Ludwig Spohr

Ludwig Spohr
Portrait des Komponisten Ludwig (Louis) Spohr 1824 in Kassel, Johann August Nahl der Jüngere (1824)

Louis Spohr (* 5. April 1784 in Braunschweig; † 22. Oktober 1859 in Kassel), auch Ludwig Spohr (Taufname Ludewig), war ein deutscher Komponist, Dirigent, Pädagoge, Organisator von Musikfesten und ein Geiger von internationalem Ruf; neben dem Italiener Niccolò Paganini zählt er zu den größten Geigern seiner Zeit. Spohr war bereits zu Lebzeiten eine Berühmtheit und als Komponist weitaus bekannter als beispielsweise Robert Schumann.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Spohrs Geburtshaus am Spohrplatz 7 in Braunschweig, 2006
Gedenktafel an Spohrs Geburtshaus, 2006
Louis Spohr, Daguerreotypie um 1840

Spohr wurde als das älteste Kind des Medizinalrates Dr. Karl Heinrich Spohr (1756–1843), der 1786 als Physikus nach Seesen am Harz versetzt wurde, und seiner Frau Ernestine Henke (1763–1840) geboren. Das Kind zeigte früh sein musikalisches Talent, so dass es schon im fünften Jahr gelegentlich in den musikalischen Abendunterhaltungen der Familie mit seiner Mutter Duette singen konnte. Mit zwölf Jahren wurde Spohr nach Braunschweig geschickt, um sich bei gleichzeitigem Gymnasialunterricht in der Musik auszubilden. Hier wurden Kunisch und später Maucourt seine Violinlehrer, während ihn der Organist Hartung, jedoch nur kurze Zeit, in der Komposition unterrichtete. Nach Spohrs eigener Versicherung war dies die einzige Unterweisung, die ihm in Harmonielehre und Kontrapunkt je zuteil wurde, so dass er also die bedeutenden Fähigkeiten, die er gerade auf diesem Gebiet besaß, hauptsächlich dem eigenen Fleiß zu danken hatte.

Mit 15 Jahren ernannte ihn der Herzog von Braunschweig zum Kammermusiker und versprach ihm, ihn zu weiterer Ausbildung noch irgendeinem großen Meister zu übergeben. Die Wahl fiel endlich auf Franz Eck in München, als dieser eben im Begriff war, eine Kunstreise nach Russland anzutreten. Spohr begleitete ihn und kehrte erst im Juli 1803 nach Braunschweig zurück. Hier traf er Pierre Rode an, dessen Spiel nachhaltigen Einfluss auf seine weitere Entwicklung ausübte. Spohrs Ruf als Violinvirtuose verbreitete sich nun infolge einiger Kunstreisen so rasch, dass er schon 1805 die Konzertmeisterstelle in Gotha erhielt. In dieser Stellung verblieb er, nachdem er sich ein Jahr später mit der Harfen- und Klaviervirtuosin Dorette Scheidler verehelicht hatte, abgesehen von mehreren mit seiner Gattin unternommenen Kunstreisen, bis 1813; hier wurde er auch am 26. Januar 1807 in die Freimaurerloge Ernst zum Compaß aufgenommen. 1813 folgte er einem Ruf als Kapellmeister des Theaters an der Wien. Zwistigkeiten mit dem Direktor des Theaters, Graf Ferdinand von Pálffy, waren die Ursache, dass er dies Amt bereits nach zwei Jahren niederlegte und wiederum Kunstreisen antrat, die sich diesmal auch auf die Schweiz, Italien und Holland erstreckten, bis er im Winter 1817 die Kapellmeisterstelle am Theater in Frankfurt am Main und die Leitung des Orchesters der Frankfurter Museumsgesellschaft übernahm. Hier brachte er 1818 seine Oper Faust und 1819 Zemire und Azo zur Aufführung, welche beide enthusiastischen Beifall fanden; gleichwohl verließ Spohr schon im September d. J. Frankfurt und begab sich von neuem auf Kunstreisen nach Belgien, Paris und 1820 nach London.

