Literaturnobelpreis

Literaturnobelpreis
Sully Prudhomme, erster Preisträger 1901

Der Nobelpreis für Literatur ist einer der fünf von Alfred Nobel gestifteten Nobelpreise, die „denen zugeteilt werden, die […] der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben“[1]. Im Auftrag der 1900 gegründeten Nobel-Stiftung wird er alljährlich von der Schwedischen Akademie vergeben und ist mit derzeit 10 Millionen Schwedischen Kronen (knapp 1,1 Millionen Euro) dotiert.

Nach Nobels Testament, das den Statuten der Nobel-Stiftung zugrundeliegt, soll mit dem Preis in Literatur ausgezeichnet werden, wer „das Vorzüglichste in idealistischer Richtung geschaffen hat“. Die Bekanntgabe des Preisträgers erfolgt Anfang bis Mitte Oktober, die feierliche Übergabe des Preises durch den schwedischen König am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters.

Inhaltsverzeichnis

Auswahlprozess und Preisverleihung

Sitz der Schwedischen Akademie in Stockholm
Bekanntgabe des Preisträgers

Nobel legte in seinem Testament fest, dass für die Zuteilung des Preises für Literatur die Schwedische Akademie zuständig ist. Den Auswahlprozess delegiert diese zum Teil an ein Nobelkomitee, dessen Mitglieder für drei Jahre aus den Reihen der Akademie gewählt werden. Derzeit (Stand: Oktober 2008) besteht das Nobelkomitee aus

Bereits im September des Vorjahres bittet das Nobelkomitee sechs- bis siebenhundert ausgewählte Personen und Institutionen weltweit um Kandidatenvorschläge für den Literatur-Nobelpreis des kommenden Jahres. Darunter sind, entsprechend den Statuten,

  • bisherige Preisträger des Nobelpreises für Literatur;
  • Mitglieder der Schwedischen Akademie sowie anderer Akademien, Gesellschaften oder Institutionen, die in ihren Zielen und in ihrem Aufbau mit dieser vergleichbar sind;
  • Universitäts- und Hochschulprofessoren in Literatur beziehungsweise Linguistik;
  • Präsidenten von Schriftstellerverbänden, die für die Literaturproduktion ihres jeweiligen Landes repräsentativ sind.

Die Angeschriebenen können ihre Vorschläge – nur Lebende sind zugelassen – bis zum 31. Januar beim Nobelkomitee einreichen. Das Komitee sichtet die Vorschläge und stellt eine Liste für die Schwedische Akademie zusammen. Ist diese Kandidatenliste von der Akademie akzeptiert, extrahiert das Komitee im nächsten Schritt zunächst eine 15 bis 20 Namen umfassende nähere Auswahl. Nach Bestätigung dieser Auswahlliste durch die Akademie erarbeitet das Komitee bis Mai eine engere Auswahlliste mit fünf Namen. Nach deren endgültigen Festlegung durch die Akademie haben deren Mitglieder in den Sommermonaten Gelegenheit, sich mit dem Werk der fünf Kandidaten vertraut zu machen, bevor sie im September die Kandidaten und ihr Werk debattieren und Anfang/Mitte Oktober schließlich über den Nobelpreisträger des Jahres abstimmen; dieser muss mehr als die Hälfte der Stimmen auf sich vereinigen.
Lediglich der Preisträger wird bekanntgegeben, die Namen der übrigen Kandidaten unterliegen, wie auch Informationen über den gesamten Auswahlprozess, einer 50-jährigen Sperrfrist.

Die Preisträger werden zusammen mit den Medizin-, Physik-, Chemie- und Wirtschaftspreisträgern nach Stockholm eingeladen, wo am 10. Dezember, Nobels Todestag, die feierliche Überreichung der Nobelpreise durch den schwedischen König stattfindet. Neben einer Nobelmedaille und einem persönlichen Diplom erhält der Preisträger des Literatur-Nobelpreises ein Preisgeld von derzeit 10 Millionen Schwedischen Kronen; wird der Preis mehreren Personen zuerkannt (bis zu drei sind nach den Statuten der Nobel-Stiftung möglich), wird diese Summe anteilig geteilt.

In der Regel hält der Preisträger im Laufe der Woche seinen öffentlichen Nobelvortrag.

