Lutz Rathenow

Lutz Rathenow

Lutz Rathenow (* 22. September 1952 in Jena) ist ein deutscher Lyriker und Prosaautor. Seit März 2011 ist er Sächsischer Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Nach dem Wehrdienst in der NVA begann Rathenow an der Universität Jena ein Studium als Lehrer für Deutsch und Geschichte. Dort gründete und leitete er den oppositionellen Arbeitskreis Literatur und Lyrik Jena. Dieser wurde 1975 von den Kulturfunktionären und im Hintergrund vom Ministerium für Staatssicherheit („OV Pegasus“) verboten. Nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976 wurde er verhaftet und Anfang 1977, drei Monate vor dem Examen, wegen „Zweifeln an Grundpositionen, Objektivismus und Intellektualisieren der Probleme“ exmatrikuliert.

Danach arbeitete er als Beifahrer und Transportarbeiter beim VEB Carl Zeiss Jena. Ende 1977 folgte er seiner Frau nach (Ost-)Berlin, wo er beim Theater arbeitete und als freier Schriftsteller lebte.

Nach der Veröffentlichung seines Buches „Mit dem Schlimmsten wurde schon gerechnet“ in der Bundesrepublik Deutschland 1980 wurde Rathenow einer Hausdurchsuchung unterworfen, erneut verhaftet und in das zentrale Untersuchungsgefängnis der DDR-Staatssicherheit verbracht. Unter anderem setzten sich Christa Wolf[1] und Günter Grass für seine zehn Tage später erfolgende Haftentlassung ein. Er blieb in der DDR und lehnte Ausreiseangebote der DDR-Behörden ab. Er war aktiv in der unabhängigen Friedens- und Bürgerrechtsbewegung, u.a. mit Bärbel Bohley und Gerd Poppe in der Initiative Frieden und Menschenrechte. Er hielt engen, oft konspirativen Kontakt zu Jürgen Fuchs im Westteil der Stadt. Dies machte es dem MfS schwer, ihn erneut zu verhaften.

Nach der friedlichen Revolution in der DDR wurde ihm im Januar 1992 zusammen mit der formellen Rehabilitierung von der Jenaer Friedrich-Schiller-Universität nachträglich das Abschlussdiplom verliehen.

Rathenows spezielle Liebe gilt dem Kinderbuch. Daneben arbeitet er als Rundfunkkolumnist, Kinderbuchautor, Essayist, auch zu literaturfernen Themen. Insbesondere die Friedrich-Naumann-Stiftung organisiert zahlreiche Lesungen mit Lutz Rathenow. Für die Stiftung arbeitet er auch als Redakteur der Zeitschrift „liberal“. Meist halbjährlich organisiert er das Seminar „Schreiben, was im Kopf steckt“.

Lutz Rathenow schrieb regelmäßig als freier Mitarbeiter für die Wochenzeitung Rheinischer Merkur.

Im März 2011 wurde er vom sächsischen Justizminister Jürgen Martens (FDP) als Nachfolger von Michael Beleites als Sächsischer Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen nominiert.[2] Die Bestätigung durch den Sächsischen Landtag erfolgte am 23. März 2011.[3]

Lutz Rathenow ist verheiratet und hat zwei Söhne.

Auszeichnungen

Zitat

„Die Mauer wird immer normaler. Und immer anmaßender, unerträglicher. Eine Diskussion über sie findet kaum mehr statt. Wer heute aufwächst, akzeptiert sie widerstandslos oder lehnt sie rigoros ab. Letzterer zeigt sich auch nicht bereit, über einige handfeste Gründe ihrer Entstehung nachzudenken. (...) Repräsentation unseres Staates durch diesen „antifaschistischen Schutzwall“ sollte nicht seine Aufgabe sein. Das wird sich ändern. Die Zeichen der Zeit stehen auf Verschönerung mindestens der Statistik. Bald rasen gut verriegelte DDR-Busse zu Vier-Stunden-Fahrten durch Berlin/West. Vielleicht gibt es bei einem Freundschaftstreff mit einer SEW-Ortsgruppe sogar eine Verschnaufpause.“

Lutz Rathenow im Jahre 1988: Die Zukunft der Mauer [4]

„Keine Akte zu haben könnte auf lange Sicht zum größeren gesellschaftlichen Problem werden. Trostloser kann ein Bürger nicht vorgeführt bekommen, wie weit er unter den Möglichkeiten innerhalb des Staates blieb.“

Lutz Rathenow in Das Puzzle von der geheimen Macht, Seite 64, ISBN 9783499196133

Werke

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Monsieur, wir finden uns wieder. Briefe 1968 - 1984. Aufbau-Verlag, 1995, ISBN 3351023308, Seite 114-116.
  2. Entscheidung: Lutz Rathenow soll sächsischer Stasi-Beauftragter werden.
  3. http://www.focus.de/politik/weitere-meldungen/sachsen-lutz-rathenow-neuer-stasi-beauftragter_aid_611580.html
  4. In: Junge Freiheit 1/1988
  5. siehe die Webseiten der Literarischen Gesellschaft Thüringen und der Edition Muschelkalk

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