Antiblockiersystem

Antiblockiersystem

Das Antiblockiersystem (ABS), in der StVZO „Automatischer Blockierverhinderer“ (ABV) genannt, ist ein vorwiegend in Kraftfahrzeugen, aber auch in Eisenbahnen und Flugzeugfahrwerken verwendetes technisches System zur Verbesserung der Fahrsicherheit und zur Minderung von Verschleiß an den Laufflächen der Räder. Es wirkt bei starkem Bremsen einem möglichen Blockieren der Räder durch Verminderung des Bremsdrucks entgegen.

Hierdurch ermöglicht ABS beim Bremsen von Kraftfahrzeugen und Flugzeugen eine bessere Lenkbarkeit und Spurtreue. Außerdem kann das System über die Regelung des Radschlupfs den Bremsweg auf nasser Straße verkürzen. Auf trockener Straße und losem Untergrund – zum Beispiel Schotter oder Schnee – kann sich der Bremsweg dagegen verlängern. Bei Eisenbahnen soll das System die Flachstellenbildung verhindern, die sonst zu einem charakteristischen Schlaggeräusch während der Fahrt führt.

ABS Symbol
ABS-Symbol im Cockpit

Inhaltsverzeichnis

Prinzip

Die maximale Bremsverzögerung wird in Abhängigkeit von Fahrbahnzustand und Reifen bei etwa 8–25 % Schlupf erreicht.[1] 20 % Bremsschlupf bedeuten, dass im selben Zeitraum, in dem das Fahrzeug einen Weg von einem Meter zurücklegt, die Räder nur 0,8 Meter abrollen. Nach dem Erreichen des Bremskraftmaximums – also jenem Schlupfwert, bei dem die höchste Verzögerung erzielt wird – wächst der Schlupf bei sinkender Bremskraft weiter an, bis das Rad schließlich blockiert (= 100 % Bremsschlupf). Im blockierten Zustand wird nur noch über Gleitreibung abgebremst. Das ABS steuert die Bremskraft an jedem Rad so, dass der Schlupf während des Bremsvorganges jederzeit möglichst nahe beim optimalen Wert bleibt. Bei starkem Bremsen pendelt der Schlupf um diesen Punkt der maximalen Bremskraft.

Bei Gleiten des Reifens ist außerdem keine Übertragung von Seitenkräften möglich. Da das Fahrzeug über die gesamte Auflagefläche der Reifen rutscht, bewirkt ein Lenkeinschlag keine Richtungsänderung. Darüber hinaus kann am Rad beim Blockieren durch punktuellen Abrieb eine sogenannte Bremsplatte entstehen. Beides wird durch ABS vermieden.[2]

Aufbau und Wirkungsweise

4-Kanal-ABS in einem 1995er Fiat Punto.
Kennzeichen sind die vier einzeln zu den Rädern geführten Bremsleitungen und die elektronische Steuerung rechts unter dem mit ABS beschriebenen Deckel

Die ersten ABS-Anlagen waren 3-Kanal-Systeme, d.h. der Bremsdruck konnte nur für beide Hinterräder gemeinsam gesteuert werden. Beim aktuell (2011) üblichen Standard kommt bei Pkws ausschließlich das 4-Kanal-ABS zum Einsatz, das alle Räder getrennt erfasst.[3]

Eine ABS-Anlage ist eine Erweiterung der bisherigen standardisierten Zweikreisbremsanlage. Je zwei der vier Radbremszylinder werden gemeinsam von je einem der beiden Haupt-Bremszylinder betätigt. Mit ABS (4-Kanal-) kann unabhängig von dieser Grundausführung in jedem der vier Radbremszylinder der Druck einzeln gemindert werden.

