Magnetostratigraphie

Magnetostratigraphie

Die Magnetostratigraphie, auch magnetische Stratigraphie ist in der Erdgeschichte ein Teilgebiet der Stratigraphie, das sich mit dauerhaft magnetisierten Gesteinseinheiten und deren zeitlicher Abfolge befasst. Sie basiert auf den Wechseln der Polarität des Erdmagnetfelds (umgangssprachlich Polsprung), die sich in der Erdgeschichte sehr häufig ereignet haben. Die Methode ist allerdings nur in Kombination mit anderen Methoden der Stratigraphie sinnvoll (z. B. der Biostratigraphie), kann dann allerdings eine noch feinere Auflösung als die Biostratigraphie allein erreichen. Das Ergebnis ist eine Polaritäts-Zeit-Skala, die die Polaritätswechsel im Erdmagnetfeld in einer zeitlichen Abfolge darstellt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der Nachweis der Umkehr des Erdmagnetfeldes aus paläomagnetischen Messungen gelang erstmals Bernard Brunhes vom Observatorium des Puy de Dome im Jahre 1905.

In den 1950er Jahren fanden Keith Runcorn, Edward A. Irving, P. M. S. Blackett und andere aus der paläomagnetischen Rekonstruktion der Polwanderung Hinweise auf die Kontinentalverschiebung. Während der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurden die Ozeane der Erde erstmals intensiv untersucht. Die Messung des Magnetfeldes in den überwiegend basaltischen Gesteinen des Ozeanbodens ergab ein Muster von unterschiedlich breiten Streifen, das parallel zu den Mittelozeanischen Rücken verlief. Die Streifen wiesen abwechselnd eine jeweils unterschiedliche Polarität auf, und lieferten damit den Beweis einer vielfachen Umkehrung des Erdmagnetfeldes während der letzten 150 Millionen Jahre der Erdgeschichte (s. auch Plattentektonik). Diese Wechsel in der Polarität wurden mit verfeinerten Methoden später auch in Sedimenten gefunden.

Grundlagen der Methodik

Im Wesentlichen können vier paläomagnetische Phänomene durch die Methode erfasst werden: die Polarität des damaligen Magnetfeldes, die Position der beiden Pole des magnetischen Dipols (die Hinweise gibt auf die scheinbaren Polwanderungen), die Nicht-Dipol-Komponente des Magnetfelds (Säkulare Variation) und die Intensität des magnetischen Feldes. Im Wesentlichen werden nur die Wechsel der Magnetopolarität für die Stratigraphie und damit für die relative Altersdatierung benutzt.

Messbar ist die Fixierung der Ausrichtung des Magnetfeldes (remanente Magnetisierung) vor allem durch ferromagnetische Mineralien (zumeist Magnetit) in magmatischen Gesteinen, die während der Abkühlung ihren Curie-Punkt unterschreiten und dauerhaft magnetisch werden (thermoremanenter Magnetismus). Diese Art der Magnetisierung betrifft z. B. Basalte, die besonders häufig in der ozeanischen Erdkruste vorkommen. Auch Sedimente können das Magnetfeld, das zum Zeitpunkt ihrer Entstehung vorhanden war, erhalten, indem sich magnetisierbare Minerale bei der Ablagerung der Sedimente nach dem vorherrschenden Magnetfeld orientieren. Diese Magnetisierung ist schwächer als die magmatischer Gesteine, und ihre Entstehung ist an bestimmte Bedingungen gebunden. Je feinkörniger das Sediment ist, desto günstiger sind die Bedingungen für eine messbare Magnetisierung (Sedimentationsremanenz). Darüber hinaus kann biologische Aktivität die Sedimentationsremanenz verstärken. Einige anaerobe oder mikroaerophile Bakterien (verschiedene Gruppen) besitzen eisenreiche membranumschlossene Strukturen im Cytoplasma, das sog. Magnetosom. Die Magnetosomen bestehen aus kleinen Magnetit- (FeIII2FeIIO4) oder seltener Greigitkristallen (FeIII2FeIIS4), die von einer doppelten Lipidschicht umgeben sind. Das Magnetosom enthält bis zu einhundert Magnetitkristalle (Größe um 0,1 μm), die jeweils als kleine Dauermagnete wirken. Diese Magnetitkristalle sind meist in Ketten angeordnet, die die Wirkung der kleinen Dauermagnete addieren und das Bakterium wie eine Kompaßnadel im Magnetfeld ausrichten (Magnetotaxis). Nach dem Absterben der Bakterien bleiben die Ketten von magnetisch ausgerichteten Magnetikristallen erhalten und dokumentieren nach der Fixierung durch die Verfestigung der Sedimente das Magnetfeld zu einer bestimmten Zeit in der Erdgeschichte .

