Manufaktur

Manufaktur

Eine Manufaktur (von lat. manus – Hand, lat. facere – erbauen, tun, machen, herstellen) ist ein Betrieb im Übergangsstadium vom Handwerk zur Fabrik. Manufakturen entstanden in Europa in der Frühen Neuzeit sowohl privat als auch staatlich.

Sächsische Porzellanmanufaktur

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Eine Manufaktur entsteht auf verschiedene Art und Weise.

  1. Die Zusammenfassung verschiedener Handwerke zu einem Arbeitshaus. Zuvor dezentral eigenständige Berufsstände arbeiten nunmehr zentral unter einem Dach. Beispielsweise arbeiten Drechsler, Schlosser, Vergolder und andere Zünftler gemeinsam in einer Kutschenmanufaktur zusammen und haben eine gemeinsame Zielvorstellung.
  2. Die Zergliederung eines Handwerks. Vielfältige Tätigkeiten eines Berufsstandes werden durch hochspezialisierte Teilarbeiter nach der Zergliederung in Einzelschritten verrichtet. Beispielsweise verlegte das Königliche Lagerhaus Spinner und Weber, was auch als Prototyp einer zentralisierten Manufaktur angesehen wurde.

Zusammenfassung und Zergliederung bilden die Arbeitsteilung ab und führen zu allgemeiner Steigerung der Produktivität. Technischer Fortschritt geht zwar mit der Arbeitsteilung einher, äußert sich jedoch vorwiegend in der Herstellung neuartiger Werkzeuge und der Verfeinerung vorhandener. Er überwindet den durchweg handwerklichen Charakter der Produktion in Manufakturen nicht.

Die Wirtschaftslehre des frühen Merkantilismus maß den Reichtum einer Volkswirtschaft an der Ausstattung mit finanziellen Mitteln (Gold). Um den Reichtum des Staates zu mehren, wurden Fürsten angeleitet, Einfuhren von (teuren) Fertigerzeugnissen zu verringern, stattdessen Ausfuhren eigener Erzeugnisse zu fördern und so eine positive Zahlungsbilanz zu erzielen.

Um diese Ziele zu erreichen, wurden Manufakturen errichtet. Diese waren durch ökonomische Prinzipien des Kapitalismus, etwa die Trennung der Arbeiter vom Besitz der Produktionsmittel und die unter dem Augenmerk einer Effizienzsteigerung durchgeführte Neuorganisation von Arbeitsabläufen, gekennzeichnet. Diese neuen Manufakturen sollten die Produktion eigener Fertigprodukte deutlich steigern und dabei die Kosten gleichzeitig reduzieren. Diese Prinzipien, die mit der Industrialisierung später vom gesamten Wirtschaftsleben Besitz ergreifen, werden als Manufakturkapitalismus bezeichnet. Neben der Reform des Produktionsprozesses wurden gesetzliche Regelungen erlassen, die den Export von Gütern förderten, die Einfuhr von fremden Fertigprodukten jedoch behinderten. Letzteres geschah beispielsweise durch die Erhebung hoher Einfuhrzölle oder den gesetzlichen Zwang, nur im Inland produzierte Güter zu konsumieren. Zur weiteren Kostensenkung wurden darüber hinaus häufig Waisenkinder und Bettler zur Arbeit in den Manufakturen gezwungen. Zu diesem Zweck wurden beispielsweise Waisenhäuser mit angegliederter Spinnereimanufaktur errichtet.

In Manufakturen wurden die unterschiedlichsten Produkte hergestellt. Zum Beispiel entstanden in Preußen, besonders in und um Berlin, im 17. und 18. Jahrhundert Manufakturen zur Fertigung von Porzellan, Seide, Gobelins, Lederwaren, Spielkarten, Uhren, Tapeten, Waffen, Papier und anderen Waren. Eine Besonderheit waren Blumenmanufakturen, in denen nach einem italienischen Herstellungsverfahren Seidenblumen und Kunstblumen als modische Accessoires produziert wurden.

Kritik

Manufakturen führen zu höherer Produktivität, bringen jedoch auch Nachteile für die Handwerker und Arbeiter mit sich. Wenngleich zunächst nur in geringem Umfange, schafft die Manufakturperiode erstmals eine Hierarchie unter den Arbeitern: Einfache Anlerntätigkeiten werden gering entlohnt; Tätigkeiten, die Weiterbildung und Spezialisierung verlangen, werden hingegen höher entlohnt.

  • Die wiederholte Ausführung einfacher Detailarbeit belastet bestimmte Körperteile einseitig und führt zu Krankheiten.
  • Monotone Arbeiten werden als intellektuelle Unterforderung wahrgenommen.
  • Viele manuelle Arbeiten erfordern wenig Kenntnis, arbeitswillige weniger qualifizierte Kräfte rücken so zu Niedriglöhnen nach und können leichter ausgebeutet werden.

In seinem Hauptwerk Wealth of Nations stellt der Nationalökonom Adam Smith diese nachteiligen Effekte für Teilarbeiter in Manufakturen dar: „Sie zerstört selbst die Energie seines Körpers und verunfähigt ihn, seine Kraft schwunghaft und ausdauernd anzuwenden, außer in der Detailbeschäftigung, wozu er herangezogen ist.“

Der moderne Begriff

Der Begriff Manufaktur im Sinne von Handfertigung wird heute verbunden mit hoher Qualität, Luxusgegenständen und Exklusivität und wird deshalb gerne für hochpreisige Waren eingesetzt.

Eine Uhrenmanufaktur bezeichnet einen unabhängigen Betrieb, der eigene Uhrwerke entwickelt, herstellt und weitgehend auf Zulieferer verzichtet. Die Herstellung von Armbanduhren teilt sich in viele Arbeitsschritte, besonders Montage und Justage des Uhrwerkes betreffend, sodass angesichts manueller, filigraner Arbeit der wörtliche Sinn über Manufaktur erfasst ist.

Um dem werblichen Missbrauch des Begriffes Manufaktur entgegenzutreten, haben sich viele deutsche Manufakturen im Verein Deutsche Manufakturen e. V. organisiert bzw. nehmen an dessen Foren teil. Ziel ist die Stärkung des Verbraucherschutzes in Sachen Manufaktur: Unternehmen, die sich Manufaktur nennen, sollen sich verpflichten, ihre Waren auch tatsächlich mit einem hohen Handarbeits-Anteil selbst herzustellen.

Literatur

Siehe auch

Wiktionary Wiktionary: Manufaktur – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

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