Ludolf Müller (Literaturwissenschaftler)

Ludolf Müller (Literaturwissenschaftler)

Ludolf Müller (* 5. April 1917 in Schönsee, heute Kowalewo Pomorskie; † 22. April 2009 in Tübingen) war ein deutscher Slawist und Literaturwissenschaftler.

Leben

Müller war das vierte von sechs Kindern des evangelischen Pfarrers und späteren Landesbischofs der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, Ludolf Hermann Müller (1882-1959) und jüngerer Bruder des Juristen Konrad Müller (1912-1979). Nachdem Westpreußen 1919 an Polen gefallen war, wurde der Vater 1921 aus Polen ausgewiesen; er wurde 1922 Pfarrer in Dingelstedt bei Halberstadt, 1927 Superintendent in Heiligenstadt im Eichsfeld. Dort besuchte Müller ab 1927 das Gymnasium. Nach dem Abitur studierte er 1935 bis 1937 Evangelische Theologie in Leipzig, Bethel und Rostock. 1937 ging er für ein Jahr an die Reformierte Theologische Hochschule in Sárospatak in Ungarn, wo sein Interesse für osteuropäische Sprachen und Kulturen geweckt wurde. Nach der Rückkehr studierte er in Halle außer Theologie und Philosophie auch Slavistik, letztere bei Dmitrij Tschižewskij.

Von 1939 bis 1945 war Müller Soldat, nach der Freilassung aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft vollendete er das Studium der Slawistik in Göttingen und Marburg und promovierte hier bei Dmitrij Tschižewskij 1947 mit einer Arbeit über Wladimir Solowjow. Von 1947-1949 arbeitete er als Tschižewskijs Assistent an der Universität Marburg, 1949 habilitierte er sich dort in der Theologischen Fakultät (bei Ernst Benz) mit einer Arbeit über "Die Kritik des Protestantismus in der russischen Theologie und Philosophie" und lehrte bis 1953 als Privatdozent Kirchengeschichte und Slawistik.

1953 wurde Müller auf den Lehrstuhl für Slawische Philologie an der Universität Kiel berufen, 1961 von dort nach Tübingen, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1982 lehrte.

Seit 1943 war Müller verheiratet mit der Kirchenmusikerin Gerlinde geb. Güldemeister; aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, unter ihnen der Wirtschaftsjurist und Autor Lothar Müller-Güldemeister.

Die Forschungsschwerpunkte von Müller waren die russische Literaturgeschichte, Kirchengeschichte, Geistesgeschichte vom 10. bis zum 20. Jahrhundert; insbesondere die altrussische Literatur der Kiewer Epoche; die russische Philosophie des 19. Jahrhunderts (besonders Wladimir Solowjow); Leben und Werk Dostojewskis; dichterische Übersetzung russischer Lyrik.

Literatur (in Auswahl)

Veröffentlichte Arbeiten von Ludolf Müller

Zu Wladimir Solowjow:

  • Solovjev und der Protestantismus. Mit einem Anhang: V. S. Solovjev und das Judentum, Freiburg i.Br., 1951.
  • Wladimir Solowjew: Schriften zur Philosophie, Theologie und Politik. Werkausgabe. Mit einer biographischen Einleitung und Erläuterungen von Ludolf Müller, München, 1991.
  • Wladimir Solowjew: Kurze Erzählung vom Antichrist. Übersetzt und erläutert von Ludolf Müller, Freiburg i.Br., 1968. (10. Auflage: Donauwörth, 2009)
  • Wladimir Solowjew: Reden über Dostojewskij. Übersetzt von U. Konovalenko und L. Müller. Mit einem Nachwort „Dostojewskij und Solowjew“ und Erläuterungen. Hrsg. von L. Müller. München, 1992.
  • Solowjews Leben in Briefen und Gedichten. Hrsg. von Ludolf Müller und Irmgard Wille, München, 1977. (= Deutsche Gesamtausgabe, Ergänzungsband)
  • Herausgabe der Bände 5, 6, 8 der Deutschen Gesamtausgabe der Werke von Wladimir Solowjew. Erich Wewel Verlag, Freiburg i. Br. und München, 1965ff.