An jedem Rad befindet sich ein Induktionsgeber oder bei neueren Fahrzeugen ein Hallgeber sowie eine Loch- oder Zahnscheibe, mit denen die Drehzahl gemessen wird. Der Bremsdruck an einem Rad wird gemindert, wenn dessen Drehzahl während des Bremsens im Vergleich zu denen der anderen Räder unverhältnismäßig sinkt. Im hydraulischen Teil des ABS üblicher Konstruktion sind an der zu jedem Rad führenden Druckleitung zwei Magnetventile angebracht. Zuerst sperrt das erste Ventil die Leitung. Sinkt die Drehzahl weiter, so wird mit dem zweiten, im Ruhezustand geschlossenen Ventil Bremsflüssigkeit seitlich ausgelassen, wobei der Bremsdruck sinkt. Die ausgelassene Flüssigkeit wird mit einer gleichzeitig anlaufenden elektrischen Pumpe in den Raum und auf das Druckniveau zwischen Hauptbremszylinder und dem ersten Magnetventil zurück gefördert. Ansonsten würde die Flüssigkeit dort fehlen, und das Bremspedal würde weiter durchgetreten, wenn das erste Magnetventil nach Drehzahlerhöhung wieder öffnet. Es finden viele solche Arbeitsspiele nacheinander und schnell statt (etwa 10 pro Sekunde, bei Motorrädern 15 pro Sekunde), das Bremspedal wäre bald ganz durchgetreten und Bremsen nicht mehr möglich. Die Druckerhöhung infolge des Rückpumpens wird am Pedal mit dem Fuß als Vibrieren wahrgenommen. Durch das automatische, schnelle Stottern der Bremsen ruckelt und rattert das Fahrzeug deutlich. Gemäß Grundkonzept der hydraulischen Trennung in zwei Kreise sind zwei Pumpen vorhanden (oft aber mit nur einem Elektromotor angetrieben).

Bei mäßigem Bremsen im normalen Fahrbetrieb und bei Ausfall des ABS wirkt das Bremssystem wie eine normale Zweikreisanlage. Der Bremsdruck vom Hauptzylinder wirkt über die offenen Leitungen ungemindert auf die Radzylinder. Die beiden Ventile (acht pro Vierradfahrzeug) werden im Ruhezustand mit Federkraft offen (erstes Ventil) beziehungsweise geschlossen (zweites Ventil) gehalten. Das normale Bremsen funktioniert auf diese Weise auch bei Stromausfall.

Die umfangreiche Signalverarbeitung erfolgt in einer zentralen Steuereinheit. Unterhalb einer generellen Mindestfahrzeuggeschwindigkeit (etwa 6 km/h) wird das ABS abgeschaltet. Beim Einschalten der Zündung und beim Einschalten des ABS nach Überschreiten der Mindestgeschwindigkeit erfolgen Selbsttests. Erkannte Fehler werden in einen elektronischen Speicher eingeschrieben, um die Fehlersuche bei Defekten zu erleichtern.

Bei Lkws mit Druckluftbremsanlagen wirkt das ABS nach dem gleichen Prinzip. Da ein Luftkompressor permanent arbeitet, entfallen die Rückförderpumpen für die ausgelassene Luft. Die zusätzlichen Ventile befinden sich direkt bei den Radbremszylindern, denn Luftdruckänderungen von einem zentralen Punkt aus über lange Leitungen kämen zu spät bei den Rädern an. Hydraulische Druckänderungen haben hingegen wesentlich kürzere Laufzeiten.

Zusatzfunktionen

Bremskraftverteilung

Neuere Versionen des ABS übernehmen auch die Bremskraftverteilung (sog. elektronische Bremskraftverteilung – EBV) zwischen Vorder- und Hinterachse (4-Kanal-Systeme) und ersetzen damit früher übliche mechanische Regler (Bremskraftverteiler), die teilweise noch bei Lkw eingebaut werden. Daraus ergeben sich mehrere Vorteile:

  • Optimale Ausnutzung des Kraftschlussbeiwertes an beiden Achsen – inkl. diagonaler Radlasten, das sich mit mechanischen Reglern nicht optimal darstellen ließ.
  • Schon bei leichten Bremsungen wird die Hinterachse mitgebremst und ein bekanntes Problem beseitigt: Bei der mechanischen Bremskraftverteilung konnte es vorkommen, dass die Bremsscheiben an der Hinterachse zu selten durch das Bremsen gereinigt wurden und so Korrosion an der Oberfläche oder Schmutz die Bremswirkung reduzierte.

