Lorenz Franz Kielhorn

Lorenz Franz Kielhorn

Franz Kielhorn (* 31. Mai 1840 in Osnabrück; † 19. März 1908 in Göttingen) war ein deutscher Indologe, der insbesondere auf den Gebieten der Sanskrit-Grammatik und der indischen Epigraphik forschte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kielhorn studierte Indologie in Göttingen, Breslau und Berlin; zu seinen Lehrern zählten unter anderem der Breslauer Indologe Adolf Friedrich Stenzler und sein Berliner Kollege Albrecht Weber. Nach seiner Promotion war er von 1862 bis 1865 in Oxford als Mitarbeiter am Wörterbuchprojekt des Sanskrit-English Dictionary von Sir Monier Monier-Williams (1819–1899) tätig.

Auf Vermittlung des Oxforder Sanskritisten Friedrich Max Müller ging Kielhorn 1866 nach Indien, wo er bis 1881 als Professor für orientalische Sprachen am Deccan College in Pune lehrte und zeitweise auch die Leitung des College innehatte. 1881 wurde er auf den Lehrstuhl für Indologie an der Universität Göttingen berufen, wo er bis zu seinem Tode blieb. 1882 wurde er dort in die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften aufgenommen.

Werk

In der Tradition seines Lehrers Stenzler beschäftigte sich Kielhorn intensiv mit der Grammatik des Sanskrit und erweiterte seine Kenntnisse ab 1866 mithilfe führender indischer Gelehrter. Im Jahr 1870 veröffentlichte er eine Sanskrit-Grammatik in englischer Sprache, die, 1888 von Wilhelm Solf auch ins Deutsche übersetzt, bis heute grundlegend geblieben ist und in beiden Sprachen zahlreiche Neuauflagen erfahren hat.

Zusammen mit Georg Bühler begründete er während seiner Zeit in Indien die Schriftenreihe Bombay Sanskrit Series und setzte mit seinen dort publizierten kritischen Texteditionen und kommentierten Übersetzungen, etwa des Mahābhāşya oder des Paribhāşenduçekhara, grundlegende Maßstäbe für die systematische historisch-philologische Erforschung altindischer Sanskrit-Manuskripte und ihre chronologische Erschließung. Dabei konnte er teilweise auf der westlichen Forschung zuvor verschlossen gebliebene Bibliotheksbestände in Indien zurückgreifen. Nach Bühlers Tod 1898 übernahm er auch die Betreuung von dessen Encyclopedia of Indo-Aryan Research.

Nach seiner Rückkehr aus Indien widmete sich Kielhorn in Göttingen schwerpunktmäßig der Bearbeitung des umfassenden epigraphischen Materials, das er teilweise selbst gesammelt, teilweise zugesandt bekommen hatte. Seine Forschungsergebnisse veröffentlichte er zumeist in englischer Sprache, vor allem in den Reihen Epigraphia Indica und Indian Antiquary. Seine zahlreichen Einzelstudien zu insgesamt mehr als 250 Inschriften und ihren Datierungen lieferten dabei auch zahlreiches Material zu Fragen der indischen Metrik, Paläographie und Chronologie.

Zu Kielhorns Göttinger Schülern zählte Heinrich Lüders, der seine epigraphischen Forschungen fortführte.

Kielhorns zukunftsweisendes wissenschaftliches Verdienst besteht nach Paul Thieme in der "Zusammenarbeit historisch und philologisch geschulter westlicher und in der gelehrten Überlieferung ihrer heiligen Sprache tief verwurzelter indischer" Gelehrsamkeit.[1]

Auszeichnungen

Im Jahr 1887 verlieh ihm die britische Königin Victoria, damals auch Kaiserin von Indien, die Auszeichnung eines "Companion of the Order of the Indian Empire."

Schriften (Auswahl)

Texteditionen

  • Çāntanava’s Phitsūtra. Mit verschiedenen indischen Commentaren, Einleitung, Uebersetzung und Anmerkungen. Leipzig 1866 (Abhandlungen der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Band IV).
  • The Paribhāşenduçekhara of Nāgojibhatta. Zwei Bände, Bombay 1868/1874 (Bombay Sanskrit Series)
  • The Vyākarana-mahābhāşya of Patanjali. Drei Bände, Bombay 1880–1885; zweite Auflage Bombay 1892–1909 (Bombay Sanskrit Series)

Monographien

  • A Grammar of the Sanskrit language. Bombay 1870; deutsche Ausgabe: Grammatik der Sanskrit-Sprache. Aus dem Englischen übersetzt von Wilhelm Solf, Berlin 1888. (zahlreiche Nachdrucke, zuletzt 2003.)
  • Kātyāyana and Patañjali. Their relation to each other and to Pānini. Bombay 1876.

Kleine Schriften

  • Wilhelm Rau (Hrsg.): Franz Kielhorn: Kleine Schriften. Zwei Bände, Wiesbaden 1969 (Glasenapp-Stiftung, Band 3).

Literatur

  • Heinz Bechert: Franz Kielhorn, 1840–1908. In: Karl Arndt (Hrsg.): Göttinger Gelehrte. Die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen in Bildnissen und Würdigungen 1751–2001. Göttingen 2001, ISBN 3-89244-485-4, S. 236.
  • Paul ThiemeFranz Kielhorn. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 11, Duncker & Humblot, Berlin 1977, S. 578 f.
  • Jacob Wackernagel: Franz Kielhorn. In: Nachrichten der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, Geschäftliche Mitteilungen 1908, S. 63–74. (Nachruf)

Weblinks

Anmerkungen

  1. Paul ThiemeFranz Kielhorn. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 11, Duncker & Humblot, Berlin 1977, S. 578 f., hier S. 579.

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