Marburger Religionsgespräch

Marburger Religionsgespräch

Das Marburger Religionsgespräch war ein Teil der theologischen Auseinandersetzung zwischen dem lutherischen und reformierten Zweig der Reformation.

Inhaltsverzeichnis

Geschichtlicher Hintergrund

Die Reformatoren ziehen zum Religionsgespräch ein, Wandgemälde in der Alten Aula der Universität Marburg von Peter Janssen der Ältere

Das Marburger Religionsgespräch fand vom 1. bis 4. Oktober 1529 auf Einladung des Landgrafen Philipps des Großmütigen auf dem Marburger Schloss statt. Da auf dem Reichstag zu Speyer 1529 erneut das Wormser Edikt bestätigt worden war, versuchte Philipp von Hessen die Sache der Reformation zu stärken, indem er beide Zweige der Reformation für eine gemeinsame Linie gegen die Altgläubigen und die Habsburger gewinnen wollte. Das aber war nur möglich, wenn sie sich in grundlegenden theologischen Fragen einigten. Insbesondere um die Bedeutung des Abendmahls gab es seit spätestens 1527 einen heftigen Streit zwischen Martin Luther und Ulrich („Huldrych“) Zwingli, der von Seiten Luthers als kirchentrennend angesehen wurde (Abendmahlsstreit). Das Gespräch sollte diesen Streit beilegen.

Inhalt der Diskussion

Marburger Religionsgespräch (kolorierter Holzschnitt 1557)

Neben Luther und Zwingli sowie Philipp Melanchthon und Johannes Oekolampad aus Basel nahmen eine Reihe weiterer Männer weitgehend als Zuhörer teil, u.a. Martin Bucer, Jakob Sturm, Caspar Hedio, Justus Jonas der Ältere, Andreas Osiander, Johannes Brenz und Stephan Agricola.

Das eigentliche Gespräch über die biblischen Grundlagen der Abendmahlslehre wurde an zwei Tagen überwiegend von Luther, Zwingli und Ökolampad bestritten. Trotz kleinerer Annäherungen gelang es aber nicht, die schon zuvor unversöhnlichen Positionen aufeinander zu zu bewegen. Auch ein Vermittlungsversuch Bucers blieb erfolglos. Als das Gespräch gescheitert war, forderte Landgraf Philipp, dass doch wenigstens eine Bestandsaufnahme über die Konsenspunkte aufgestellt werden solle. Ergebnis waren die Marburger Artikel, die Luther auf Grundlage seiner kurz vorher erstellten Schwabacher Artikel ausgearbeitet hatte und Zwingli ergänzte. Sie stellten einen Konsens zwischen den beiden Richtungen in 14 Punkten auf. Darüber hinaus konnte die Ablehnung der altgläubigen Kirche festgestellt werden. Der 15. Artikel beschäftigte sich mit dem Abendmahl. Die unterschiedliche Auffassung vom Wesen des Abendmahls blieb aber unversöhnlich bestehen. Zwar waren beide Seiten gegen die Lehre von der Transsubstantiation und für die Beibehaltung des Laienkelches. Aber für Zwingli war das Abendmahl eine Bekenntnishandlung der Gemeinde, für Luther war Christus beim Abendmahl real gegenwärtig. Damit ging der Abendmahlsstreit weiter. Beide Parteien sahen keine Möglichkeit, sich zu einigen. Sie gingen in diesem Dissens auseinander und hofften auf gegenseitiges Verständnis und die Hilfe Gottes für das richtige Verständnis des Abendmahls. Der Legende nach soll Luther, als das Scheitern der Gespräche fest stand, mit einem Messer das Tischtuch zwischen sich und Zwingli zerschnitten haben.

Das Marburger Religionsgespräch war das erste einer Reihe von vielen lutherisch-reformierten Abendmahlsgesprächen.

Nachwirkungen

Religionsgespräch (von August Noack)

Das Religionsgespräch gilt als der Zeitpunkt, seit dem die lutherische und die schweizerische (reformierte) Reformation endgültig getrennt sind. Damit blieb den Schweizer protestantischen Kantonen der Beitritt zum 1531 gegründeten Schmalkaldischen Bund der evangelischen Territorien Deutschlands verwehrt. Zwar gab es über die Jahrhunderte immer wieder neue Versuche der Annäherung, doch erst die Leuenberger Konkordie von 1973 brachte eine Überwindung der gegenseitigen Lehrverurteilungen in der Abendmahlslehre und machte den Weg zur Kirchengemeinschaft frei. In den späteren lutherisch-reformierten Gesprächen spielten weder die Marburger Artikel noch die Gegenstände des eigentlichen Gesprächs eine größere Rolle. Zwar stand die erste Gesprächsrunde zwischen lutherischen und reformierten Theologen in den USA 1962-1966 unter dem Thema "Marburg Revisited", doch wurde auch hier ein viel größeres Themenspektrum behandelt.

Der Einzug der Reformatoren ist auf den Wandgemälden der alten Aula der Philipps-Universität Marburg dargestellt. Daneben gibt es Werke verschiedener Künstler, etwa des hessischen Historienmalers August Noack, die sich mit dem Thema befassen. Im Landgrafenschloss befindet sich ein Gemälde von der Sitzung.

Weblinks

 Commons: Marburger Religionsgespräche – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur

  • Walther Köhler: Zwingli und Luther. Ihr Streit über das Abendmahl nach seinen politischen und religiösen Beziehungen. 2 Bde., 1924/1953
  • Walther Köhler: Das Marburger Religionsgespräch 1529. Versuch einer Rekonstruktion, Leipzig 1929
  • Paul C. Empie; James I. McCord (Hrsg.): Marburg Revisited. A Reexamination of Lutheran and Reformed Traditions, Minneapolis 1966
  • Gerhard May (Hrsg.): Das Marburger Religionsgespräch 1529 (= Texte zur Kirchen- und Theologiegeschichte, 13), Gütersloh 1970
  • Gerhard May: Marburger Religionsgespräch. In: Theologische Realenzyklopädie (TRE). Band 22, de Gruyter, Berlin/New York 1992, ISBN 3-11-013463-2, S. 75–79.
  • Holger Thomas Gräf und Andreas Tacke (Hrsg.): Preußen in Marburg. Peter Janssens historische Gemäldezyklen in der Universitätsaula (= Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 140), Darmstadt/Marburg 2004, ISBN 3-88443-094-7

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