Weiterhin gehört zu neueren Systemen auch die Notraderkennung. Noträder haben einen kleineren Abrollumfang und drehen sich schneller, so dass das ABS im Falle einer Vollbremsung die Rückmeldung von dessen Drehzahlsensor korrekt verarbeiten kann.

Inzwischen wird ABS zunehmend durch ESC (Fahrdynamikregelung) ergänzt.

Giermomentabschwächung

μ-Split

Wenn sich das Fahrzeug auf einer Fahrbahn mit unterschiedlichen Reibwerten zwischen der rechten und linken Seite befindet (beispielsweise Schnee oder nasses Laub am Fahrbahnrand), würde bei einer plötzlichen Vollbremsung und einem positiven oder negativen Lenkrollradius das Lenkrad sofort einschlagen, weil die Fahrzeugseite auf dem griffigen Untergrund stärker gebremst wird, als die Fahrzeugseite auf dem glatten Untergrund. Bei der Fahrzeugabstimmung des ABS sorgen die Hersteller dafür, dass der Bremsdruck des Rades auf griffigem Untergrund nicht so schnell stark ansteigt, wie es physikalisch möglich wäre. Dadurch erhält der Fahrer zusätzliche Reaktionszeit, um durch Gegenlenken zu reagieren.[4] Die Zeit, die das ABS braucht, um auf griffigem Untergrund zur vollen Bremsleistung zu kommen, ist abhängig von der Herstellerphilosophie. Sie ist bei sportlichen Fahrzeugen üblicherweise kürzer als bei Limousinen. Durch den verlangsamten Aufbau der Bremskraft verlängert sich auch der Bremsweg. Dies wird jedoch angesichts der Vorteile hinsichtlich der Fahrzeugkontrolle in Kauf genommen.

Inzwischen gibt es auch Systeme, welche die Giermomentenabschwächung durch einen automatischen Eingriff in die Lenkung ersetzen.[5] Bei einem aktiven Gegenlenken mittels einer Überlagerungslenkung (Aktivlenkung) entfällt die Verlängerung des Bremsweges durch die Giermomentabschwächung.

Offroad-ABS

Offroad-ABS ist eine vor allem in Geländewagen angebotene Zusatzfunktion, welche die bisherige systembedingte Bremswegverlängerung auf losem Untergrund weitgehend aufhebt. Durch intervallartiges Blockieren eines oder mehrerer Räder wird die Bremswirkung des Keils genutzt, der sich beim Bremsen vor dem Rad bildet.[6] Auf anderen Fahrbahnbelägen funktioniert das System wie ein herkömmliches ABS. Die Zusatzfunktion wurde 2006 im VW Touareg unter der Bezeichnung ABSplus vorgestellt[7] und ist heute auch bei anderen Herstellern erhältlich. Die geänderte Bremsregelung kann bei einigen Herstellern auch manuell aktiviert werden.

Geschichte

Der erste Einsatz eines Blockierverhinderers wurde in der Luftfahrt erprobt, damit das Flugzeug nach der Landung beim Bremsen aus hoher Geschwindigkeit in der Spur blieb. Bereits 1920 setzte der französische Automobil- und Flugzeugpionier Gabriel Voisin ein hydraulisch funktionierendes System ein. In den 1950er Jahren wurden diverse Verkehrsflugzeuge mit dem Maxaret-Anti-Skid der britischen Firma Dunlop ausgerüstet[8]

1928 erhielt der Deutsche Karl Wessel ein Patent auf einen Bremskraftregler für Automobile, allerdings kam er über das Papierstadium nicht hinaus. 1936 gab es von Bosch ein Patent auf eine Vorrichtung zum Verhüten des Festbremsens der Räder eines Kraftfahrzeuges. Die Geräte bestanden aus etwa 1000 analogen Bauteilen und waren noch sehr unhandlich und langsam. Durch die Digitaltechnik konnte die Menge der Bauteile auf etwa 140 Stück reduziert werden. Damit war ABS serienreif.

1969 wurde die erste Generation eines ABS (elektronisch gesteuerten Anti-Blockier-Systems) auf der Internationalen Automobilausstellung vom amerikanischen Unternehmen ITT Automotive (bis 1967 Alfred Teves) präsentiert.