Nach viermonatigem Aufenthalt ruhmgekrönt zurückgekehrt, ließ er sich in Dresden nieder, erhielt jedoch schon im folgenden Jahr auf Veranlassung Carl Maria von Webers die Berufung als Hofkapellmeister nach Kassel und trat im Januar 1822 in sein neues Amt ein. Größere Virtuosenreisen unternahm er von nun an nicht mehr; dagegen machte er sich sehr um das Musikleben der Stadt Kassel verdient, wobei er das Niveau des Orchesters auf eine nie zuvor erreichte Höhe brachte und außerdem einen Gesangverein für Oratorienmusik gründete.

Nicht minder bedeutend war seine Tätigkeit als Lehrer und Komponist. In ersterer Eigenschaft wurde er das Haupt einer Violinschule, wie sie Deutschland seit Franz Benda nicht besessen hatte, und von allen Teilen Europas strömten ihm die Schüler zu. Gleichzeitig entwickelte er eine erstaunliche Produktionskraft auf allen Gebieten der Komposition und betätigte sich als Dirigent zahlreicher Musikfeste in Deutschland und England. Auch der Verlust seiner Gattin (1834), für die er in einer zweiten Ehe mit der Klavierspielerin Marianne Pfeiffer nur einen annähernden Ersatz fand, vermochte seinen Arbeitseifer und seine Pflichttreue nicht zu vermindern, so wenig wie die kleinlichen Schikanen, die er später von seinem Fürsten zu erdulden hatte, dies namentlich nach dem Jahr 1848, obwohl er im Jahr zuvor durch die Ernennung zum Generalmusikdirektor ausgezeichnet worden war. 1857, gegen seinen Wunsch und mit teilweiser Entziehung seines Gehalts pensioniert, blieb er bis zu seinem Tod am 22. Oktober 1859 als Mensch wie als Künstler eine Persönlichkeit allgemeiner Verehrung.

Als Komponist hat Spohr die musikalische Literatur auf jedem ihrer Gebiete durch Meisterwerke von unvergänglichem Wert bereichert. Auf dem der dramatischen Musik wurde er neben Carl Maria von Weber und Heinrich Marschner der Hauptvertreter der romantischen Oper, wenn er auch hinsichtlich des szenisch Wirksamen hinter diesen beiden zurücksteht und infolgedessen seine Opern, mit Ausnahme von Jessonda, noch zu seinen Lebzeiten von den deutschen Bühnen verschwanden. Auch in seinen Oratorien Die letzten Dinge, Der Fall Babylons u. a. folgt er ausschließlich seinem subjektiven Naturell, um auf die Nachwelt zu wirken, wiewohl hier seine Neigung zum Elegischen und das konsequente Festhalten eines erhabenen Pathos sowie endlich der für alle seine Arbeiten charakteristische, nicht selten in Überfülle ausartenden Reichtum der Modulation die Wirkung weniger beeinträchtigen als in seinen Opern. Unbedingte Bewunderung verdienen seine zahlreichen, ausnahmslos durch Adel der Empfindung und formale Abrundung hervorragenden Instrumentalwerke, sowohl für Orchester als auch für Kammermusik, unter den ersteren die Symphonien in c moll und Die Weihe der Töne, unter den letzteren die Quintette und Quartette, sowohl für Streichinstrumente allein, als auch mit Klavier. Den größten und verdientesten Erfolg aber haben die speziell für sein Instrument geschriebenen Werke und seine 15 Violinkonzerte gehabt, darunter namentlich das 7., 8. („in Form einer Gesangsszene“) und 9., sowie seine Violinduette. Seine große Violinschule steht noch heute an klassischem Wert unübertroffen da.

Er ist Ehrenbürger der Stadt Kassel, wo sich auch das Loius-Spohr-Museum in der Schönen Aussicht 2 befindet.

Die Stadt Braunschweig vergibt zwei nach ihm benannte Musikpreise.[1] Die Stadt Seesen verleiht die Louis Spohr Medaille. 1906 wurde die Spohrstraße in Wien-Hietzing nach ihm benannt.