Eine Fehlerquelle bei der Rekonstruktion des Magnetfeldes in Sedimenten stellt die Diagenese dar. Magnetische Minerale wie Magnetit oder Hämatit können im Verlauf der Diagenese neu gebildet werden und das Paläomagnetfeld zum Zeitpunkt der Diagenese konservieren. Ganze Regionen können auf diese Weise re-magnetisiert werden und zeigen nicht mehr die Magnetisierung zur Zeit der Ablagerung (oder Verfestigung), sondern zum Zeitpunkt der Remagnetisierung an. Auch eine erneute Erhitzung des Gesteins über den Curie-Punkt (thermische Metamorphose) und eine folgende Abkühlung fixiert den Einfluss des Erdmagnetfelds neu.

Einheiten der Magnetostratigraphie

In der Magnetostratigraphie wird die Vorsilbe ‚Magneto-‘ benutzt, um alle Aspekte der remanenten Magnetisierung zu beschreiben (z. B. ‚Magnetointensität‘, ‚Magnetopolarität‘ etc.). In der Magnetostratigraphie werden derzeit nur die häufigen Wechsel der Polarität des Magnetfeldes für die Stratigraphie und damit für die relative Altersdatierung benutzt. Die heutige Ausrichtung des Erdmagnetfeldes wird als normal bezeichnet, die umgekehrte Ausrichtung als revers. Die chronologische Abfolge der messbaren Magnetfeldumkehrungen kann bei lückenloser Dokumentation im Sediment Hinweise auf das relative Alter liefern.

Jede Einheit der Magnetopolarität ist ein Gesteinskörper, der durch eine bestimmte remanente Polarität von einem anderen Gesteinskörper mit unterschiedlicher Polarität unterschieden ist. Für jede Einheit muss ein Stratotyp bestimmt werden; wie lange das Intervall dauert, braucht nicht in der Definition enthalten sein. Für die Korrelation der Einheiten mit anderen stratigraphischen Zeitskalen sind jedoch biostratigraphische oder geochronologische Daten notwendig. Die Ober- und Untergrenzen einer Einheit sind durch Wechsel der Magnetopolarität im Gestein markiert. Diese Wechsel können durch einen tatsächlichen im Sediment dokumentierten Wechsel in der Polarität des Erdmagnetfeldes bedingt sein, oder durch Ablagerungslücken, während derer eine oder mehrere Umkehrereignisse stattfanden.

Die Grundeinheit der Magnetostratigraphie ist die ‚Polaritätszone‘. Wenn Verwechslungen mit anderen Anwendungen der Polarität möglich sind, wird empfohlen, den Begriff ‚Magnetopolaritätszone‘ zu verwenden. Sollte bei weiteren genaueren Untersuchungen eine weitere formale Untergliederung möglich sein, kann diese als ‚Polaritäts-Subzone‘ bezeichnet werden. Mehrere Polaritäts-Zonen können in ‚Polaritäts-Superzonen‘ gruppiert werden. Der Rang einer Polaritätszone kann auch geändert werden, sollte sich dies als notwendig erweisen. Der Name für ein formale definierte Magnetopolaritätszone sollte aus einem geografischen Namen und dem Zusatz ‚Polaritätszone‘ zusammengesetzt sein.