1970 stand Citroen kurz vor der Markteinführung des Teldix-ABS (Teldix für Telefunken - Bendix), die schließlich aufgrund finanzieller Probleme des Automobilherstellers sowie der ersten Ölkrise scheiterte. 1975 übernahm Bosch die Patente und Lizenzen von Teldix.

Personenkraftwagen

Der erste Pkw mit mechanischem ABS war der Jensen FF mit Dunlop-Maxaret-ABS aus dem Jahr 1966. 1969 rüstete Ford den Lincoln Continental Mark III mit einem nur auf die Hinterräder wirkenden ABS-System namens Sure-Track Brake System aus; ebenso den Ford Thunderbird. Von 1971 bis 1973 bot der Chrysler-Konzern sein Luxusmodell Imperial gegen Aufpreis mit einem Sure Brake genannten elektronischen Antiblockiersystem von Bendix an[9] [10], das Vorder- und Hinterräder umfasste. 1978 brachte Bosch sein elektronisches ABS auf den Markt; gleichzeitig wurde der Begriff ABS von Bosch rechtlich geschützt. Andere Hersteller bezeichnen ihre Systeme teilweise als ABV (Automatischer Blockierverhinderer). Zunächst war ABS für die S-Klasse W 116 von Mercedes-Benz erhältlich, dann für den BMW 7er der Baureihe E23. 1985 war der Ford Scorpio der erste Pkw, der serienmäßig über ABS verfügte. Ab 1987 waren bei Volkswagen auch der VW Golf II, Passat III und der Transporter T3 gegen hohe Aufpreise mit dem System erhältlich (Golf: 1800 DM, Passat: 2200 DM, Transporter: 3720 DM, Preise 1989). Ende 2003 hatten etwa 90 Prozent der zugelassenen Neufahrzeuge in Deutschland ABS. Aufgrund einer Selbstverpflichtung der europäischen Automobilindustrie (ACEA) werden seit dem 1. Juli 2004 alle Fahrzeuge mit weniger als 2,5 t zulässigem Gesamtgewicht serienmäßig mit ABS ausgestattet. Die japanischen Automobilverbände haben gleichlautende Verpflichtungen abgegeben.

Lastkraftwagen

Mercedes-Benz bietet seit 1981 das ABS für Druckluftbremsen an, entwickelt zusammen mit der Firma WABCO. Seit 1987 sind alle Reisebusse und seit 1991 auch alle LKW mit ABS ausgerüstet. Seit Januar 1991 dürfen LKW mit über 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht und Busse mit mehr als acht Sitzplätzen nur noch mit ABS zugelassen werden.

Motorräder

→ siehe Hauptartikel: Antiblockiersystem für Motorräder

ABS-Vorderradsensor einer BMW K 1100 LT

Das erste ABS für Motorräder wurde 1985 von Lucas Girling vorgestellt.[11] Der erste Serien-Hersteller war die Firma FTE automotive mit Sitz in Ebern/Unterfranken (damals noch eine Sparte der Firma FAG Kugelfischer). Dessen ABS wurde 1988 zuerst bei den BMW-K-Modellen als Option eingeführt und kostete damals 1980 DM Aufpreis. Heute liefern auch Bosch, Nissin, Continental-Teves und Brembo ABS. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung empfiehlt, ABS gesetzlich vorzuschreiben. Gleiches fordern die Vertreter der deutschen Delegation in einer Arbeitsgruppe der Wirtschaftskommission für Europa. Die wissenschaftliche Basis der Forderung ist eine Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen. Die Art und Weise des Vorhabens stößt zuweilen auf Kritik.[12]

Mittlerweile nimmt das Angebot an Motorrädern und Motorrollern zu, die optional oder serienmäßig mit ABS ausgestattet sind. Jüngste Studien des ADAC gehen in Hochrechnungen von 160 nicht getöteten Motorradfahrern pro Jahr aus und bis zu 6900 Motorrad-Unfälle mit Verletzungen hätten im Jahre 2009 verhindert werden können, wenn die Fahrer ABS an Bord gehabt hätten. Der ADAC kritisiert die zu geringe Verbreitung von ABS bei Motorrädern. Bei Motorrädern unter 250 cm³ ist ABS sogar nur bei weniger als einem Prozent der Modelle verbreitet. Bei den schwereren Maschinen gibt es das Sicherheitssystem bei gut 25 Prozent der Zweiräder in Europa.[13]

