Lohndumping

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Ein Niedriglohn ist nach der von OECD und EU verwendeten Definition ein Lohn, der unterhalb von zwei Dritteln des Durchschnittslohns aller Vollzeitbeschäftigten liegt. [1]

Inhaltsverzeichnis

Aktuelle Diskussion in Deutschland

Die Diskussion um Niedriglöhne und die politische Forderung nach einem Niedriglohnsektor in der bundesdeutschen Wirtschaft gibt es seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Im Rahmen dieser Diskussion kristallisieren sich zwei gegensätzliche Wirtschaftspositionen heraus. Einerseits die Auffassung, dass Niedriglöhne für die Wirtschaft zu begrüßen sind und der Staat aus sozialen Gründen diese Löhne subventionieren solle (Kombilohnmodelle), andererseits dass durch einen gesetzlichen Mindestlohn jeder Arbeitnehmer selbst sein Existenzminimum verdienen können solle.

Position: Niedriglohn mit Lohnsubventionen

Befürworter von Kombilohnmodellen, insbesondere die Arbeitgeberverbände sowie der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, argumentieren, dass ohne Niedriglohn für viele Tätigkeiten in Deutschland kein Arbeitsmarkt bestehe, da es Tätigkeiten bzw. Arbeitnehmer gebe, deren Wertschöpfung oder Arbeitsleistung nicht zum Erreichen des Existenzminimums ausreiche. Auch eine Absenkung des Sozialhilfeniveaus sei sinnvoll, um beschäftigungslosen Menschen verstärkte Anreize zu geben, einen niedrig entlohnten Job anzunehmen und so zur eigenen Existenzsicherung zumindest anteilig beizutragen. Niedriglöhne seien zudem ein Standortvorteil, besonders im Wettbewerb mit ausländischen Produktionsstandorten mit niedrigem Lohnniveau.

Die Existenzsicherung des Niedriglohnarbeiters erfolgt nach diesem Model durch Aufstockung des Lohnes aus der Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe. Befürworter sehen folgende Vorteile:

  • Ehemalige Langzeitarbeitslose sind in den Erwerbsprozess wieder eingegliedert: Sie erledigen sinnvolle Arbeit und haben am Ende des Monats mehr Geld zur Verfügung, als sie durch Arbeitslosen- und Sozialhilfe alleine hätten. Dieses Geld entspricht zusätzlicher Kaufkraft, die das Wirtschaftswachstum anregt.
  • Den Großteil des Niedriglohns bezahlt der Arbeitgeber. Der Steuerzahler spart Geld, weil weniger Arbeitslosen- und Sozialhilfe gezahlt werden muss.
  • Niedriglohn-Arbeitnehmer haben bessere Chancen, sich zu beweisen und einen gutbezahlten Arbeitsplatz zu finden.
  • Niedriglöhne können ein Mittel sein, ältere arbeitslose erwerbsfähige Personen wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern und dadurch die Rentenkassen entlasten (durch weniger Frühverrentung).
  • Niedriglohn-Arbeitnehmer haben keine Zeit für Schwarzarbeit.

Contra Niedriglöhne

Vor allem die Gewerkschaften sind Gegner staatlich subventionierter Niedriglöhne: Sie befürchten, dass das allgemeine Lohnniveau sinkt und der Steuerzahler letztlich die Erträge der Arbeitgeber steigert (Mitnahmeeffekt). Bei Kombilohnmodellen subventioniere der Staat den Arbeitslohn der Beschäftigten zugunsten der Unternehmer und zulasten der Allgemeinheit. Daher plädieren Kritiker des Niedriglohns für die gesetzliche Festlegung von Mindestlöhnen, wie es in der Mehrzahl der Staaten der Europäischen Union sowie in Deutschland im Baugewerbe bereits geschehen ist.

Auch einige Wirtschaftswissenschaftler, wie z. B. Heiner Flassbeck, glauben nicht, dass Niedriglöhne in den westlichen Industriestaaten einen positiven Effekt haben würden. Sie gehen eher von einem negativen Effekt aus, da ihrer Meinung nach durch die niedrigeren Einkommen auch die Nachfrage verringere. Zudem wird darauf verwiesen, dass der Druck hoher Löhne die Unternehmen zu vermehrten Innovationen getrieben habe, die wesentlich dafür gewesen seien, die bundesdeutsche Volkswirtschaft im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig zu halten.

Auch Zeitarbeitsfirmen sprechen sich gegen Niedriglöhne aus. So forderte Thomas Reitz, Deutschland-Chef der Leiharbeitsfirma Manpower, "einen Mindestlohn in der Zeitarbeit, um unsere Branche abzusichern gegen die Öffnung des Arbeitsmarktes im kommenden Jahr [2009] für unsere EU-Nachbarn im Osten. Die würden hier einen Wettbewerb mit Niedriglöhnen entfachen, die wir durch unsere Tarifbindung nicht bezahlen dürften und auch nicht wollen. Ein solcher Wettbewerb ginge zulasten aller Zeitarbeitnehmer in Deutschland, was wir verhindern müssen.“ [2]

Dienstleistungsrichtlinie

Im Dezember 2006 wurde die Dienstleistungsrichtlinie verabschiedet, die bis Ende 2009 in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden muss. Jede Person und jedes Unternehmen eines europäischen Landes darf seine Dienstleistungen in allen Mitgliedstaaten innerhalb der EU anbieten. Neu ist hierbei das sog. „Herkunftslandprinzip“, d.h. es gelten die Rechtsvorschriften (Mindestlöhne, Tarifvertragsregelungen, Arbeitszeitbestimmungen usw.) des Landes, in dem das Dienstleistungsunternehmen niedergelassen ist. [3]

Niedriglohnsektor

Nach Angaben des DIW ist seit dem Jahr 2004 das Anwachsen des Niedriglohnsektors zum Stillstand gekommen. Der Anteil der Niedriglohnempfänger, definiert als jene, die weniger als zwei Drittel des mittleren Bruttostundenlohns erhalten, betrug im Jahr 2004 bei circa 20 Prozent aller Arbeitnehmer (ohne Auszubildende, Studenten und Rentner).