Die magnetostratigraphische Zeitskala

Geomagnetische Polarität im Oberen Känozoikum

Die Globale Magnetopolaritäts-Zeitskala (Global Magnetic Polarity Time Scale, abgekürzt GMPTS) reicht heute bis in den Jura zurück. Die Polaritätszonen (Anomalien) werden im Känozoikum einschließlich der Oberkreide und dann wieder ab der Unterkreide separat gezählt und mit Buchstaben versehen (s.u.). Die Zählrichtung ist zeitlich rückwärts, die jüngste Zone trägt also die Nummer 1.

Die Polaritätszonen des Känozoikums werden mit dem Buchstaben ‚C‘ versehen (von engl. Cenozoic). Sie beginnen mit der C1-Anomalie der Jetzt-Zeit und enden mit der C34-Anomalie in der Kreide, und bestehen immer aus einem jüngeren Anteil überwiegend normaler Polarität und einem älteren Anteil mit überwiegend reverser Polarität.[1] Die beiden Anteile können unterschiedlich lang sein. Die jüngsten vier Polaritätszonen erhielten Eigennamen: Brunhes (nach Bernard Brunhes benannt, überwiegend normal), Matuyama (nach Motonori Matuyama benannt, überwiegend revers), Gauß oder Gauss (nach Carl Friedrich Gauß benannt, überwiegend normal) und Gilbert (nach William Gilbert benannt, überwiegend revers). Die Brunhes-Umkehr (von revers zu normal) ereignete sich vor 780.000 Jahren. Allerdings gab es seit dieser Umkehrung eine Reihe weiterer kurzzeitiger Polaritätsumkehrungen von normal zu revers, die ebenfalls mit Namen bezeichnet werden.

Die „M-Anomalien“ beginnen mit der M0-Anomalie im Unteren Aptium, wobei das ‚M‘ für Mesozoikum steht. Die M-Anomalien werden zurück in die Erdgeschichte bis M 41 gezählt; letztere Anomalie wird in das Bathonium datiert. Die C34 und M0-Anomalien stellen eine Besonderheit dar. Die C34-Anomalie wird auch als „Cretaceous Magnetic Quiet Zone“ (Kretazische magnetisch ruhige Zone) bezeichnet. Dies ist eine annähernd 41 Millionen Jahre andauernde Periode (von etwa 83,5 bis 124,5 Ma) von überwiegend normaler Polarität. Der strikt genommen dazu gehörende Anteil mit reverser Polarität ist die M0-Anomalie. In der Zwischenzeit wurden aber drei sehr kurzzeitige Zeitabschnitte mit reverser Polarität auch in der C34-Anomalie gefunden, zwei Ereignisse im Albium und ein Ereignis im mittleren Abschnitt des Aptiums. Die M-Anomalien sind bis zu M25 (Kimmeridgium) noch relativ deutlich ausgebildet, die Anomalien M26 bis M41 sind dagegen von sehr raschen Wechseln in der Polarität gekennzeichnet. Ihre normalen Anteile enthalten viele kurzzeitige Umkehrungen zu reverser Polarität, und die reversen Anteile viele kurzzeitige normale Polaritäten.

An der Erweiterung der Globalen Magnetopolaritäts-Zeitskala zurück bis in das Paläozoikum wird derzeit intensiv gearbeitet.

Geochronologische Phasen der Magnetostratigraphischen Zeitskala

Je nach Stärke und Dauer kann die magnetostratigraphische Zeitskala in verschiedene Phasen unterteilt werden. Dazu zählen die sogenannten Chrons (früher Epochen) mit einer Dauer von 100.000 bis 1.000.000 Jahren, z. B. das Gauss-Chron, die Subchrons (früher Ereignisse) mit einer Dauer von durchschnittlich bis zu 100.000 Jahren, z. B. das Laschamp-Ereignis sowie die Polaritätsexkursionen, mit einer Dauer von weniger als 1.000 Jahren.

