Linden-Limmer

Linden-Limmer
Karte
Hannover, Stadtbezirk Linden-Limmer hervorgehoben
Basisdaten
Stadtbezirk Linden-Limmer (10)
Fläche 8,18 km²
Einwohner 43.164
Bevölkerungsdichte 5.277 Einwohner/km²
Postleitzahl 30449, 30451, 30453
Stadtteile
  • Linden-Mitte
  • Linden-Nord
  • Linden-Süd
  • Limmer
Webpräsenz hannover.de
Politik
Bezirksbürgermeisterin Barbara Knoke (SPD)
Stadtbezirksrat
(21 Sitze)
SPD: 8, Grüne: 6, CDU: 3, Die Linke: 1, FDP: 1, BSG: 2

Linden-Limmer ist der 10. Stadtbezirk in Hannover. Er hat 43.164 Einwohner und besteht aus den Stadtteilen Linden-Mitte (11.843 Einwohner), Linden-Nord (16.080 Einwohner), Linden-Süd (9.326 Einwohner) und Limmer (5.915 Einwohner) (2011).

Inhaltsverzeichnis

Linden

Wappen von Linden

Das Dorf Linden entstand im 11. Jahrhundert und wuchs im 19. Jahrhundert zur Industriestadt, die 1920 nach Hannover eingemeindet wurde. Linden besteht heute aus den Stadtteilen Linden-Mitte, -Nord und -Süd. Es ist geprägt durch eine vielfältige Gastronomieszene und einen hohen Anteil von Bewohnern mit Migrationshintergrund. Das bürgerschaftliche Engagement ist ausgeprägt, kulturelle Aktivitäten (wie zumBeispiel das Fährmannsfest) haben stadtweite Ausstrahlung. Ausdruck des örtlichen Selbstverständnisses ist der „Lindener Butjer“, eine den spielenden Kindern des frühen 20. Jahrhunderts nachempfundene Regionalfigur.

Linden-Mitte

Linden-Mitte ist die Keimzelle Lindens und wird begrenzt durch die Fösse sowie Fössestraße und Spinnereistraße im Norden, die Ihme im Osten, Badenstedter Straße, Am Lindener Berge, Westschnellweg, Von-Alten-Allee und Deisterstraße im Süden sowie die Güterumgehungsbahn im Westen. Durch den Westschnellweg wird der Stadtteil in ein Gewerbegebiet im Westen und das Wohngebiet im Osten geteilt.

Geburtshaus Hannah Arendt am Lindener Marktplatz 2

Mittelpunkt des Stadtteils ist der Lindener Marktplatz mit dem neuen Rathaus von 1899 (das alte befindet sich an der Deisterstraße), dem Nachtwächterbrunnen, den ältesten Straßenlaternen Hannovers (im Volksmund „Bischofsstäbe“ genannt), dem Geburtshaus der Philosophin und Politologin Hannah Arendt und einem Dienstags und Samstags stattfindenden Wochenmarkt. Die Stadtteilbibliothek Linden-Mitte mit großer Kinder- und Jugendabteilung ist im neuen Rathaus untergebracht. Der Platz und seine Umgebung ist in großen Teilen durch Gründerzeithäuser geprägt, zum Beispiel in Wittekind-, Haasemann- und Beethovenstraße sowie am Pariser Platz und Lichtenbergplatz.

Die seit 1500 am Schwarzen Bären bestehende Ihme-Brücke war lange Zeit die einzige Verbindung zwischen Hannover und Linden. Die 1992 nach Benno Ohnesorg benannte Brücke wird seit 2008 durch einen Neubau ersetzt. Diese soll mit einem Hochbahnsteig für die Stadtbahn ausgestattet werden und 2012 fertig gestellt sein.

An der Falkenstraße wurde 1884 das erste Gymnasium in Linden gegründet, die heutige Helene-Lange-Schule. Die IGS Linden am Fuße des Lindener Berges wurde 1971 als erste Integrierte Gesamtschule Hannovers gegründet.

Die St.-Martins-Kirche ist die älteste Kirche Lindens, von der nur der Kirchturm den Zweiten Weltkrieg unbeschädigt überstanden hat. An sie schließt sich der Von-Alten-Garten an, der ursprünglich als Barockgarten angelegt wurde.

