Marienkirche (Berlin)

Marienkirche (Berlin)
Die Marienkirche
Blick ins Mittelschiff

Die St. Marienkirche Berlin befindet sich an der Karl-Liebknecht-Straße am Fuße des Fernsehturmes in Berlin-Mitte. Sie ist eine der ältesten noch sakral genutzten Kirchen Berlins, eines von ursprünglich sechs mittelalterlichen Kirchengebäuden im historischen Stadtkern Berlins, im ehemals dicht bebauten Marienviertel.

Inhaltsverzeichnis

Baugeschichte

St. Marienkirche mit Lutherdenkmal 1906
Blick vom Fernsehturm

1292 wurde die Kirche erstmals urkundlich als Pfarrkirche der Berliner Neustadt am „Neuen Markt“ erwähnt – neben der altstädtischen Nikolaikirche. Erbaut wurden die Grundmauern der Marienkirche im 13. Jahrhundert aus Geschieben und Findlingen, über denen eine Hallenkirche aus leuchtend roten Ziegeln im Stil der märkischen Backsteingotik errichtet wurde. Der Turm besteht aus Rüdersdorfer Muschelkalk. Nach Brandschäden wurde der Turmaufbau 1663/66 durch Michael Mathias Smids barock erneuert und 1789/90 durch Carl Gotthard Langhans im neugotischen Stil umgestaltet.

Eine umfassende Restaurierung und Umgestaltung erfolgte 1893/95 durch Hermann Blankenstein, eine weitere nach der Beseitigung von Kriegsschäden 1969/70.

Nachdem 1938 die Nikolaikirche als „Musikdom“ an die Stadt Berlin abgegeben wurde, war die Marienkirche die älteste Predigtstätte Berlins. Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie eine der wenigen Großkirchen, die noch genutzt werden konnten. Heute ist die Marienkirche wieder ein Ort bedeutender kirchlicher Ereignisse, ökumenischer Gottesdienste und kirchenmusikalischer Veranstaltungen.

Nach den Kriegszerstörungen und der großflächigen Umgestaltung des Berliner Stadtkerns im Bereich zwischen der Stadtbahn, der Karl-Liebknecht-Straße, der Rathausstraße und der Spree in den 1960er Jahren befindet sich die Marienkirche gegenwärtig in einer städtebaulich völlig veränderten Situation. Während sie bis 1945 noch den engbebauten Stadtraum am ehemaligen Neuen Markt beherrschte, steht sie nunmehr als Solitärgebäude in einer von vielgeschossigen Neubauten umgebenen großräumigen Freifläche, welche von dem 1969 eröffneten Fernsehturm dominiert wird. Nachdem fast sämtliche Altbauten in ihrer Umgebung beseitigt und der noch aus dem Mittelalter stammende Stadtgrundriss aufgegeben wurde, ist die Marienkirche zusammen mit dem Roten Rathaus heute in diesem Bereich die einzige sichtbare Erinnerung daran, dass man sich im historischen Stadtkern von Berlin befindet.

Der Totentanz

Berliner Totentanz. Unfertige 3D Rekonstruktion, die vom Autor unter Mitwirkung und Beratung von Prof. Dr. Badstübner erstellt wurde

Eines der bedeutendsten, erhaltenen mittelalterlichen Kunstwerke Berlins stellt das Totentanzfresko in der Turmhalle der Kirche dar.

Das 22,6 m lange und 2 m hohe Wandbild zeigt einen Reigen aus geistlichen und weltlichen Ständevertretern, die sich in einem Schreittanz mit jeweils einer Todesgestalt befinden. Die Darstellung geht auf Vorlagen aus vorher entstandenen Totentänzen in Lübeck und möglicherweise auch in Hamburg zurück. Über die Entstehung des Freskos gibt es keine schriftliche Überlieferung. Daher hat man versucht, dem Ursprung mit kriminalistischem Gespür auf den Grund zu gehen. Man kann den Totentanz durch verschiedene Rückschlüsse in etwa auf das Pestjahr 1484 datieren.