Kritik am Nobelpreis für Literatur

Trotz seiner Bedeutung konnte sich der Nobelpreis nie vollkommen der Kritik entziehen, vor allem weil offensichtlich ist, dass die Mehrheit der Preisträger bis weit ins letzte Viertel des 20. Jahrhunderts vor allem aus dem nord- und mitteleuropäischen Sprachraum stammte. Eine Erklärung hierfür ist die Tatsache, dass die Jury bis heute lediglich aus Skandinaviern besteht und viele literarische Meisterwerke aus anderen Teilen der Welt zu Lebzeiten ihrer Autoren schlichtweg zu unbekannt waren. Der Anteil der nicht-europäischen Schriftsteller unter den Preisträgern hat in den letzten Dekaden jedoch deutlich zugenommen.

Ein anderer häufig vorgebrachter Kritikpunkt ist, dass die Ausgezeichneten oft eher wegen ihres (gesellschafts-)politischen Engagements als für ihre literarischen Werke bekannt seien.[2] Dabei wird gerne übersehen, dass Nobel die Jury im Testament ausdrücklich auf den Idealismus des Autors bzw. seines Werkes verpflichtete.

Preisträger

Siehe auch: Liste der Nobelpreisträger für Literatur

Selma Lagerlöf, 1909 erste Preisträgerin, gemalt von Carl Larsson

Seit der ersten Verleihung im Jahr 1901 an den französischen Lyriker und Philosophen Sully Prudhomme wurde der Nobelpreis für Literatur bisher 104 Personen zuerkannt (Stand: 2007), elf davon waren Frauen: Die erste war 1909 Selma Lagerlöf, es folgten 1926 Grazia Deledda, 1928 Sigrid Undset, 1938 Pearl S. Buck, 1945 Gabriela Mistral, 1966 Nelly Sachs, 1991 Nadine Gordimer, 1993 Toni Morrison, 1996 Wisława Szymborska, 2004 Elfriede Jelinek und 2007 Doris Lessing. Viermal (1904, 1917, 1966 sowie 1974) wurde die Auszeichnung zwischen jeweils zwei Personen geteilt, in den Jahren 1914, 1918, 1935 sowie 1940 bis 1943 wurde der Literatur-Nobelpreis nicht vergeben.

Dem englischen Sprachraum zuzurechnende Verfasser stellen die größte Anzahl unter den Preisträgern, gefolgt von Verfassern aus dem französischen, dem deutschen, dem spanischen, dem schwedischen und dem italienischen Sprachraum.
Beginnend mit dem Historiker Theodor Mommsen, der den Preis 1902, bei der zweiten Verleihung, erhielt, wurden bisher zwölf dem deutschen Sprachraum zuzurechnende Verfasser mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet. Dazu zählen der Philosoph Rudolf Eucken (1908), die Schriftsteller Paul Heyse (1910), Gerhart Hauptmann (1912), Thomas Mann (1929), Heinrich Böll (1972) und Günter Grass (1999). 1966 erhielt die im schwedischen Exil lebende Dichterin Nelly Sachs die Auszeichnung. Neben dem lange Zeit in der Schweiz lebenden gebürtigen Deutschen Hermann Hesse (1946) und dem ebenfalls häufig in der Schweiz lebenden, in Bulgarien geborenen Elias Canetti (1981) war der bisher einzige Schweizer Preisträger Carl Spitteler (1919); bisher einzige österreichische Preisträgerin ist Elfriede Jelinek (2004).
Je einmal wurden bisher Verfasser ausgezeichnet, die in folgenden Sprachen schrieben: Provenzalisch (Frédéric Mistral; 1904), Bengalisch (Rabindranath Tagore; 1913), Finnisch (Frans Eemil Sillanpää; 1939), Isländisch (Halldór Laxness; 1955), Serbokroatisch (Ivo Andrić; 1961), Hebräisch (Samuel Josef Agnon; 1966), Jiddisch (Isaac Singer; 1978), Tschechisch (Jaroslav Seifert; 1984), Arabisch (Nagib Mahfus; 1988), Portugiesisch (José Saramago; 1998), Chinesisch (Gao Xingjian; 2000), Ungarisch (Imre Kertész; 2002) und Türkisch (Orhan Pamuk; 2006).

Zweimal kam es vor, dass ein Schriftsteller den Preis ablehnte: 1958 Boris Pasternak auf Druck der sowjetischen Führung; der Preis wurde posthum 1989 an Pasternaks Sohn überreicht. 1964 nahm Jean-Paul Sartre (Frankreich) die Ehrung nicht an.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Auszug aus dem Testament in deutscher Übersetzung; ausgelassen wurde das ursprüngliche „im verflossenen Jahr“, da es in § 2 der Statuten der Nobel-Stiftung relativiert wird.
  2. Die Welt zur manchmal merkwürdigen Auswahl der Nobel-Jury


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