Marienkirche (Pirna)

Marienkirche (Pirna)

Die Anfang des 16. Jahrhunderts errichtete Marienkirche Pirna ist die evangelisch-lutherische Hauptkirche Pirnas und eine der größten spätgotischen Hallenkirchen in Sachsen. Die unter Denkmalschutz[1] stehende Kirche liegt am Kirchplatz 14 in der Altstadt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte und Beschreibung

Blick von Schloss Sonnenstein über die historische Altstadt von Pirna, rechts die Marienkirche

Die spätgotische, dreischiffige Hallenkirche St. Marien in Pirna wurde zwischen 1502 und 1546 über einem Vorgängerbau errichtet und beeindruckt durch ihre Größe. Das gewaltige Dach der Kirche bildet bei einer Firsthöhe von 40 Metern und einer Dachstuhlhöhe von 25 Metern die größte Kirchendachfläche Sachsens und wurde 2004 erneuert.

Der von Baumeister Peter Ulrich (genannt Peter von Pirna) begonnene Kirchenbau wurde von Wolf Blechschmidt vollendet. Die steinernen Emporen wurden 1571 eingebaut. 1889/90 erhielt der Kircheninnenraum eine einheitliche Fassung durch Theodor Quentin, die innerhalb der sächsischen Denkmalpflege maßgeblich wurde. 2005 wurde die letzte Renovierung abgeschlossen

Gewölbe und Ausmalung

Der Dachstuhl ist selbsttragend und lastet nicht auf dem darunter liegenden Deckengewölbe. In der Kirche konnte dadurch ein einzigartiges Netzgewölbe realisiert werden, das – ohne baustatische Funktion – einzig der Zierde dient. Es wird von acht schlanken achteckigen Pfeilern getragen und enthält waghalsige verspielte Elemente wie die in den Raum ragende Spiralrippen (Schleifenrippen), Hobelspanrippen und zwei Astrippen. Über dem Chor befindet sich das einzigartige „Fischblasen“-Gewölbe. In der Apsis unmittelbar unter den Astrippen befindet sich ein als „Wilder Mann und Wilde Frau“ bezeichnetes Menschenpaar aus Sandstein. Die Kirche wurde mit diesem Gewölbe in der spätesten Gotik 1546 vollendet und ist mit 65 Metern Länge und 35 m Breite nach der Peterskirche von Görlitz und der Annenkirche von Annaberg-Buchholz die drittgrößte Hallenkirche in Sachsen. Das Mittelschiff ist 17,80 m hoch, die Seitenschiffe nur 20 cm niedriger.

Seit der Einführung der Reformation im albertinischen Sachsen 1539 ist die Gemeinde der Marienkirche evangelisch-lutherisch. Da das Gewölbe erst danach fertiggestellt wurde, konnte der erste evangelische Pastor Anton Lauterbach sich maßgeblich an der Gestaltung des Bildprogramms der Ausmalung beteiligen. Martin Luther und Philipp Melanchthon sind als Evangelisten Lukas und Markus abgebildet. Den mit lateinischen Erläuterungen versehenen biblischen Szenen unter den Jobst Dorndorff zugeschriebenen, aber vermutlich von mehreren Malern ausgeführten 1544–46 Gewölbemalereien[2] sollen als Vorlage Illustrationen der 1532 in Wittenberg gedruckten Bibelübersetzung Martin Luthers gedient haben. Daneben finden sich Darstellungen von seiben Tugenden und von Knaben. Letztere sind teils in die Ornamentik integriert, teilweise gehören sie in mythologischen Szenen mit Fabelwesen wie Zentauern. Aus diesen Szenen stechen zwei Abbildungen heraus, in denen bewaffnete Knaben gegen Störche kämpfen. Störche erscheinen sonst kaum als Symbole. In Parallele zu ebenfalls abgebildeten Wölfen mit Mitren, die Schafe aus der Herde der Gläubigen stehlen, wie sie sich in Flugblättern der Reformationszeit als Darstellung der Gefährdung der evangelischen Gläubigen durch das Papsttum finden, können die Störche möglicherweise als Symbole für andere Gegner der lutherischen Reformation, die durch Nikolaus Storch verkörperten Täufer, gedeutet werden.[3]

Wandmalereien aus der Entstehungszeit, die den Ablasshandel des gebürtigen Pirnaer Johann Tetzel verspotteten, wurden bei der Renovierung 1708 beseitigt und sind nicht erhalten. Die Gewölbemalereien wurden zwar bei verschiedenen Renovierungen ausgebessert und geringfügig verändert, sind aber größtenteils originalgetreu erhalten.

Ausstattung

Den Renaissance-Sandsteinaltar gestaltete 1611 Michael Schwenke. Neben dem zehn Meter hohen Altarretabel gehört zur Ausstattung der bereits von Goethe bewunderten Taufstein von 1561 mit 26 kleinen Kinderfiguren am Fuß und der Darstellung von Sintflut, Zug durchs Rote Meer, Jesu Taufe durch Johannes den Täufer und die Fußwaschung auf der Cuppa. Diese vier Szenen stellen die Sündenvergebung und Wiedergeburt durch die Taufe dar. Die Kanzel stammt von 1543.