Andere Anwendungen der Magnetostratigraphie in der Stratigraphie

Neben den Umkehrungen des früheren Magnetfeldes (Paläomagnetfeld) kann auch die Richtung des Paläomagnetfeldes gemessen werden, z. B. um einen Polwanderpfad zu erstellen, der die Drift der Kontinentalplatten im Rahmen der Plattentektonik darstellt. Mit zunehmender Datendichte kann u.U. die Polwanderkurve dann auch zur Korrelation von präkambrischen Gesteinen benutzt werden.

Literatur

  • North American Commission on Stratigraphic Nomenclature (NACSM): North American stratigraphic code. American Association of Petroleum Geologists Bulletin, 67: 841–875, Tulsa, Oklahoma 1983 ISSN 0149-1423 PDF
  • Dirk Schüler und R. B. Frankel: Bacterial magnetosomes: microbiology, biomineralization and biotechnological applications. Applied microbiology and biotechnology, 52: 464–473, Berlin & Heidelberg 1999 ISSN 0175-7598

Einzelnachweise

  1. James G. Ogg: Magnetic Polarity Time Scale of the Phanerozoic. In: Thomas J. Ahrens (Hrsg.): Global earth physics a handbook of physical constants. AGU reference shelf Series. 1, American Geophysical Union, Washington, DC 1995, ISBN 0-87590-851-9, S. 240.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Magnetostratigraphie — Magnétostratigraphie La magnétostratigraphie est une approche stratigraphique basée sur la reconnaissance de magnétozones, des ensembles sédimentaires diachrones portant un signal paléomagnétique. Le champ magnétique terrestre connaît des… …   Wikipédia en Français

  • magnétostratigraphie — ● magnétostratigraphie nom féminin Branche de la stratigraphie basée sur l étude des irrégularités du magnétisme terrestre au cours du temps …   Encyclopédie Universelle

  • Magnétostratigraphie — La magnétostratigraphie est une approche stratigraphique basée sur la reconnaissance de magnétozones, des ensembles sédimentaires diachrones portant un signal paléomagnétique. Le champ magnétique terrestre connaît des inversions de polarité plus… …   Wikipédia en Français

  • Magnetostratigrafie — Normale und reverse geomagnetische Polarität von heute bis 160 Millionen vor heute Die Magnetostratigraphie, auch magnetische Stratigraphie ist in der Erdgeschichte ein Teilgebiet der Stratigraphie, das sich mit dauerhaft magnetisierten… …   Deutsch Wikipedia

  • Coniac — System Serie Stufe ≈ Alter (mya) höher höher höher jünger Kreide Oberkreide …   Deutsch Wikipedia

  • Alter (Geologie) — Synopsis der korrespondierenden Einheiten in der Chronostratigraphie und Geochronologie Chronostratigraphie Geochronologie Äonothem Äon Ärathem Ära System Periode Serie …   Deutsch Wikipedia

  • Bartonium — System Serie Stufe ≈ Alter (mya) höher höher höher jünger Paläogen Oligozän Chattium 28,4–23,0 …   Deutsch Wikipedia

  • Chixulub — Der Chicxulub Krater nach Messungen der Schwereanomalie …   Deutsch Wikipedia

  • Coniacium — System Serie Stufe ≈ Alter (mya) höher höher höher jünger Kreide Oberkreide Maastrichtium 70 …   Deutsch Wikipedia

  • Datierungsmethoden — Bei der Altersbestimmung von archäologischen Funden gibt es verschiedene Datierungsmethoden, die man in zwei große Gruppen unterteilen kann, relative und absolute Altersbestimmung. Inhaltsverzeichnis 1 Relative Datierungsmethoden 1.1 Relative… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”