Werke

Mehr als 200 Werke hat Louis Spohr hinterlassen, u. a.:

Das Ständetheater in Prag, in dem Spohrs Faust 1816 uraufgeführt wurde
Briefmarke der Deutschen Bundespost (1959) zum 100. Todestag Spohrs und zur Einweihung der Beethovenhalle
  • Oper Jessonda (1823),
  • Oper Der Berggeist (1825),
  • Oper Pietro von Abano (1827),
  • Oper Der Alchymist (1830),
  • Oper Die Kreuzfahrer (1845)
  • Oper Faust (Synopsis:[1])
  • Oper Zemire und Azor
  • Acht Ouvertüren zu Bühnenwerken
  • Kantate Das befreite Deutschland (1814)
  • Oratorium Das jüngste Gericht (1812)
  • Oratorium Die letzten Dinge (1826)
  • Oratorium Des Heilands letzte Stunden (1835)
  • Oratorium Der Fall Babylons (1842)
  • 18 Violinkonzerte
  • 10 Sinfonien
  • 33 Streichquartette
  • 7 Streichquintette
  • 4 Doppelquartette für 2 Streichquartette
  • Nonett F-Dur op.31 für Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass, Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott
  • Oktett E-Dur op.32 für KLarinette, 2 Hörner, Violine, 2 Violen, Violoncello und Kontrabass
  • Lieder
  • Lieder für Singstimme, Klarinette und Klavier (Texte)
  • 4 Klarinettenkonzerte

Literatur

  • Malibran, Alexander: Louis Spohr. Sein Leben und Wirken. Frankfurt/Main 1860.
  • Spohr, Ludwig. In: Meyers Konversations-Lexikon. Bd. 15, 4. Aufl. Leipzig: Bibliographisches Institut, 1885–1892, S. 172.
  • Louis Spohr: Briefwechsel mit seiner Frau Dorette. Hg. v. Folker Göthel. Kassel 1957.
  • Louis Spohr: Selbstbiographie. Erstmals ungek. n. d. autographen Aufzeichnungen hg. v. Folker Göthel. Tutzing 1968.
  • Dorothy Moulton-Mayer: The forgotten Master. The life & times of Louis Spohr. London 1959.
  • Herfried Homburg: Louis Spohr. Bilder und Dokumente seiner Zeit. Kassel 1968.
  • Stadtsparkasse Kassel (Hrsg.): Louis Spohr. Avantgardist des Musiklebens seiner Zeit. Kassel 1979.
  • Folker Göthel: Thematisch-bibliographisches Verzeichnis der Werke von Louis Spohr. Tutzing 1981.
  • Paul Katow: Louis Spohr, Persönlichkeit und Werk. Luxembourg 1983.
  • Hartmut Becker / Rainer Krempien: Louis Spohr, Festschrift und Ausstellungskatalog zum 200.Geburtstag. Kassel 1984.
  • Clive Brown: Louis Spohr. A critical biography. Cambridge 1984. Deutsche überarbeitete Ausgabe Kassel 2009. ISBN 3-978-87537-320-2.
  • Gerald Kilian: Studien zu Louis Spohr. Karlsruhe [1985].
  • Helmut Peters: Der Komponist, Geiger, Dirigent und Pädagoge Louis Spohr (1784-1859). Braunschweig 1987.
  • Peter Rummenhöller: Louis Spohr - Ruhm und Vergessenheit eines Komponisten zwischen Romantik und Biedermeier. In: ders.: Romantik der Musik. Analysen, Portraits, Reflexionen. München / Kassel 1989. S. 140-148.
  • Leonie Biehler: Das Phantom am Opernplatz. Auf den Spuren von Louis Spohr. In: Kasseler Musikgeschichte. Hg. v. Andreas Wicke. Gudensberg 2004. S. 51-56.
  • Simon Moser: Das Liedschaffen Louis Spohrs. Studien - Kataloge - Analysen - Wertungen. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Kunstliedes. 2 Bd. Kassel 2005.
  • Wolfram Boder: Louis Spohr und die Musikpädagogik. Kassel 2006.
  • Wolfram Boder: Die Kasseler Opern Louis Spohrs. Musikdramaturgie im sozialen Kontext. 2 Bd. (Text- und Notenband) Kassel 2007.

Weblinks

Quellen

  1. Spohr Musikpreis

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