Auf dem Gelände der 1961 stillgelegten Mechanischen Weberei wurde Anfang der 1970er Jahre im Stil des Brutalismus das Ihme-Zentrum als Einkaufs- Wohn- und Bürozentrum gebaut. Angrenzend auf der anderen Seite der Blumenauer Straße wurde auf dem früheren Gelände der Lindener Aktien-Brauerei eine Reihenhaussiedlung, das Gilde Carré, errichtet.

Der an der Grenze zu Linden-Nord liegende Platz Küchengarten (früher ein Nutzgarten der Welfen) wurde neu gestaltet. Hier wird das Lindener Schützenfest gefeiert. Hier befindet sich in einem ehemaligen städtischen Badehaus das Theater am Küchengarten (TAK). Auf dem Lindener Berg, der zweithöchsten natürlichen Erhebung Hannovers nach dem Kronsberg, befinden sich auf dem Wasserhochbehälter die Volkssternwarte Hannover und gegenüber in einem ehemaligen Jugendhaus der Jazz Club Hannover. Im gleichen Gebäude spielt das „Mittwoch-Theater“. Der Lindener Bergfriedhof wurde 1862 angelegt und 1965 außer Dienst gestellt. Hier steht seit 1914 der barocke „Küchengarten-Pavillon“. Seit 2004 findet alljährlich Ende März/Anfang April während der Scilla-Blüte ein Blütenfest unter dem Motto „Das Blaue Wunder“ statt.

Im westlich des Westschnellwegs gelegenen Gewerbegebiet liegt am Stichkanal Linden der Lindener Hafen. Hier haben Betriebe der chemischen Industrie (Kleber- und Kleisterproduktion), Recyclingbetriebe, metallverarbeitende Unternehmen und Speditionen ihren Sitz.

In der Nähe des Fössebades hat der im Rugby erfolgreiche TSV Victoria Linden seinen Sportplatz.

Linden-Nord

Linden-Nord wird begrenzt durch Leine und Ihme im Norden und Osten, Fössestraße und Spinnereistraße im Süden sowie den Westschnellweg im Westen.

Die Hauptachse des Stadtteils ist die Limmerstraße. Entlang der überwiegend als Fußgängerzone ausgewiesenen Geschäftsstraße gibt es viele Gaststätten und Läden. In einem Hinterhof befindet sich das 1908 gegründete Apollokino der Familie ter Horst, eines der ältesten Vorstadtkinos Deutschlands. In ihm begann der spätere Cinemaxx-Gründer Hans-Joachim Flebbe seine Karriere. Des Weiteren gibt es in Linden-Nord das Kulturzentrum FAUST mit dem Bürgerfunk radio flora.

Im Stadtteil haben viele Einwohner einen Migrationshintergrund. Wegen der Nähe zur Universität und Fachhochschule ist er zugleich ein bevorzugter Wohnort von Studenten.

Das Freizeitheim Linden ist die erste Einrichtung seiner Art in Deutschland. In ihm befindet sich eine Stadtteilbibliothek mit einer großen Kinder- und Jugendabteilung. Bethlehemkirche und Gerhard-Uhlhorn-Kirche gehören zur Ev.-luth. Kirchengemeinde Linden-Nord, die St.-Benno-Kirche zur katholischen Gemeinde. In der Fössestraße befindet sich eine Moschee des Türkischen Kulturzentrums.

Seit August 1983 findet alljährlich am Mündungsufer der Ihme das Fährmannsfest statt, ein Musik- und Kulturfest. Das Fest ist nach der Fähre benannt, die einst Linden mit Hannover verband. Auf der Dornröschenbrücke, die den Stadtteil mit der angrenzenden Nordstadt verbindet, findet jährlich eine Gemüseschlacht statt.

Im August 1962 ging das von den Stadtwerken Hannover betriebene Heizkraftwerk Linden ans Netz. Es stellt über die Stromerzeugung hinaus die Ausgangsbasis für das rund 280 Kilometer umfassende Fernwärmenetz Hannovers dar (Stand: 2007). Anfangs mit Steinkohle betrieben wurde 1990 auf Erdgasfeuerung umgestellt. Wegen der drei Kesselhäuser mit den hohen Schornsteinen hat das Werk den Spitznamen „Die drei warmen Brüder“. Nach Abschluss von Entkernungs- und Modernisierungsmaßnahmen wurde im Jahr 1998 eine Gas- und Dampf-(GuD)-Turbinenanlage in Betrieb genommen.

