Ludwig Hahn

Ludwig Hahn

Ludwig Hermann Karl Hahn (* 23. Januar 1908 in Eitzen (Kreis Uelzen); † 10. November 1986) war im nationalsozialistischen Deutschen Reich SS-Standartenführer, Jurist und Regierungsdirektor, Leiter der Staatspolizeistelle Weimar, Führer des Einsatzkommandos 1 der Einsatzgruppe I in Polen, als Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Krakau und Warschau mitverantwortlich für die endgültige Räumung des Warschauer Ghettos 1943.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft, Studium und politische Anfänge

Ludwig Hahn war Sohn des Bauern Ludwig Hahn. Nach dem Besuch der Volksschule trat er 1918 in das Realgymnasium Lüneburg ein und legte dort 1927 die Reifeprüfung ab.

Von 1927 bis 1931 studierte Hahn in Jena und Göttingen Rechtswissenschaft. Die erste juristische Staatsprüfung legte er am 27. Juni 1931 ab und promovierte am 27. Juli 1932 zum Dr. jur. Seine Referendarzeit verbrachte Hahn in Lüneburg, Naumburg, Weimar und Jena, bevor er am 29. April 1935 seine zweite Staatsprüfung absolvierte.

Bereits unmittelbar darauf wurde Hahn am 1. Juni 1935 als Referent in das Sicherheitshauptamt des Reichsführers-SS berufen. Am 1. Januar 1936 kam er als Assessor zur Staatspolizeistelle Hannover und übernahm dort die Stellvertretung des Leiters. Noch im gleichen Jahr erfolgte zum 1. September seine Versetzung an das Geheime Staatspolizeiamt Berlin.

In seinem Lebenslauf vom 7. Oktober 1936 geht Hahn auch ausführlich auf seinen politischen Werdegang ein:

„Politisch habe ich mich nur innerhalb der nationalsozialistischen Bewegung betätigt. Am 1. Februar 1930 trat ich in Göttingen in die NSDAP ein und erhielt die Mitgliedsnummer 194 463. Gleichzeitig wurde ich Mitglied des NSDStB. Im Juni 1930 meldete ich mich in Jena zur SA, im Dezember 1930 wurde ich zum SA-Scharführer befördert. Nach Ablegung meiner ersten juristischen Staatsprüfung, Ende Juli 1932, gab ich den SA-Dienst auf, um nicht aus dem preußischen Justiz-Ausbildungsdienst entfernt zu werden. Der NSDAP gehörte ich weiterhin an.

Am 21. April 1933 trat ich in die SS ein. Bis Ende Mai 1933 machte ich Dienst im 2. Sturm II/17. SS-Standarte in Lüneburg. Von Ende Mai bis Ende Oktober 1933 gehörte ich zum 3.Sturm IV/26. SS-Standarte in Hamburg, von Ende Oktober bis Ende Dezember 1933 zum 1. Sturm I/47. SS-Standarte in Weimar. Von dort wurde ich zur Stabswache des SS-Oberabschnitts Mitte in Weimar überwiesen. Im Februar 1934 wurde ich abkommandiert zum SD-RFSS im SD-Oberabschnitt Mitte und im Mai 1934 in den SD übernommen.

Seit April 1933 bin ich Mitglied des NS-Rechtswahrerbundes. Im April/Mai 1933 gründete ich im Gau Ost-Hannover die Gruppe Jungjuristen des NSRB. Im März 1934 nahm ich an dem 1. Juristenkursus der Thüringischen Staatsschule für Führertum und Politik in Ependorf teil.“[1]

Leiter der Staatspolizeistelle Weimar

Nach einem 8-wöchigen Lehrgang der Wehrmacht bei der Panzer-Abwehr-Abteilung 3 in Frankfurt/Oder vom 2. Januar bis 1. März 1937, den Hahn als Gefreiter und Reserve-Offizier-Anwärter verließ, übernahm er anschließend als Regierungsassessor die Leitung der Staatspolizeistelle Weimar. In dieser Funktion war er auch der ständige Vertreter des Polizeipräsidenten.

