnitt:

Um 1370/75 wurde das Langhaus vollendet.

  • 4. Bauabschnitt:

Vor 1388 werden nachträglich zwischen die Strebepfeiler Einsatzkapellen angebaut, auf der Nordseite um 1388 die Nordhalle und vor 1390 die Sakristei. Die Südvorhalle und die östlich daneben liegende Knochenhauerkapelle entstehen vor 1414.

  • 5. Bauabschnitt:

Im 5. Bauabschnitt erfolgte die Aufstockung des Westturms um drei Geschosse auf eine Höhe von 80 Meter.

Die Kapelle unter dem Turm wurde im Mittelalter von der Kaufleutekorporation der Bergenfahrer ausgestattet, unterhalten und genutzt.

Nachmittelalterliche Veränderungen

Im 15. oder frühen 16. Jahrhundert Zerstörung des steilen gotischen Pyramidenhelmes und Ersatz durch einen Dachreiter, der 1539 durch Blitzschlag zerstört wurde. Der Ersatz wurde 1661 vom Sturm heruntergeworfen, danach der heutige provisorische Abschluss. Im 18. Jahrhundert teilweise Vermauerung von Fenstern und Portalen. In den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts Bau eines Dachreiters über dem östlichen Ende des Langhausdaches.

Nach 1945

Nach den schweren Bombenschäden am Schiff der Marienkirche durch britische Luftminen Mitte April 1945, erhielt die Gemeinde 1951 eine Notkirche nach dem Entwurf von Otto Bartning, die Neue Kirche, die aus den Steinen des alten Pfarrhauses erbaut wurde. Die Neue Kirche sollte nur als Provisorium dienen, bis die St. Marien-Kirche wieder aufgebaut sein wird.

Obwohl keine unmittelbare Gefahr des Zusammenbruchs oder von gesundheitlichen Gefährdungen durch den abgesperrten Bau bestand, wurden 1960 Langhaus und Chor der St. Marien-Kirche unter Protest zahlreicher kultur- und geschichtsinteressierter Bürger gesprengt und das Baumaterial zu Schotter verarbeitet. Der Turm konnte wegen seiner Bedeutung als Seezeichen nicht beseitigt werden.

In den vergangenen Jahren wurde mit Mitteln von Stadt, Land, Bund, Deutscher Stiftung Denkmalschutz und mit Spenden engagierter Bürger der verbliebene Turm geschlossen und mit Installationen soweit ausgerüstet, dass wieder eine Nutzung für Veranstaltungen möglich ist.

St. Marien ist gemeinsam mit St. Georgen in Wismar bis mindestens Ende 2009 Ort der Ausstellung „Gebrannte Größe – Bauten der Macht“, die sich mit der Backsteingotik und auch der Entstehungsgeschichte von St. Marien befasst.

Ausstattung

St. Marien war als Wismarer Ratskirche durch Stiftungen reich ausgestattet. Im Laufe der Geschichte wurden daher auch Ausstattungsstücke an ärmere Gemeinden Mecklenburgs weitergegeben: Ein Beispiel ist die Kanzel aus der Werkstatt des Lübecker Bildschnitzers Tönnies Evers d. J. von 1587, die sich seit dem Jahr 1746 in der Marienkirche von Neustadt-Glewe befindet.

Etliche Stücke der Ausstattung konnten in den Wirren des Zweiten Weltkrieges gerettet werden. Das Triumphkreuz von 1420 schmückt seit der Restaurierung 1990 den Schweriner Dom. Andere Stücke, darunter der Taufkessel aus Bronze von 1337, sind zurzeit in der Wismarer Nikolaikirche untergestellt. Bedauerlicherweise wurde die Astronomische Uhr von St. Marien Opfer der Bomben.

In der Marienkirche befanden sich die Grabkapelle des schwedischen Generalmajors von Wrangel, die Bronzegrabplatte der Herzogin Sophie von Mecklenburg († 1503) und das Grab des Rechtsgelehrten David Mevius († 1670 als Vizepräsident des schwedischen Tribunals zu Wismar). Hölzerne Skulpturen der Wrangelschen Grabkapelle sind heute im Kellergewölbe unterhalb des Rathauses ausgestellt.

Glocken

St. Marien besitzt eines der der umfangreichsten Geläute Norddeutschlands und einen einzigartigen Bestand an historischen Läute- und Uhrschlagglocken.[2]

Nr.
 