In Linden-Nord wurde eine der ersten Fahrradstraßen Hannovers eingerichtet.

Linden-Süd

Linden-Süd wird begrenzt im Norden durch die Straßen Am Lindener Berge, Westschnellweg, Von-Alten-Allee und Deisterstraße (bis Schwarzer Bär), im Osten durch die Ihme, im Süden durch die Bahnstrecke Hannover–Altenbeken und im Westen durch die Straße Am Ihlpohl, einer früheren Bahntrasse zum ehemaligen Güterbahnhof Küchengarten.

Das Ahrbergviertel in der Nähe des Allerweges und Deisterplatzes ist der kulturelle Mittelpunkt der spanischstämmigen Bewohner in der Region Hannover. Dies spiegelt sich in der offiziellen Straßenbenennung wider („Plaza de Rosalia“). Benannt wurde das Viertel nach der früheren Wurstfabrik Fritz Ahrberg.

Die Erlöserkirche am Allerweg bietet regelmäßig Gospel-Gottesdienste an. Die katholische Pfarrkirche ist St. Godehard.

Im Norden des Stadtteils liegt das frühere Hanomag-Gelände. Heute wird das lange Zeit brach liegende Gelände durch Einzelhandel (u.a. Baumärkte, Fahrradhandel) und Bürogebäude (Polizei, Telekom) bestimmt. Mehrere Gebäude (darunter die „U-Boot-Halle“) stehen unter Denkmalschutz. Von der Firma Komatsu werden auf einem kleinen Teil des ehemals großen Firmengeländes weiterhin Baumaschinen produziert.

Die Humboldtschule, 1899 gegründet und seit 1962 in Linden-Süd an der Ricklinger Straße ansässig, ist mit circa 1.000 Schülern eines der größten und traditionsreichsten Gymnasien Hannovers. Das zum Klinikum Region Hannover gehörende Klinikum Siloah wird durch einen Neubau ersetzt und nach dessen Fertigstellung mit dem Klinikum Oststadt-Heidehaus zum Klinikum Mitte zusammengelegt. Die seit April 2011 zur MHH gehörende Hautklinik Linden soll auf deren Gelände verlegt werden.

Linden-Süd hat mit dem Bahnhof Hannover-Linden/Fischerhof an der Grenze zum Nachbarstadtteil Ricklingen Anschluss an die S-Bahn Hannover. Hier liegt das Kaiser-Center, ein mit Sport- und Spielaktivitäten umgenutztes Gebäude der ehemaligen Kaiser-Brauerei. Gegenüber diesem Sportzentrum und der Humboldtschule beginnen hinter der Ritter-Brüning-Straße die Sportplätze des Sportparks Hannover. Auf dem Lindener Berg befindet sich das Stadion am Lindener Berg, in dem der Sportverein SV 1907 Linden (kurz Linden 07) seine Fußball-Heimspiele hat.

Geschichte

Gründung

Linden und die Ihme um 1636 links im Vordergrund, dahinter Hannover
Georgenschanzen 1763 auf dem Lindener Berg, daneben Linden mit Von-Alten-Garten (Mitte) und Küchengarten (oben), rechts Befestigungswerk an der Brücke der Ihme

Erstmals urkundlich erwähnt wurde Linden 1113 als sich Kaiser Lothar III. dort aufhielt und Graf Widekind I. von Schwalenberg in seiner Gegenwart Recht sprach. Die Siedlung entwickelte sich wahrscheinlich aus einer unter Linden gelegene Gerichtsstätte der Grafen von Roden. 1285 wird erstmals die Kirche des Heiligen Martin erwähnt, die 1328 dem Kloster Marienwerder eingegliedert wurde. Die Kirche wurde nach Zerstörung im Zweiten Weltkrieg 1957 wiederaufgebaut. In der Umgebung Lindens lagen Lehenshöfe, zunächst der Grafen von Roden, später der Welfen.

1652 ließ Herzog Georg Wilhelm in Linden einen Lust- und Küchengarten anlegen zur Versorgung seines Hofes mit Obst und Gemüse. Diese Funktion behielt er bis zum Ende des Königreichs Hannover 1866. Danach wurden an seiner Stelle (er befand sich im Bereich zwischen den heutigen Straßen Fössestraße, Dieckbornstraße und Davenstedter Straße) ein Güterbahnhof errichtet sowie Wohnhäuser gebaut. Heute erinnert nur noch der Platz Am Küchengarten im heutigen Stadtteil Linden-Mitte an die frühere Nutzung.