Bei den Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei in Polen

Mit Beginn des Krieges gegen Polen im September 1939 wurde Hahn zum Führer des Einsatzkommandos 1 der Einsatzgruppe I für das „Unternehmen Tannenberg“ bestellt. Aufgabe der „Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei“ war die „Bekämpfung aller reichs- und deutschfeindlichen Elemente rückwärts der fechtenden Truppe“ und gleichzeitig die möglichst umfassende Dezimierung der polnischen Intelligenz. Die Einsatzgruppe I wurde im August 1939 in Wien aufgestellt und im Bereich der 14. Armee in Polen eingesetzt. Die Stationen der Einheit waren Neutitschen, Bielsko und Rzeszow. Am 20. November 1939 wurden die Einsatzgruppen aufgelöst.

Ab Januar 1940 wurde Hahn als Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD (KdS) in Krakau eingesetzt. Schon am 14. August des gleichen Jahres wurde er zum Reichssicherheitshauptamt versetzt und gleichzeitig als Sonderbeauftragter des Reichsführers-SS beim deutschen Gesandten in Preßburg für ein Jahr abgeordnet.[2]

Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD Warschau

Am 1. August 1941 übernahm er die Nachfolge von SS-Sturmbannführer Johannes Müller als KdS Warschau. In dieser Funktion war er mitverantwortlich für die Liquidierung des Warschauer Ghettos durch Deportationen in das Vernichtungslager Treblinka im Sommer 1942. Als KdS unterstanden Hahn ca. 500–600 Mann (dazu gehörte auch der SS-Unterscharführer Josef Blösche) sowie ca. 1.000 Mann polnische Kripo und aus Ukrainern und Kosaken bestehende Wachkompanien; insgesamt ca. 2.000 Mitarbeiter und Bedienstete. Bis zum Spätherbst 1942 wurden 300.000 Juden deportiert.

Am 16. Dezember 1944 wurde Hahn als Chef der Einsatzgruppe L (Cochem) an die Westfront versetzt, um dann am 31. Januar 1945 nochmals an die Ostfront als Beauftragter des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD beim Befehlshaber der Sperr- und Auffanglinie im Rahmen der Heeresgruppe Weichsel, SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS und Polizei Carl Oberg, zurückzukehren. Danach im Stab des Höheren SS- und Polizeiführers in Dresden eingesetzt, wurde er noch im März 1945 Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Westfalen und zum Schutz von Gauleiter Alfred Meyer eingesetzt.

Beförderungen

  • SS-Rottenführer: 9. November 1934
  • SS-Unterscharführer: 1. Juni 1935
  • SS-Hauptscharführer: 9. November 1935
  • SS-Untersturmführer: 20. April 1936
  • SS-Obersturmführer: 30. Januar 1938
  • SS-Hauptsturmführer: 1. August 1938
  • SS-Sturmbannführer: 26. September 1938
  • Oberregierungsrat: 12. September 1941
  • SS-Obersturmbannführer: 9. November 1941
  • SS-Standartenführer: 20. April 1944
  • Regierungsdirektor: 20. April 1944

Auszeichnungen

  • Eisernes Kreuz (1939) II. Klasse am 6. Dezember 1940
  • Kriegsverdienstkreuz II. und I. Klasse mit Schwertern am 30. Januar 1943
  • Eisernes Kreuz (1939) I. Klasse am 9. Oktober 1944

Nach dem Krieg

Nach Kriegsende zunächst unter falschen Namen untergetaucht, arbeitete Hahn ab 1949 wieder unter seinem richtigen Namen als Direktor eines Versicherungsunternehmens.

Im Juli 1960 wurde er in Haft genommen, im Juli 1961 jedoch wieder entlassen. Im Dezember 1965 wurde er erneut inhaftiert und nach zwei Jahren "aus gesundheitlichen Gründen" wiederum entlassen. Das Landgericht Hamburg verurteilte ihn am 4. Juli 1975 schließlich wegen seiner Mitverantwortung für die Judendeportationen aus dem Warschauer Ghetto zu einer lebenslangen Haftstrafe, nachdem untergebene Täter schon lange in der DDR verurteilt worden waren, u. a. auf Grund von Material aus der BRD.

Am 10. November 1986 starb Hahn im Gefängnis.

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Bundesarchiv Koblenz, zit. nach Joseph Wulf, s. Lit., S. 290f.
  2. siehe Dieter Wisliceny

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