Die Besonderheit der Darstellung liegt in ihrer geometrischen Anordnung, die sich vom Westeingang, dann verwinkelt über den Pfeiler, die Westwand und die Nordwand fast in die Kirche hineinzieht. Die geistlichen und weltlichen Ständevertreter werden durch eine Kreuzigungsszene, welche das Zentrum der Darstellung bildet, getrennt. Die dazu gehörigen Textverse stellen die älteste Berliner Dichtung dar. In den Versen beklagen die Ständevertreter ihr Leid und bitten den Tod um einen Aufschub. Die Verse sind in der Sprache des kleinen Mannes gehalten und enthalten ein franziskanisch geprägtes Weltbild, welches sich auch in der Trennung von geistlichen und weltlichen Ständevertretern niederschlägt. Der Reigen selbst wird von einem predigendem Franziskanermöch eröffnet. Daher vermutet man als Künstler, für das vom Berliner Bürgertum in Auftrag gegebene Wandbild, einen Franziskanermönch. Diese Vermutung wird dadurch erhärtet, dass in diesem Zeitraum Bauarbeiten am Grauen Kloster der Franziskaner in Berlin durchgeführt wurden.

Der Totentanz wurde wahrscheinlich in der Reformationszeit mit Kalk übertüncht und erst im Jahr 1861 durch den Hofbaurat Stüler wiederentdeckt. Heute befindet sich das Wandbild in keinem guten Zustand. Durch die Nässe im Mauerwerk ist die Darstellung stark verblasst und wird durch eine Glaswand geschützt.

Glocken

Die Kirche besitzt fünf Glocken: G°-B°-c'-es'-es″. Die vier großen Glocken hängen an gekröpften Jochen.

Weitere Ausstattung

Die Wagner-Orgel in der St. Marienkirche zu Berlin

Gemeinde und Kirche heute

Hauptprediger der Marienkirche ist heute Wolfgang Huber, Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und zugleich Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Die Marienkirche war Hauptkirche der Kirchengemeinde St. Marien, die sich aus den vier ehemaligen Gemeinden um die Nikolai-, die Georgen- sowie die Parochialkirche gebildet hatte. Zum 1. Januar 2006 fusionierte sie mit der „St. Petri-Luisenstadt“-Gemeinde zur „St. Petri - St. Marien“ - Gemeinde. Weiterhin finden in der Marienkriche während des Semesters jeden Sonntag die Universitätsgottesdienste der Humboldt-Universität zu Berlin statt.

Vermessungsgeschichte

Beim Aufbau eines einheitlichen Koordinatensystems für die deutsche Landesvermessung setzte man den Fundamentalpunkt in Rauenberg und nutzte zur Bestimmung des astronomischen Azimuts die Marienkirche. Siehe dazu auch Geodätisches Datum.

Sonstiges

Die Marienkirche war im Mittelalter neben dem Heilig-Geist-Spital einer der beiden Ausgangspunkte des Pilgerwegs von Berlin nach Wilsnack.

Literatur

  • Gustav Leh: Die St.-Marien-Kirche zu Berlin. Ihre Geschichte und ihr Bild. Evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1957.
  • Jürgen Boeckh: Alt-Berliner Stadtkirchen. Bd. 1. (Berliner Reminiszenzen 57). Haude & Spener, Berlin 1986, ISBN 3-7759-0288-0, S. 61–77.
  • Günther Kühne/Elisabeth Stephani: Evangelische Kirchen in Berlin. 2. Aufl.. CZV-Verlag, Berlin 1986, ISBN 3-7674-0158-4, S. 351–353.
  • Marianne Tosetti: St. Marien zu Berlin. Aus 700 Jahren Kirchen-Geschichte. 5. Aufl.. Evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1987, ISBN 3-374-00174-2.
  • Georg Dehio et al.: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler - Berlin. 2. Aufl.. Deutscher Kunstverlag, Berlin 2000, ISBN 3-422-03071-9, S. 34 ff.

Weblinks

52.52064413.4070597Koordinaten: 52° 31′ 14,32″ N, 13° 24′ 25,41″ O


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