1688 erwarb der Oberhofmarschall Franz-Ernst von Platen für etwa 12.000 Reichstaler das Gut der Familie von Alten durch einen Nutzungsvertrag. Es umfasste etwa 56 Hektar Land, Jagdrecht, Gerichtsbarkeit, verschiedene Zehnte, den Lindener Schäferhof sowie Ländereien und Berechtigungen in der Lindener Glocksee, der Neustadt und der Aegidienmasch. Nach dem Kauf zusätzlicher Höfe ließ von Platen den etwa 7 ha großen Von-Alten-Garten als Barockgarten anlegen, den ab 1718 eine Mauer umgab. Der Graf von Platen erwarb 1700 weitere 20 Hektar Land und ließ eine neue Straße, die Leineweberstraße, mit 30 Häusern für die Weberzunft anlegen. Auch ließ er eine Schmiede, Bierbrauerei, Branntweinbrennerei, Kalkbrennerei sowie eine Wachsbleiche mit Meister und Gesellen aus Italien einrichten. Der Graf ließ zudem in einer auf dem Gut errichteten Kapelle eigens für seine Hörigen Gottesdienste abhalten. 1796 wurde in einem Haus in der Weberstraße eine Schule für Neu-Linden eingerichtet.

Während des Siebenjährigen Kriegs wurden die Anlagen der Stadtbefestigung Hannover reaktiviert. Dazu entstanden außen liegenden Schanzen, wie die 1761 entstandenen Georgenschanzen auf dem Lindener Berg. Gebaut wurde nur der innere Ring der Sternschanze. Auch die Westseite des Ihmeufers in Linden erhielt ein Befestigungswerk zum Schutz der Brücke.

Alt-Linden und Neu-Linden

Im Laufe der Zeit entwickelte sich aus dem Areal das vom alten Dorf Linden verwaltungsrechtlich getrennte „Neu-Linden“, das auch einen eigenen Nachtwächter, einen eigenen Vorsteher und eine eigene Schützengesellschaft erhielt. Zu Neu-Linden gehörten die Häuser der Weberstraße, Häuser und Speicher in der Blumenauer Straße sowie Häuser in der Hohe Straße und der Deisterstraße. Nach dem Rückkauf des Gutes Linden im Jahr 1816 durch die Familie von Alten verließ die Familie von Platen Linden.

Das alte Dorf Linden reichte ursprünglich vom Lindener Berg bis zur Glocksee und Ohe am gegenüberliegenden Ufer der Ihme. 1829 wurden Glocksee und Ohe selbstständige Orte mit eigener Verwaltung, blieben aber bezüglich Kirche und Schule weiterhin Linden zugehörig.

Mit Erlass verfügte 1826 die Königliche Landdrostei Hannover für die Gerichtszuständigkeit eine Grenzlinie zwischen Alt-Linden und Neu-Linden. Nach dem Erlass hatte Alt-Linden einen Bauermeister und drei Vorsteher, Neu-Linden einen Vorsteher und zwei Nebenvorsteher. Zu Alt-Linden gehörten der Lindener Berg, Kirchstraße, Lindener Straße, Hohe Straße, Posthornstraße, Blumenauer Straße, das Gut von Alten einschließlich Gerichtshof, der Bereich westlich der nördlichen Deisterstraße von der Allee (die heutige Von-Alten-Allee) bis zur Ihmebrücke. Zu Neu-Linden gehörten der Bereich östlich der nördlichen Deisterstraße von der Allee bis zur Ihmebrücke, der südliche Rest der Deisterstraße und die Weberstraße.

1842 hatte das Dorf Linden 3.207 Einwohner [1].

Während Linden sich im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts zu einem Wohnort für die Vorstadtvillen begüterter Familien aus Hannover entwickelte, expandierte das Gewerbe insbesondere durch die Unternehmungen von Georg Egestorff. Bis 1845 wurden alle hinzugezogenen Arbeitnehmer auf dem Gebiet des alten Lindens untergebracht. Zu ihrer Unterbringung wurde viele Gebäude wie Ställe und Anbauten in Wohnraum umgewandelt. Danach begann unter der Bau- und Wegekommission unter Leitung von Georg Ludwig Friedrich Laves eine planmäßige Bebauung von Linden-Süd und Linden-Nord.[2]

