Malchus von Philadelphia

Malchus von Philadelphia

Malchus von Philadelphia (auch Malchos genannt) war ein spätantiker Historiker, der im späten 5. Jahrhundert lebte.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Über das Leben des Malchus ist nur wenig bekannt. Der Name ist semitischen Ursprungs. Er stammte vermutlich aus Syrien - am wahrscheinlichsten aus Philadelphia in der römischen Provinz Arabia, dem heutigen Amman in Jordanien - und hat offenbar längere Zeit in Konstantinopel gelebt, denn er schreibt aus hauptstädtischer Perspektive. Ob er Heide oder Christ war, ist unklar, aus den Fragmenten seines Geschichtswerks geht diesbezüglich auch nichts eindeutig hervor.[1] Offenbar war er in Konstantinopel als Rhetorikredner und Sophist tätig und stand senatorischen Kreisen nahe.

Malchus verfasste in altgriechischer Sprache ein Geschichtswerk, dessen genaue Länge und behandelter Zeitraum aber nicht ganz klar sind. Bereits den byzantinischen Autoren, denen wir die Zitate und Exzerpte des ansonsten verlorenen Werks verdanken, lag nur noch jener Teil vor, der die Jahre 473 bis 480 behandelte und sieben Bücher umfasste, wie aus dem Auszug des Photios hervorgeht. Photios selbst war bereits klar, dass Malchus andere Bücher zuvor verfasst hatte und anscheinend auch plante, sein Werk fortzusetzen. Womöglich handelt es sich bei den Byzantiaka des Malchus (so wohl der authentische Titel) um die Fortsetzung eines umfassenderen Werkes, das mit Konstantin begann; dies wurde gelegentlich aufgrund eines Eintrags in der Suda vermutet, einem mittelbyzantinischen Lexikon.[2] Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Malchus nur ein Werk verfasste und damit vielleicht das Geschichtswerk des Priskos fortsetzte, zumal detailliertere Darstellungen eines kürzen Zeitraums im 5. Jahrhundert nicht ungewöhnlich waren: Olympiodoros von Theben, Priskos und auch Candidus verfuhren ebenso.[3] Warren Treadgold geht von einem Werk in drei Teilen aus: Eine Epitome früherer Geschichtswerke, die mit Konstantin begann und bis 473/74 reichte, sowie zwei zeitgeschichtliche Teile, von denen der zweite Teil Photios vorlag; der dritte Teil habe dann bis ins Jahr 491 gereicht.[4]

Von Malchus’ Werk sind uns jedenfalls nur Fragmente bei späteren Autoren erhalten geblieben, die aber teils wichtige Informationen enthalten: So etwa über die diplomatischen Kontakte zwischen Ostrom und Odoaker sowie über die Anfänge Theoderichs.[5] Von herausragender Bedeutung ist sein Bericht über die Ereignisse von 476, als Odoaker nach der Absetzung des weströmischen Kaisers Romulus Augustulus eine Gesandtschaft zum oströmischen Kaiser Zeno schickte, die erklärte, der Westen bedürfe nun keines eigenen Kaisers mehr und unterstelle sich Konstantinopel. Malchus schilderte die außen- wie innenpolitische Ereignisse wohl insgesamt recht detailliert. Gegenüber Kaiser Zenon und den Isauriern war er feindlich eingestellt, wobei er Zenon im Unterschied zu dessen Vorgänger Leo aber zumindest gute Absichten zusprach - vielleicht, weil Zenons Witwe Ariadne zur Abfassungszeit des Werkes noch lebte und als Gattin des aktuellen Kaisers Anastasius durchaus über Einfluss verfügte.

Über Malchus’ Quellen ist uns nichts bekannt, obwohl er anscheinend gut informiert war. Er scheint über gute Kenntnisse sowohl des (zur Zeit der Abfassung seines Werks) untergegangen Westreichs als auch über das Ostreich verfügt zu haben; ob aus eigenen Erfahrungen oder aufgrund von mündlichen bzw. schriftlichen Quellen, ist unbekannt.[6] Sprachlich orientierte er sich an den klassischen Autoren; noch von dem byzantinischen Patriarchen und Gelehrten Photios wird seine klare und elegante Sprache gelobt. Auch in der modernen Forschung, die das Werk allerdings lange Zeit eher am Rande beachtet hat, genießt er einen durchaus guten Ruf.[7]

Ausgaben und Übersetzungen

  • Roger C. Blockley: The Fragmentary Classicising Historians of the Later Roman Empire. Bd. 1, Liverpool 1981, S. 71ff. (Einleitung); Bd. 2, Liverpool 1983, S. 402–455 (Text mit englischer Übersetzung).

Literatur

  • Barry Baldwin: Malchus of Philadelphia. In: Dumbarton Oaks Papers 31, 1977, S. 91–107.
  • Roger Blockley: The Development of Greek Historiography: Priscus, Malchus, Candidus. In: G. Marasco (Hrsg.): Greek and Roman Historiography in Late Antiquity. Fourth to Sixth Century A. D. Leiden/Boston 2003, S. 289–315.
  • Robert Malcolm Errington: Malchos von Philadelphia, Kaiser Zenon und die zwei Theoderiche. In: Museum Helveticum 40, 1983, S. 82–110.
  • Warren Treadgold: The early Byzantine Historians. Basingstoke 2007, S. 103–107.
  • Hans-Ulrich Wiemer: Kaiserkritik und Gotenbild im Geschichtswerk des Malchos von Philadelphia. In: Hartmut Leppin u. a. (Hrsg.): Jenseits der Grenzen. Beiträge zur spätantiken und frühmittelalterlichen Geschichtsschreibung. Berlin/New York 2009, S. 25–60.

Anmerkungen

  1. Vgl. dazu Baldwin, Malchus, S. 92 und 94–96 (zur Frage seiner Religion).
  2. Siehe dazu Baldwin, Malchus, S. 97f.
  3. Vgl. auch Baldwin, Malchus, S. 96ff.
  4. Treadgold, Byzantine Historians, S. 104.
  5. Vgl. auch Errington, Malchos von Philadelphia, S. 95ff.
  6. Baldwin, Malchus, S. 93.
  7. Baldwin, Malchus, S. 107: „The surviving fragments make one wish for more. That cannot be said of all late Greek historians.

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