Ludwig Winder

Ludwig Winder

Ludwig Winder (* 7. Februar 1889 in Schaffa; † 16. Juni 1946 in Baldock, Großbritannien) war ein österreichischer und tschechoslowakischer deutschsprachiger Schriftsteller, Journalist und Literaturkritiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Winder wurde als Sohn einer jüdischen Familie im südmährischen Schaffa (Šafov) geboren. 1906 veröffentlichte er auf eigene Kosten seinen ersten Gedichtband und im Sommer 1907 trat er nach seiner Reifeprüfung in die Redaktion der Wiener Zeitung Die Zeit ein. Er gehörte dem sog. "Prager Kreis" von Literaten an und war eng befreundet mit dem Journalisten und Philosophen Felix Weltsch und den Schriftstellern Oskar Baum, Max Brod, Johannes Urzidil und Ilse Aichinger.

Er arbeitete bei verschiedenen Zeitungen als Redakteur, Literaturkritiker, Lokaljournalist, Theaterreferent usw. Gleichzeitig veröffentlichte er zahlreiche Bücher bei Verlagen in Wien, Berlin, Leipzig und Zürich, aber auch ein Theaterstück "Die Frau ohne Eigenschaften", das Musil zur Vorlage für sein Opus Magnum "Der Mann ohne Eigenschaften" verwendet hat. 1934 erhielt der Autor den Staatspreis der Tschechoslowakischen Republik für deutschsprachige Literatur. Im österreichischen Ständestaat hingegen wurde der Roman Der Thronfolger. Ein Franz-Ferdinand-Roman (erschienen 1935) 1937 verboten. In seinen Romanen ("Die nachgeholten Freuden", 1927; "Der Kammerdiener", 1943; vollständig erst 1988 veröffentlicht) setzt er sich immer wieder mit Herrschaft, Macht und Unterdrückung auseinander.

Besonders erwähnenenswert ist sein Roman "Die jüdische Orgel", von dem im Jahre 2001 beim Wiener Residenz Verlag eine Neuauflage erschien. Die Geschichte des Juden Albert, der im Getto in Warschau aufwächst, greift klassische Themen der Romantik auf wie: Kampf gegen den Vater und Selbstverwirklichung durch Loslösung von der Familie.

Am 29. Juni 1939 floh Ludwig Winder mit seiner Frau und der älteren Tochter über Polen und Skandinavien nach England. Die jüngere Tochter blieb freiwillig zurück. Gegen Kriegsende starb sie im KZ Bergen-Belsen.

In England arbeitete er ebenfalls bei Zeitungen mit und schrieb weiter Romane. Unter zwei Pseudonymen (Herbert Moldau und G. A. List [= One Man's Answer; London, Harrap 1945]) wurden je ein Werk veröffentlicht. 1941 wurde bei ihm ein Herzleiden festgestellt, dem er am 16. Juni 1946 in England (Baldock) erlag. Seine Asche wurde in London beigesetzt.

Postum wurde 1949 der Roman 'Die Pflicht' veröffentlicht[1]

Literatur

  • A. A. Gassmann: Lieber Vater, lieber Gott? Der Vater-Sohn-Konflikt bei den Autoren des engeren Prager Kreises (Max Brod - Franz Kafka - Oskar Baum - Ludwig Winder), Studien zur Prager deutschen Literatur , Literatur- und Medienwissenschaft 83, Diss. Karlsruhe 2001, Igel, Oldenburg 2002, ISBN 3-89621-146-3.
  • Gerhard Härle: Wieviel Schönheit braucht der Mann? Ludwig Winders 'Hugo' – oder das Duell der Außenseiter. In: Forum Homosexualität und Literatur 30 (1997), S. 99-117.
  • Kurt Krolop: Ludwig Winder (1889-1946). Sein Leben und sein erzählerisches Frühwerk. Ein Beitrag zur Geschichte der Prager deutschen Literatur. Halle 1967.
  • Margarita Pazi: Ein Versuch jüdischer deutsch-tschechischer Symbiose: Ludwig Winder, in: The German Quarterly 63/2 (1990), S. 211-221.
  • Christiane Spirek: Eine Stimme aus Böhmen - der Prager Autor Ludwig Winder. In: Exil 17 (1997), S. 45-55.
  • Judith von Sternburg: Gottes böse Träume. Die Romane Ludwig Winders. Mit einer Vorbemerkung von Dieter Sudhoff, Igel Verlag, Paderborn 1994.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Siehe dazu Jörg Thunecke: 'Das fehlende Kapitel - Anmerkungen zur vollständigen Fassung von Ludwig Winders Roman "Die Pflicht"', in: Exil 26 (2006), 2, S. 50-66; der Text wurde abgedruckt in: 'Das fehlende Kapitel - Anmerkungen zur vollständigen Fassung von Ludwig Winders Roman "Die Pflicht"', in: Galerie. Revue Culturelle et Pedagogique [Luxemburg] 24 (2006), 2, S. 241-92, hier S. 270-92. Leider fehlt dieses Kapitel in der Neuausgabe des Wuppertaler Arco Verlages

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