Turm und Glocken

Der 60 Meter hohe Turm wurde 1466–1479 vor der jetzigen Hallenkirche an den Vorgängerbau angebaut, so dass sich durch Baufehler Teile des Turmes, die eigentlich außen sichtbar sein sollten, innerhalb der Kirche befinden. Der Turm war auch ursprünglich niedriger als geplant. Ein Turmfenster im Treppenhaus links neben der Orgel ermöglicht so einen Blick vom Inneren des Turmtreppenhauses in die Kirche. Gekrönt wird der mehrstöckige Dachstuhl von einer barocken Turmhaube. Sie beherbergt seit 1994 wieder das einzige (seit 2003 neben der Dresdner Frauenkirche) siebenstimmige Geläut in der Sächsischen Landeskirche. Bis in das frühe 20. Jahrhundert wohnte über dem Geläut der Glöckner/Türmer, der u. a. die Glocken zu betätigen hatte. Seine kärglichen Wohnräume sind noch heute zu besichtigen.

Baumeister

  • 1506–1514: Peter Ulrich, Am Markt 3
  • 1514–1533: Markus Ribisch, Kirchplatz 2
  • 1533 (?)–1539: Valten Wild, ?
  • ca. 1539–1546: Wolf Blechschmidt, Niedere Burgstraße 1

Orgel

Die Orgel der Marienkirche wurde 1842 von Friedrich Nikolaus Jahn (Dresden) erbaut. Das Instrument hatte zunächst 44 Register auf zwei Manualen und Pedal. In den Jahren 1889 bis 1891 wurde das Instrument durch Julius Jahn überholt und erhielt ein neues Orgelgehäuse. In den 1920er Jahren baute Johannes Jahn ein drittes Manual, erweiterte die Disposition auf 56 Register und stattete das Instrument mit pneumatischen Ton- und Registertrakturen aus. 1978 bis 1979 wurde das Instrument von der Orgelbaufirma Herman Eule (Bautzen) überholt, wobei auch die Tontrakturen wieder als mechanische Trakturen angelegt wurden und ein neuer Spieltisch gebaut wurde. Im Zuge einer Generalüberholung im Jahre 2005 wurde das Instrument gereinigt, wurden die Schleifladen erneuert und neue Prospektpfeifen aus Zinn gefertigt.[4]

I Hauptwerk C–a3

1. Principal 16′ J
2. Oktave 8′
3. Gemshorn 8′ J
4. Rohrflöte 8′ J
5. Quintatön 8′
6. Oktave 4′
7. Spitzflöte 4′
8. Waldflöte 2′ J
9. Larigot 11/3
10. Rauschwerk II
11. Hornwerk II-V
12. Sesquialter I-II J
13. Mixtur IV-V
14. Tonus fabri II
15. Fagott 16′
16. Trompete 8′
II Oberwerk C–a3
17. Quintade 16′ J
18. Principal 8′
19. Gedackt 8′ J
20. Dolce 8′
21. Oktave 4′ J
22. Rohrflöte 4′ J
23. Nasard 22/3
24. Oktave 2′
25. Gemshorn 2′ J
26. Terz rep. 13/5
27. Flagolett 1′
28. Scharff IV
29. Kl. Zimbel IV
30. Krummhorn 8′
III Schwellwerk C–a3
31. Stillgedackt 16′
32. Metallflöte 8′
33. Weidenflöte 8′
34. Unda maris 8′
35. Principal 4′
36. Koppelflöte 4′
37. Weidenspiel 4′
38. Blockflöte 2′
39. Terzian II
40. Prinz-Mixtur IV-V
41. Carillonzimbel IV
42. Spillregal 16′
43. Rohrschalmei 8′
Pedal C–f1
44. Untersatz 32′ J
45. Principal 16′ J
46. Subbaß 16′ J
47. Oktavbaß 8′ J
48. Gedackt 8′ J
49. Oktave 4′ J
50. Nachthorn 2′
51. Hintersatz III
52. Choralmixtur IV
53. Posaune 16′
54. Trompete 8′
55. Clarine 4′
  • Koppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
  • Anmerkung
J = historisches Register von Friedrich Nikolaus Jahn aus dem Jahr 1842

Literatur

  • Ulrike Gohla: Die Gewölbemalereien der Stadtkirche St. Marien in Pirna. Ein Bilderzyklus der Reformationszeit in Sachsen; Kiel 2009
  • Reinhold Hofmann: Geschichte der Stadtkirche zu Pirna. Festschrift zur Einweihung der Kirche am 27. Oktober 1890. Verlag Eberlein, Pirna 1890.
  • Ernst Heinz Lemper: Evangelische Stadtkirche St. Marien Pirna. Reihe Das christliche Denkmal Bd. 25, Verlag Schnell & Steiner, München 1991.
  • Fritz Löffler: Die Stadtkirche St. Marien zu Pirna. Berlin 1966.
  • Kuratorium Altstadt e. V. (Hrsg.): Pirnaer Hefte – Beiträge zur Stadt- und Regionalgeschichte, Baugeschichte und Denkmalpflege. Heft 4, Pirna 2002.
  • Albrecht Sturm (Hrsg.): Die Stadtkirche St. Marien zu Pirna, Pirna 2005, ISBN 3-00-016905-9.

Einzelnachweise

  1. Liste der Kulturdenkmale für das Stadtgebiet von Pirna nach Straßen und Hausnummern. Stadtverwaltung Pirna, 14. August 2008, S. 3, abgerufen am 20. Februar 2011 (PDF).
  2. Die Namen der Maler sind in den entsprechenden Stadtrechnungen nicht enthalten. Dokumentiert ist nur die Beauftragung von Jobst Dorndorff mit der Bemalung des Taufsteins 1561 (Ulrike Gohla: Die Gewölbemalereien der Stadtkirche St. Marien in Pirna; S. 20-21).
  3. Ulrike Gohla: Die Gewölbemalereien der Stadtkirche St. Marien in Pirna; S. 143
  4. Zur Geschichte der Jahn-Orgel

Weblinks

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