Die Bebauung im Bereich des heutigen Linden-Süd begann um 1845, nachdem der Lokomotivbau in die Produktpalette der Egestorffschen Fabrik (der späteren Hanomag) aufgenommen wurde. Der nördlich des alten Dorfes Linden gelegene heutige Stadtteil Linden-Nord wurde ab 1853 auf dem „Nedderfeld“ errichtet („Nedderfeldstraße“). Eine der ersten Straßenzüge war die 1854 entstandene Fannystraße. An ihr lag auf einem Grundstück von Adolph Meyer die von Ludwig Debo errichtete „Arbeiterkolonie in der Fannystraße“.[2] In ihr lebten Mitarbeiter der Mechanischen Weberei. Die Siedlung zwischen der Mathilden- und der Fortunastraße wurde 1965 abgerissen. Anschließend wurde die Fannystraße durch zwei moderne Wohnblocks überbaut.

1856 wurden die Dörfer Alt-Linden und Neu-Linden zur Landgemeinde Linden zusammengeschlossen. Die Gemeinde erhielt statt der bisherigen Bauermeister einen Gemeindevorstand.

Entwicklung zur Industriestadt

„Eisen-Giesserey und Maschinenfabrik Georg Egestorff“ etwa Mitte 19. Jahrhundert in Linden, im Hintergrund der Deister
Das 1917 erbaute ehemalige Hanomag-Fabrikgebäude am Deisterplatz

Nach der Annexion des Königreiches Hannover durch Preußen im Jahr 1866 war Linden das größte Dorf Preußens. Den Grundstein für die Entwicklung zur Industriestadt hatte der Industrielle Johann Egestorff Anfang des 19. Jahrhunderts gelegt mit Kalkbrennereien am Lindener Berg zur Produktion des Baustoffs Kalkmörtel. In seine Fußstapfen trat sein Sohn Georg Egestorff, der eine Maschinenfabrik und Eisengießerei gründete, die spätere Hanomag. Hier wurden von 1846 bis 1931 auch Lokomotiven hergestellt, die bis zum Bau der Altenbekener Strecke 1872 mühsam mit Pferdefuhrwerken zum nächsten Gleisanschluss transportiert werden mussten.

Nach dem Tod Egestorffs 1868 wurde die Fabrik durch den neuen Besitzer, den „Eisenbahnkönig“ Bethel Henry Strousberg großzügig erweitert. Neben dem Werk an der heutigen Göttinger Straße wurde eine Arbeitersiedlung mit 144 Häusern gebaut, die wegen der Rumänien-Aufträge Strousbergs (Konzession über 900 km Bahnstrecken und Lieferung von Lokomotiven) „Klein-Rumänien“ genannt wurde. Die Straßen hießen „Hammerstraße“, „Feilenstraße“ und „Zirkelstraße“. Das Geschäft platzte und Strousberg musste sein Unternehmen 1871 an ein Bankenkonsortium verkaufen. 1937 wurden die Häuser im Zuge der Vergrößerung der Hanomag abgerissen.

Das Gelände der Hanomag erreichte 1911 eine Ausdehnung von 42.000 m², davon 24.000 m² überbaut.[3] An die große Bedeutung der Firma und deren Besitzer für Linden erinnern heute Straßennamen wie Hanomagstraße, Egestorffstraße und Strousbergstraße. Da Strousberg jüdischer Herkunft war, trug letztere während des Dritten Reiches den Namen Kettlerstraße.

Am Küchengarten siedelten sich Ende des 19. Jahrhunderts zahlreiche kleinere Firmen an, von denen sich einige zu einer gewissen Bedeutung entwickelten. Wie etwa die Lindener Samtspinnerei, Baumwollspinnerei und Mechanische Weberei, die Lindener Aktien-Brauerei, zwei Gummifabriken und die Deutsche Asphalt sowie eine Korsettfabrik und eine Bettfedernfabrik, auf deren Gelände heute das Kulturzentrum FAUST besteht. Die Hannoversche Waggonfabrik (HAWA) produzierte südlich des Lindener Bahnhofs von 1898 bis 1933 Eisenbahnwagen, Straßenbahnen, Automobile, Kampfflugzeuge und Landmaschinen. Deren 1915 auf dem Tönniesberg angelegter Werksflughafen wurde im November 1919 der erste zivile Flughafen für Hannover und blieb dies, bis er 1928 vom Flughafen Vahrenwald abgelöst und 1930 ganz geschlossen wurde.

