Ludwig von Estorff

Ludwig von Estorff
Ludwig von Estorff in der Uniform der Schutztruppe, ca. 1905
Ludwig von Estorff in Deutsch-Südwestafrika, 1906

Ludwig von Estorff (* 24. Dezember 1859 in Hannover; † 5. Oktober 1943 in Uelzen) war ein deutscher Offizier, zuletzt General der Infanterie sowie von 1907 bis 1911 Kommandeur der Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika und Divisions-Kommandeur in Ersten Weltkrieg.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Estorff besuchte die Selekta der Hauptkadettenanstalt in Groß-Lichterfelde bei Berlin und begann Anfang 1878 seine Offizierslaufbahn im Infanterie-Regiment „Graf Bose“ (1. Thüringisches) Nr. 31. Dort erfolgte am 13. Dezember 1887 seine Beförderung zum Premierleutnant. Ab 1. Oktober wurde er zur Preußischen Kriegsakademie kommandiert. Dort verblieb er bis zu seiner Versetzung in den Großen Generalstab am 29. März 1892. Gleichzeitig übernahm er am 14. September 1893 als Hauptmann (seit 14. September) und Chef eine Kompanie in seinem Stammregiment, ehe er am 17. Oktober desselben Jahres von seinem Kommando im Großen Generalstab entbunden wurde.

Am 31. Mai 1894 erfolgte seine Versetzung zur Schutztruppe von Deutsch-Südwestafrika. Dort wurde er ab 4. Juni 1894 bis 9. Juli 1899 als Kompaniechef eingesetzt. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland kam er ab 13. September 1899 zunächst wieder in den Großen Generalstab, wurde dort am 27. Januar 1900 zum Major befördert und am 18. April desselben Jahres zum Oberkommando der Kolonialschutztruppe versetzt. Von dort kam er am 9. Juni 1900 zunächst zur Schutztruppe nach Deutsch-Ostafrika und am 12. März 1901 nach Deutsch-Südwestafrika. Man beauftragte Ihn am 6. Februar 1902 mit der Stellvertretung des Kommandeurs der dortigen Schutztruppe.

Am 25. Juni 1904 erfolgte seine Ernennung zum Bataillons-Kommandeur im 1. Feld-Regiment. Als solcher nahm er im August 1904 an der Schlacht am Waterberg teil. Im Krieg gegen die Hereros führte Estorff eine der drei Hauptabteilungen der Schutztruppe, die Westabteilung, zu der die 2. und 4. Feldkompanie, eine Kompanie des Seebataillons sowie einige Geschütze verschiedenen Kalibers gehörten. Ihr Ziel war die Befriedung des Distrikts Omaruru. Er wurde von Lothar von Trotha angewiesen, die Herero in der fast wasserlosen Omaheke-Wüste, den Flüchtenden nachzusetzen und sie „.. immer wieder von event. dort gefundenen Wasserstellen zu verjagen ...“. Eine Praxis, die viele Tausende Hereros das Leben kostete. [1] Von Estorff berichtete später von diesem Einsatz:

„Die Herero flohen nun weiter vor uns in das Sandfeld. Immer wiederholte sich das schreckliche Schauspiel. Mit fieberhafter Eile hatten die Männer daran gearbeitet, Brunnen zu erschliessen, aber das Wasser ward immer spärlicher, die Wasserstellen seltener. Sie flohen von einer zur andern und verloren fast alles Vieh und sehr viele Menschen. Das Volk schrumpfte auf spärliche Reste zusammen ...“[2]

Dieser Taktik rühmte sich noch 1907 der Generalstab in seinem Bericht:

„... wie ein halb zu Tode gehetztes Wild war er von Wasserstelle zu Wasserstelle gescheucht, bis er schließlich willenlos ein Opfer der Natur des eigenen Landes wurde. Die wasserlose Omaheke sollte vollenden, was die deutschen Waffen begonnen hatten: Die Vernichtung des Hererovolkes.“[3]