Name
 
Gussjahr
 
Gießer, Gussort
 
Masse
(kg, ca.)
Durchmesser
(mm)
Schlagton
(HT-1/16)
1 Große Glocke 1567 Hermann Paßmann, Lübeck 5000 1968 b0 −1
2 Bürgerglocke 1567 Hermann Paßmann, Lübeck 2700 1613 c1 −2
3 Wächterglocke 1902[3] M & O Ohlsson, Lübeck 1750 1420 des1 ±0
4 1652 Adam Dankwart, Wismar 1200 1264 es1 +5
5 1592 Gerdt Bincke, Wismar 770 1017 f1 −4
6 2. H. 14. Jh. unbekannt 1200 1139 g1 +8
7 1621 Clawes Bincke, Wismar 800 1022 as1 +10
8 14. Jhdt. unbekannt 400 840 b1 +15
9 1435 Timmo Jegher, Lübeck 220 727 c2 +10

Dazu kommen außen am Turm drei Uhrglocken, von denen die Stundenglocke 1539 gegossen wurde. Die Läute- und Uhrschlagglocken bilden gemeinsam ein Glockenspiel, das nach dem Kirchenjahr wechselnde Choräle spielt.

Kirchhof

Der Kirchhof von St. Marien war in früherer Zeit mit Kapellen überbaut. So der Kapelle St. Marien zu den Weiden und der Bantzkowschen Sühnekapelle. Diese haben sich nicht erhalten und wurden zum Teil schon im 19. Jahrhundert abgerissen.

Literatur

  • Friedrich Schlie: Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Grossherzogthums Mecklenburg-Schwerin. II. Band: Die Amtsgerichtsbezirke Wismar, Grevesmühlen, Rehna, Gadebusch und Schwerin. Schwerin 1898, Neudruck Schwerin 1992, S. 27–68. ISBN 3910179061
  • Gottfried Kiesow: St. Marien in Wismar. In: Bauten der Macht (Gebrannte Größe, Bd. 2). Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2002. ISBN 978-3-936942-24-8
  • Pfotenhauer/Lixenfeld: Wismar und Stralsund – Welterbe. monumente edition. Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Bonn 2005. ISBN 978-3-936942-56-9
  • Claus Peter: Die Glocken der Wismarer Hauptkirchen. Bestand und Quellen. In: Jahrbuch für Glockenkunde 5/6 (1993/94), S. 69-94.

Weblinks

 Commons: Marienkirche (Wismar) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Meyers Reisebücher: Ostseehbäder. Bibliographisches Institut, 4. Auflage, Leipzig und Wien 1910, S. 241.
  2. Claus Peter (Lit.), S. 69, die folgende Aufstellung nach ebd. S. 73; bei dieser Aufstellung sind die Angaben zu den Gießern entsprechend zu korrigieren
  3. Kopie einer Glocke von 1553 (Schlie, S. 41)
53.891111.462744444444

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Marienkirche — Marienkirchen (auch Sankt Marien Kirchen) sind Maria, der Mutter Jesu, geweihte oder nach ihr benannte Kirchen. Andere Namen Marias, wie Unsere liebe Frau (davon abgeleitet meist „Frauenkirche“ oder „Liebfrauenkirche“, französisch Notre Dame),… …   Deutsch Wikipedia

  • Marienkirche (Klütz) — Marienkirche in Klütz Die Marienkirche in der mecklenburgischen Kleinstadt Klütz ist eine backsteingotische Kirche aus der Zeit des Übergangs von der Romanik zur Gotik. Sie ist die Kirche der Kirchgemeinde Klütz im Landkreis Nordwestmecklenburg.… …   Deutsch Wikipedia

  • Marienkirche in Bergen — Portal …   Deutsch Wikipedia

  • Marienkirche (Bergen) — Marienkirche in Bergen Portal …   Deutsch Wikipedia

  • Wismar — Wismar, die zweite See und Handelsstadt des Großherzogtums Mecklenburg Schwerin, an der Südspitze einer durch die Insel Poel geschützten Bucht der Ostsee, Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Ludwigslust W. und W. Rostock, hat 4 evang. Kirchen: die… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Wismar — Wismar, 1) Herrschaft im Großherzogthum Mecklenburg Schwerin; an der Ostsee, umfaßt die Stadt W. u. zwei Domänenämter (Neukloster u. W. Poel), 2,49 QM. mit 20,500 Ew.; 2) Hauptstadt hier, am Ostseebusen: der Wallfisch u. an der Mecklenburgischen… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Marienkirche — (German: Marian church ) may refer to many churches dedicated to the Virgin Mary, mostly in Germany:* St. Mary s Church, Berlin * St. Mary s Church, Gdańsk * St. Mary s Church, Lübeck * St. Mary s Church, Reutlingen * St. Mary s Church, Rostock * …   Wikipedia

  • Wismar — Wismar, See und Handelsstadt im Großhzgt. Mecklenburg Schwerin, an der Ostsee (Wismarsche Bucht), (1900) 20.222 (1905: 22.028) E., Amtsgericht, Nebenzollamt; got. Marienkirche, Georgen , Nikolaikirche (sämtlich aus dem 14. Jahrh.), Fürstenhof… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Wismar — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Marienkirche Lübeck — Südansicht der Lübecker Marienkirche mit dem Strebewerk über dem Seitenschiff Hauptschiff der Lübecker Marienkirche mit dem 38,5 m hohen Gewölbe …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”