Das Motorrad-ABS ist bis jetzt (Stand 2010) dafür ausgelegt, die Fahrstabilität bei Geradeaus-Vollbremsungen aufrechtzuerhalten. Neuere Systeme gelten als eingeschränkt kurventauglich[14][15], voll kurventaugliche Systeme befinden sich noch in der Entwicklung.[16] Die Systeme sind je nach Hersteller unterschiedlich. Die Druckmodulation wird entweder über elektronisch geregelte Magnetventile (z. B. BMW, Ducati, Kawasaki, KTM, Suzuki, Yamaha), Plunger-System (BMW alt, Honda) oder Magnetsystem (Honda) vorgenommen.[17] Auch die Regelfrequenzen liegen je nach Systementwicklung weit auseinander. Erste Systeme (ABS I) lagen bei maximal 7 Regelvorgängen je Sekunden, neueste Systeme können 15 Regelvorgänge aufweisen. Unterhalb von 4 km/h (BMW, Honda etc.) bzw. 10 km/h (Honda SH 300) wird das System regelbedingt abgeschaltet.[18]

Studien bestätigen das Kaufinteresse an ABS, Verfügbarkeit und wirtschaftliche Vertretbarkeit vorausgesetzt. Der Aufpreis beträgt 600 bis 1050 Euro. Hinzu kommen modellspezifisch unterschiedlich erhöhte Wartungskosten gegenüber konventionellen Bremsanlagen. Zudem können manche Systeme nur in einer Vertragswerkstatt mit Spezialgeräten ordnungsgemäß gewartet werden.

Fahrräder

Im Jahre 2004 stellte die Firma Biria ein Antiblockiersystem für Fahrräder vor, das darauf beruht, über Seilzugsysteme die Bremskräfte gleichmäßig auf Vorder- und Hinterrad zu verteilen.

Die italienische Firma Brovedani hatte 1995 eine ABS-Bremse im Cantilever-Stil im Angebot. Das Prinzip ist, durch auf der Felge mitlaufende Rollen die über einen Unwuchthebel mit dem Bremsschuh gekoppelt sind, dessen Abstand zur Felge stetig zu verändern und damit eine beschleunigungsunabhängige ABS-Wirkung zu erreichen.

Eisenbahnen

Bei Schienenfahrzeugen sind seit mehreren Jahrzehnten als „Gleitschutz“ bezeichnete Systeme im Einsatz, die u. a. ein Blockieren der Räder beim Bremsen verhindern sollen. Dies geschieht primär jedoch nicht aus fahrdynamischen Überlegungen, sondern damit Rad und Schiene vor Verschleiß durch Gleiten geschützt werden.

Vor- und Nachteile

Der kleinstmögliche Bremsweg ergibt sich aus den physikalischen Gegebenheiten zwischen Bereifung und Fahrbahn. Zwar wird in manchen Fällen durch Blockieren der Räder der kürzestmögliche Bremsweg erreicht, doch die nur bei sich drehenden Rädern vorhandene Lenkfähigkeit ist in vielen Situationen ebenfalls entscheidend. Als Bremshilfe bietet hier ABS einen Kompromiss an: Zwar kann es mit ABS zu einer Verlängerung des Bremswegs kommen, doch das Blockieren mit seinen nachteiligen Folgen wird vermieden.

Prinzipiell kann die Lenkbarkeit des Fahrzeuges beim Bremsen auch ohne ABS erhalten werden. Sportfahrer beherrschen die entsprechende Fahrweise, indem sie den Bremsdruck dosieren oder die Bremse - wie im ABS nachgeahmt - stotternd bedienen. Beide Maßnahmen trifft das ABS automatisch, wogegen durchschnittliches menschliches Reaktionsvermögen und Geschicklichkeit üblicherweise nicht ausreichen, um in gefährlichen Situationen richtig zu reagieren. Durch das ABS in modernen Kraftfahrzeugen wird das Bremsen nahezu optimal und für jedes Rad einzeln gesteuert.