1927 wurde am Küchengarten ein städtisches Badehaus erbaut, da viele Arbeiterfamilien kein eigenes Bad besaßen. Nach dessen Schließung zog dort 1987 das Theater am Küchengarten (TAK) ein.

Im Wesentlichen um die im Preussag-Bergwerk Barsinghausen geförderte Steinkohle des Deisters zu beschaffen, wurde der Bahnhof Linden-Fischerhof eingerichtet und mit der Zweigstrecke nach Linden-Küchengarten ab 1872 an das Netz der Hannover-Altenbekener Eisenbahn bzw. der Deisterbahn angebunden. Der Bahnhof wurde 2006 für eine bessere Anbindung an Stadtbahn und Bus verlegt und heißt heute Hannover-Linden/Fischerhof. Während des Ersten Weltkrieges entstand der Lindener Hafen mit der Anbindung an den Mittellandkanal über den Stichkanal Hannover-Linden.

Altes Rathaus an der Deisterstraße um 1910, Entwurf von Christoph Hehl.
Rathaus am Lindener Marktplatz vor dem Zweiten Weltkrieg

Linden war bis 1885 Landgemeinde und Vorort Hannovers und hatte 25.570 meist evangelische Einwohner. Von Hannover war es durch die Ihme getrennt. Linden erhielt am 1. April 1885 Stadtrechte. Der erste Bürgermeister wurde der hannoversche Senator Georg Lichtenberg. Zugleich wurde aus den Ämtern Wennigsen und Linden der Landkreis Linden geschaffen, der 1932 dem Landkreis Hannover zugeschlagen wurde. 1908 wurde in den Gemarkungen Ricklingen und Wettbergen der neue 17 Hektar große Hauptfriedhof Linden eröffnet. 1909 wurden die Gemeinden Badenstedt, Bornum, Davenstedt und Limmer sowie 1913 die Gemeinde Ricklingen in die Stadt Linden eingemeindet.

Die Stadt erhielt 1889 durch königlichen Erlass die Erlaubnis für das Wappen mit dem roten Löwen vor der Linde auf einem Schild mit je 4 blauen und silbernen Querstreifen und mit einer dreitürmigen Mauerkrone. Die Linde erinnert an die Entstehung Lindens, als vom Grafen Wittekind bzw. Widukind von Schwalenberg unter einer Linde Gericht gehalten wurde. Der rote Löwe gehörte zum Wappen des Grafen von Roden.

Nach der Eingemeindung

Am 1. Januar 1920 wurde Linden mit damals rund 80.000 Einwohnern nach Hannover eingemeindet. 1934 bis 1936 waren viele Lindener Mitglieder der Sozialistischen Front, die als eine der größten Widerstandsbewegungen des Dritten Reiches gilt. Im März 2009 setzte der Kölner Künstler Gunter Demnig in der Nedderfeldtstraße 8 einen Stolperstein für den Lindener Widerstandskämpfer Wilhelm Bluhm.

Die Hanomag produzierte Personenwagen („Kommissbrot“), Lkw sowie (bis 1931) Lokomotiven. Im Zweiten Weltkrieg stellte sie Panzerfahrzeuge, Geschütze und Großkalibermunition her. 1943/44 wurde an der Göttinger Straße eine mehrstöckige Halle errichtet, deren Tragwerk ursprünglich für eine U-Boot-Fertigungshalle in der Nordwerft der Kriegsmarinewerft Wilhelmshaven vorgesehen war, die heute unter Denkmalschutz stehende „U-Boot Halle“.

Die Hanomag war noch nach Gleichschaltung durch die NSDAP-Betriebsleitung Mittelpunkt des sozialdemokratischen und kommunistischen Widerstandes in Hannover gegen das Naziregime. Hier wurden noch bis 1943 Flugblätter und Zeitungen gedruckt und verteilt, am 1. Mai Feiern und Aktivitäten im Untergrund geplant sowie Kontakte zu Auslandsvertretern der Parteien im Untergrund gehalten.

Nach 1945 befand sich in der Jacobsstraße 10 das sogenannte Büro Schumacher, von dem aus Kurt Schumacher nach dem Zweiten Weltkrieg die SPD wieder aufgebaut hat. Ein Stockwerk darüber befand sich das Büro der Kommunistischen Partei Deutschlands, die ebenfalls von hier aus wieder aufgebaut wurde.