Nach Angaben der WAZ wurde mit Niedriglohn 2005 in Westdeutschland unter 1779 Euro und in Ostdeutschland unter 1323 Euro bezeichnet. [4].

Volkswirtschaftliche Aspekte

Das Lohnniveau ist etwa proportional zu seiner Produktivität

Die Theorie des Ricardo-Modells besagt unter anderem, dass das relative Lohnniveau (siehe auch: relativer Lohn) einer Volkswirtschaft in der Regel dem dortigen relativen Produktivitätsniveau entspricht (siehe Grafik). Bei vollkommenem Wettbewerb findet Entlohnung nach der Grenzproduktivität der Arbeit statt (siehe auch: Grenzprodukt der Arbeit), weil die Arbeitgeber auf Dauer nur bis zur Grenzproduktivität Lohn zahlen können. Anderenfalls würden die Lohnkosten die Kosten der eigentlichen Produktion unnatürlich in die Höhe treiben. Das heißt also, dass bei niedrigerer Produktivität ein geringerer Lohn bezahlt wird als bei höherer Produktivität.[5]

Eine auffallend geringe Produktivität im Vergleich zu den anderen Ländern auf diesem Schaubild haben China, Indien und Mexiko. Dementsprechend niedrig ist auch ihr nationales Lohnniveau. Im Gegensatz dazu heben sich Japan, Deutschland und die USA mit hohen relativen Löhnen und hohen Produktivitäten hervor (Hochlohnländer).

Land Stundenentgelt für Produktionsarbeiter, 2000
USA 100
Deutschland 121
Japan 111
Spanien 55
Südkorea 41
Portugal 24
Mexico 12
Sri Lanka (1969) 2

Tabelle: Internationale Lohnsätze im Vergleich (USA = 100) [6]

Lohndumping

Insbesondere Gewerkschaften bezeichnen Löhne unter dem gültigen Tarif abwertend als Lohndumping, insbesondere wenn diese unter der Höhe des Existenzminimums oder Sozialhilfesatzes liegen.

Der Ausdruck Dumping bezeichnet normalerweise einen illegalen Verkauf von Waren unter Herstellungskosten oder Einstandspreis mit dem Ziel, Wettbewerber aus dem Markt zu drängen.

Kritiker bezeichnen den Begriff Lohndumping daher als politisches Schlagwort, das den Eindruck zu erwecken versuche, das Existenzminimum des Arbeitnehmers sei nicht gewährleistet oder eine Niedriglohn sei illegal oder zumindest unmoralisch.

Rechtliche Aspekte

Nach der Auffassung verschiedener Arbeitsgerichte liegt Lohnwucher vor, wenn die Entlohnung des Arbeitnehmers die ortsübliche bzw. tarifliche Arbeitsvergütung um ein Drittel unterschreitet. Das Bundesarbeitsgericht hat es bisher vermieden, einen derartigen Richtwert aufzustellen[7]. Unterschreitet der vereinbarte Lohn die geltenden Sätze der Sozialhilfe, ohne in einem auffälligen Missverhältnis zu vergleichbaren Tariflöhnen zu stehen, so ist dies nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts noch kein ausreichender Grund, Lohnwucher annehmen zu können. [8] Viele berufen sich auf den § 138 BGB, der besagt: „Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.“ Sittenwidrigkeit des Lohnes wird ebenso unterschiedlich konkretisiert: Sittenwidrigkeit liegt dann vor, wenn der Lohn mehr als 30% unter dem Tariflohn oder dem ortsüblichen Lohn liegt. [9]

Literatur

  • Bispinck, Reinhard und Claus Schäfer (2006): Niedriglöhne und Mindesteinkommen: Daten und Diskussionen in Deutschland, in: Schulten, Thorsten, Reinhard Bispinck und Claus Schäfer (Hrsg.): Mindestlöhne in Europa. VSA-Verlag, Hamburg, ISBN 3-89965-154-5.
  • Bosch, Gerhard und Claudia Weinkopf (Hg.)(2007): Arbeiten für wenig Geld. Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland. Camous-Verlag, Frankfurt, ISBN 978-3-593-38429-0.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. IAB Kurzbericht Niedriglohnsektor vom 10.3.2005
  2. Wirtschaftswoche vom 3.3.2008, S. 16, Interview mit Thomas Reitz, Deutschland-Chef der Leiharbeitsfirma Manpower
  3. Vgl. http://www.heise.de/tp/r4/artikel/21/21923/1.html
  4. DIW Berlin: Der Niedriglohnsektor in Deutschland wächst nicht mehr
  5. Paul Krugman und Maurice Obstfeld: Internationale Wirtschaft - Theorie und Politik der Außenwirtschaft, 7. Auflage, München 2006
  6. Paul Krugman und Maurice Obstfeld: Internationale Wirtschaft - Theorie und Politik der Außenwirtschaft, 7. Auflage, München 2006, S. 105
  7. BAG, Urteil vom 23. Mai 2001, Az.: 5 AZR 527/99, Urteil vom 26. April 2006, 5 AZR 549/05
  8. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. März 2004 (Az.: 5 AZR 303/03)
  9. http://soziale-arbeit-ist-mehr-wert.verdi.de/hintergrund/lohndumping/data/lohndumping_vortrag_klausing.pdf

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