Am 4. Januar 1906 wurde er Kommandeur des 2. Feld-Regiments und am 10. April desselben Jahres zum Oberstleutnant befördert. Ein Jahr später erfolgte am 1. April 1907 seine Ernennung zum Kommandeur der Schutztruppe von Deutsch-Südwestafrika. Gleichzeitig wurde er Mitglied einer Kommission, die im Reichskolonialamt die bei der Entsendung von Verstärkungen für die Schutztruppe gesammelten Erfahrungen beraten sollten. Estorff wurde am 20. April 1909 zum Oberst befördert und Anfang 1911 wieder nach Deutschland zurück beordert. Hier übernahm er am 20. März 1911 als Kommandeur zunächst das Braunschweigische Infanterie-Regiment Nr. 92 und am 1. Oktober 1912 unter gleichzeitiger Beförderung zum Generalmajor die „68. Infanterie-Brigade“ in Metz.

Mit seiner Einheit war er bei Ausbruch des Ersten Weltkrieg an der Westfront im Einsatz und wurde dort am 1. September schwer verwundet. Nach Lazarettaufenthalt und Genesung übernahm er am 11. Mai 1915 als Kommandeur die 103. Infanterie-Division. Am 6. Juni 1916 erfolgte seine Beförderung zum Generalleutnant und am 7. November 1916 wurde er mit dem Kommando über die 42. Infanterie-Division betraut. Estorff erhielt am 6. September 1917 für seine militärischen Verdienste den Pour le mérite verliehen.

Im Rahmen der Operation Albion, der Besetzung der baltischen Inseln Ösel, Dagö und Moon, nahm er mit seinem Verband an den Kampfhandlungen teil. Seit 17. Dezember 1918 war er stellvertretender Befehlshaber der 8. Armee und der deutschen Truppen im Baltikum.

Am 5. Februar 1919 wurde er zum Gouverneur von Königsberg ernannt und kurz darauf am 25. Februar 1919 mit der Führung des I. Armee-Korps beauftragt. Ab 1. Oktober 1919 übernahm er die Führung über das Reichswehrgruppenkommando 3, sowie zeitgleich das Wehrkreis-Kommando I und als Kommandeur die Reichswehr-Brigade 1.

Am 8. April 1920 wurde er im Zusammenhang mit dem Kapp-Putsch zur Disposition gestellt. Eine weitere Verwendung fand nicht mehr statt. Am 27. August 1939 erhielt Estorff den Charakter als General der Infanterie verliehen und eine Kaserne auf dem Stiftberg in Herford wurde nach ihm benannt.

Literatur

  • L.v.Estorff: Wanderungen und Kämpfe in Südwestafrika, Ostafrika und Südafrika 1894-1910 (herausg. von Christoph-Friedrich Kutscher 1968)
  • C.F.Kutscher: Geschrieben unter dem Kameldornbaum (Briefe+Berichte L.v.Estorffs aus Südwestafrika 1894-1903, Windhoek 1982)
  • Hanns Möller: Geschichte der Ritter des Ordens pour le mérite im Weltkrieg, Band I: A-L, Verlag Bernard & Graefe, Berlin 1935, S.283-284

Weblinks

 Commons: Ludwig von Estorff – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Dominik J. Schaller: »Ich glaube, dass die Nation als solche vernichtet werden muss«: Kolonialkrieg und Völkermord in Deutsch-Südwestafrika 1904-1907., in: Journal of Genocide Research,6:3, S. 398
  2. ebd.
  3. Die Kämpfe der deutschen Truppen in Deutsch-Südwestafrika, Band 1, S. 207, zitiert nach: Reinhart Kößler; Henning Melber: Völkermord und Gedenken. Der Genozid an den Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika 1904–1908. In: Irmtrud Wojak; Susanne Meinl (Hrsg.): Völkermord. Genozid und Kriegsverbrechen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Campus, Frankfurt am Main 2004 (= Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust 8), S. 49

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