Zur russischen Kirchengeschichte:

  • Die Taufe Russlands. Zur Frühgeschichte des russischen Christentums bis zum Jahre 988, München, 1987.
  • Die Dreifaltigkeitsikone des Andrej Rubljow, München, 1990.
  • Russischer Geist und evangelisches Christentum. Die Kritik des Protestantismus in der russischen religiösen Philosophie und Dichtung im 19. und 20. Jahrhundert, Witten/Ruhr, 1951.

Zur altrussischen Literatur:

  • Des Metropoliten Ilarion Lobrede auf Vladimir des Heiligen und Glaubensbekenntnis. Nach der Erstausgabe von 1844 neu herausgegeben, eingeleitet und erläutert von L. Müller, Wiesbaden, 1962.
  • Die Werke des Metropoliten Ilarion. Eingeleitet, übersetzt und erläutert von L. Müller, München, 1971.
  • Handbuch zur Nestorchronik. Hrsg. von L. Müller (bisher erschienen Band 1-4), München, 1977ff.
  • Das Lied von der Heerfahrt Igor’s. Aus dem altrussischen Urtext übersetzt, eingeleitet und erläutert von L. Müller, München, 1989.

Zu Dostojewskij:

  • Dostojewskij. Sein Leben – sein Werk – sein Vermächtnis, 2. Auflage. München, 1982.
  • F. M. Dostojewskij: Der Großinquisitor. Übersetzt von M. Ackermann; hrsg. und erläutert von L. Müller, München, 1985.
  • Die Gestalt Christi in Leben und Werk Dostojewskijs. In der Zeitschrift „Zeitwende“, 1995ff.

Übersetzungen russischer Lyrik:

  • Russische Lyrik. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Russisch/Deutsch. Hrsg. von K. Borowsky und L. Müller. Stuttgart, 1983.
  • Russische Gedichte über Gott und Welt, Leben und Tod, Liebe und Dichtertum. Ins Deutsche übertragen von L. Müller. München, 1979.
  • Alexander Puschkin: 50 Gedichte über Gott und Welt, Leben und Tod, Liebe und Dichtertum. Im russischen Original und in deutscher Übersetzung von L. Müller, 2. Auflage. Tübingen, 2002.
  • Fedor I. Tjutčev: Im Meeresrauschen klingt ein Lied. Ausgewählte Gedichte. Russisch und Deutsch, Hrsg. und übersetzt von Ludolf Müller. Dresden, 2003.
  • Wladimir Solowjew: Gedichte. In: Solowjews Leben in Briefen und Gedichten. München, 1977.
  • Lew Druskin: Ich werde weinen über meinen Unglauben. Zweisprachige Ausgabe mit wörtlicher Übersetzung, Kommentar und dichterischer Übersetzung von L. Müller. Tübingen, 1987.
  • Lew Druskin: „Licht im Fenster“. Russische Gedichte aus Heimat und Fremde. Mit deutscher Übersetzung hrsg. von L. Müller, München, 1990.

Autobiographisches:

  • Kak ja stal slavistom i čem ja zanimalsja v slavistike. (= Wie ich Slavist wurde und womit ich mich in der Slavistik beschäftigt habe). In: „Ponjat’ Rossiju“ (s. 1.7.), S. 16-42.
  • Erinnerungen an Dmitrij Tschižewskij. In: Dmytro Čyževskyj. Osobnost a dilo, Praha, 2004, S. 197-212.

Gesammelte Aufsätze:

  • Ljudol’f Mjuller: “Ponjat’ Rossiju”. Istoriko-kul’turnye issledovanija, Moskva, 2000.
Bibliographie
  • Ludolf Müller: Schriftenverzeichnis. Tübingen, 1987.
  • Izbrannaja bibliografija trudov L. Mjullera (= Ausgewählte Bibliographie der Arbeiten von L. Müller). In: „Ponjat’ Rossiju“ (s. 1.7.), S. 399-420.
Über Ludolf Müller
  • S. S. Averincev: Ljudol’f Mjuller kak issledovatel’ russkoj duchovnoj kul’tury. (= Ludolf Müller als Erforscher der russischen geistigen Kultur). In: “Ponjat’ Rossiju” (s. 1.7.), S. 12-14.

Weblinks


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