Im Bahnhof Linden kam es am 22. Juni 1969 zum Zugunglück von Linden, bei der eine Explosion von Bundeswehr-Munition vier Bundesbahnbeamte und acht Angehörige der Feuerwehr Hannover tötete.

Persönlichkeiten

Limmer

Limmer wird im Norden begrenzt durch die Leine, im Osten durch den Westschnellweg, im Süden durch die Fösse und im Westen durch den Stichkanal Hannover-Linden und die Güterumgehungsbahn.

Die seit 1962 zum Henkel-Konzern gehörenden Sichel-Werke befinden sich am Stichkanal Linden und sind der größte Arbeitgeber Limmers. Die 1853 gegründete Wäscherei und Reinigung Stichweh befindet sich an der Wunstorfer Straße. Erhebliche Bedeutung haben die Lagereien und Speditionen am Lindener Hafen. Die Schleuse Limmer verbindet den Lindener Hafen mit dem Stichkanal und über diesen mit dem Mittellandkanal.

Die frühere Fabrik der Continental AG wurde 2009 abgerissen. Das Gelände soll zu einem „Wasserstadt“ genannten Wohngebiet umgestaltet werden. In Limmer waren mehrere Institute der Universität Hannover angesiedelt, u.a. der Fachbereiche Erziehungswissenschaften, Wasserbau, Arbeitswissenschaften und Wirtschaftswissenschaften. Das Gebäude der Universität wurde zum WS 2008/2009 geschlossen und an das Bundeskriminalamt verkauft.

In der Leinemasch befindet sich das Freibad Volksbad Limmer, im Süden des Stadtteils liegt das Hallenfreibad Fössebad.

Geschichte

Limmer trägt seinen Namen vom Castrum Limbere des Grafen Konrad von Wunstorf, welches 1187 genannt wurde und dessen genaue Lage unbekannt ist. Der Name bedeutet vermutlich „feuchte Stelle“.[4] Es handelte sich um eine sehr wehrhafte Burg, die 1189 unter Graf Konrad sogar dem Ansturm König Heinrichs VI. standhalten konnte. In der Folge trug eine gräfliche Linie der Wunstorfer bis zu ihrem Aussterben den Namen Limmer, während die andere Linie nach ihrem Besitz, der Burg Lauenrode „von Roden“ hieß. Die im Jahr 1268 genannte Limmeraner Kirche St. Nikolai wurde im Jahr 1328 dem Kloster Marienwerder eingegliedert. Erst 1787 wurde das alte Gebäude durch die heutige Saalkirche ersetzt.

Limmer war im 14. bis 15. Jahrhundert ein armes, aber nicht besonders kleines Dorf. Während des Dreißigjährigen Krieges sank es wirtschaftlich auf einen Tiefstand, viele Bewohner mussten sich im nahen Herrenhausen verdingen.

In den Jahren 1685-1718 wirkte an der St. Nikolaikirche der durch seine derben niederdeutschen Predigten bekannte Pastor Jacobus Sackmann, der auch den Adel nicht verschonte. Die Echtheit der überlieferten Predigten ist allerdings teilweise umstritten. Ein Gedenkstein für den Prediger befindet sich heute vor der Nikolaikirche.

1689 hatte Limmer 167 Einwohner. 1690 wurde von den welfischen Landesherren eine Ziegelei eingerichtet, die aber bereits 1735 wieder aufgegeben wurde. 1730 war in Limmer Asphaltkalk entdeckt worden, der seit 1843 im Tagebau und Tiefbau abgebaut wurde, dessen Vorkommen aber bis 1925 erschöpft waren. 1779 wurde von dem Chemiker Friedrich Ehrhardt eine Schwefelquelle wieder neu entdeckt, über der 1792 ein Bad behuf der Invaliden und Armen errichtet wurde.