Vorteile (insbesondere beim Betrieb auf festem Untergrund)
  • Das Fahrzeug bleibt auch bei Vollbremsungen lenkbar, so dass das Hindernis umfahren werden kann.
  • Besonders auf nassen Straßen weist das Fahrzeug besseres Bremsverhalten und kürzere Bremswege auf.
  • Schonung der Reifen, da sich die Reifenabnutzung gleichmäßig über den Umfang verteilt. Im Gegensatz dazu kann bei einer Blockierbremsung der Reifen an einer Stelle stark abgetragen werden. Dadurch entstehen so genannte Bremsplatten, welche einen unruhigen Lauf und starke Geräuschentwicklung verursachen.
  • Bessere Lenkbarkeit auf unterschiedlich griffiger Fahrbahn durch Giermomentenabschwächung.
  • Die Bremskraft kann radindividuell optimal gesteuert werden
Nachteile
  • Auf Fahrbahnoberflächen mit losem Untergrund, wie z.B. Sand, Schotter oder Schnee kommt es ohne ABS bei blockierten Rädern zu einer Keilbildung vor dem Rad. Dieser Keil kann zu einer Verkürzung des Bremswegs führen.[19] Neuere Systeme ab 2001 wie z.B. das ABS 8.1 von Bosch verkürzen jedoch selbst unter Schnee den Bremsweg.[20]

Literatur

  • Karl-Heinz Dietsche, Thomas Jäger, Robert Bosch GmbH: Kraftfahrtechnisches Taschenbuch. 25. Auflage, Friedr. Vieweg & Sohn Verlag, Wiesbaden, 2003, ISBN 3-528-23876-3.
  • Robert Bosch (Hrsg): Autoelektrik Autoelektronik. 5. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Vieweg & Sohn Verlag, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-528-23872-8.
  • Bert Breuer, Karlheinz H. Bill: Bremsenhandbuch: Grundlagen, Komponenten, Systeme, Fahrdynamik. 3. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Vieweg & Sohn Verlag, Wiesbaden 2006, ISBN 978-3-8348-0064-0.

Einzelnachweise

  1. B. Breuer, K. Bill: Bremsenhandbuch, 2006, S. 21.
  2. B. Breuer, K. Bill: Bremsenhandbuch, 2006, S. 111.
  3. Schema eines Antiblockiersystems Kfz-Technik, Wissenswertes, Simulation, Fragen, Aufgaben
  4. B. Heissing: Fahrwerkhandbuch, 2007, S. 515.
  5. B. Heissing: Fahrwerkhandbuch, 2007, S. 504.
  6. H. Winner: Handbuch Fahrerassistenzsysteme, 2009, S. 430.
  7. pkw-trend.de: VW Touareg mit neuem Design und neuen Technologien. Abgerufen am 22. Februar 2010
  8. www.aviationancestry.com. Dunlop Maxaret Anti-Skid. Abgerufen am 26. November 2009.
  9. Beschreibung des Imperial Sure Brake System Händler-Katalog auf ImperialClub.org
  10. Pressemitteilung von Chrysler vom 27. August 1970 ImperialClub.org
  11. motorradonline vom 4. September 2009 ABS-Spezial (Teil 5) Die Geschichte
  12. Jo Soppa: Sicherheitsdienst. In: MO. 04/06.
  13. motorradonline.de vom 7. April 2010 ADAC Unfallforschung: Motorrad-ABS rettet Leben
  14. Das Integral ABS von BMW Motorrad
  15. motorradonline.de vom 18. November 2009 Grundlagen (Teil 7) Fazit
  16. Jürgen Stoffregen: Motorradtechnik. 7. Auflage 2010. Seite 396 ff
  17. motorradonline.de vom 4. September 2009 ABS-Spezial (Teil 4) Die Technik
  18. Jürgen Stoffregen: Motorradtechnik. 7. Auflage 2010. Seite 378 ff
  19. bosch-safebraking.de Wichtige Fragen und Antworten (abgerufen am 13. September 2011)
  20. bosch.at ABS 8.1 (abgerufen am 13. September 2011)

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Antiblockiersystem – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Commons: Anti-lock braking systems – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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