Ein Badehaus wurde 1794 auf dem Limmer Berg errichtet. Dieser Limmerbrunnen, der um 1800 gut besucht wurde, unterlag 1828 dem benachbarten hessischen Bad Nenndorf, der Badebetrieb wurde aber erst 1961 eingestellt. 1808 wurde das Dorf Opfer eines Großbrandes, welcher das Dorfbild deutlich veränderte. Unter dem Einfluss der im benachbarten Linden aufkommenden Industrialisierung verlor es mehr und mehr seinen ländlichen Charakter. 1825 hatte Limmer 365, 1871 über 1100, 1885 dann bereits 2307 Einwohner. Im Jahr 1899 erhielt die Hannoversche Gummi-Kamm-Fabrik ihren Sitz in Limmer, die 1912 unter ihrem neuen Namen Excelsior bereits 3500 Beschäftigte zählte und 1928 mit der Continental Gummi-Werke AG fusionierte. Zum 1. April 1909 wurde das Dorf nach Linden eingemeindet. Von Ende August 1944 bis Anfang April 1945 befand sich in Limmer das KZ-Außenlager Hannover-Limmer des KZ Neuengamme. Die hier untergebrachten über 1.000 Frauen mussten vor allem im Continentalwerk Limmer arbeiten.

Literatur

  • Senator Dr. Bernhard Engelke: Lindener Dorfchronik. Hannover: Ernst Geibel 1910. Sonderdruck aus Stadtarchiv Hannover (Hrsg.) Hannoversche Geschichtsblätter 1910, S. 81 – 162
  • Walter Buschmann: Linden Geschichte einer Industriestadt im 19. Jahrhundert. Hildesheim: August Lax 1981 (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsen Band 92) ISBN 3-7848-3492-2
  • Sid Auffarth und Adelheid von Saldern (Hrsg.): Altes und neues Wohnen. Linden und Hannover im frühen 20. Jahrhundert. Seelze – Velber: Kallmeyersche Verlagsbuchhandlung 1992
  • Linden 1930-1980. Fotografien von Wilhelm Hauschild. [Band 1.] Hannover: TAK-Verlag 1995. ISBN 3-00-000283-9
  • Linden 1930-1980. Fotografien von Wilhelm Hauschild. Band 2. Hannover: TAK-Verlag 1996. ISBN 3-00-000965-5
  • Jonny Peter, Das LindenLimmerBuch, Hrsg: FAUST e.V. und Netzwerk Lindener Kulturwerkstatt, Hannover 1998
  • Hans-Jörg Hennecke: Linden – eine wahnsinnige Geschichte 900 Jahre Linden: 1115 2015: Hannover: TAK-Verlag 2001
  • Ralf Hansen: Linden lebt! Eine fotografische Stadtreise, zu Klampen Verlag, Springe 2006, ISBN 978-3-934920-87-3
  • Karl Johaentges und Uta Preuße: Ahrberg - Neues Leben in der Wurstfabrik, KaJo Verlag, Hannover 2002, ISBN 3-925544-27-5
  • Arbeitsgemeinschaft Mensch-Natur-Geschichte (Hannover): Linden: Ortsgeschichte, Martinskirche, von Altensches Rittergut, Landesherrlicher Küchengarten, Herzogliches Jagdzeughaus, Villa auf dem Lindener Berg, Herrschaftlicher Speicher, Windmühle / AG Mensch-Natur-Geschichte. Nach den Bearbeitungen von Arnold Nöldeke aus dem Jahre 1932, Schriftenreihe „Zur Geschichte Lindens“, Bd. 13; Hannover 2003
  • Die Geschichte Lindens als Arbeiterstadtteil wurde durch den Film „Linden - ein Arbeiterlied!“ dokumentiert.[5]

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Linden – Sammlung von Bildern und/oder Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Alfred Gottwaldt: Hannover und seine Eisenbahnen, Seite 26, Alba, Düsseldorf 1992, ISBN 3-87094-345-9
  2. a b Jost Masson: Arbeiterhäuser in Linden, in: Laves und Hannover / Niedersächsische Architektur im neunzehnten Jahrhundert, revidierte Neuauflage des Kataloges zur Ausstellung „Vom Schloß zum Bahnhof, Bauen in Hannover“…, Harold Hammer-Schenk und Günther Kokkelink (Hrsg.), Verlag Th. Schäfer, Hannover 1989, ISBN 3-88746-236-X, hier: S. 115ff.
  3. Alfred Gottwaldt: Hannover und seine Eisenbahnen, Seite 32, Alba, Düsseldorf 1992, ISBN 3-87094-345-9
  4. Zur selben Wurzel wie „Lehm“, s. Uwe Ohainski, Jürgen Udolph: Die Ortsnamen des Landkreises Hannover und der Stadt Hannover, Bielefeld 1998, S. 293
  5. Linden-Ein Arbeiterlied, Winfried Wallat, Wolfgang Jost

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