Limes Sorabicus

Limes Sorabicus

Der Limes Sorabicus, auch Sorbische Mark, Sorbenmark, bezeichnet eine Grenzzone zwischen dem Fränkischen Reich und den östlich davon siedelnden Sorben, die spätestens um die Mitte des 9. Jahrhunderts geschaffen worden war und am Ende des 9. Jahrhunderts ihre Bedeutung schon wieder verloren hatte. Sie wird lediglich an vier Stellen in den Fuldaer Annalen kurz erwähnt. Dieses Gebiet, bei dem es sich offenbar um eine Grenzmark handelte, stand unter dem Kommando eines Fürsten (dux Sorabici limitis). Bekannt sind drei Amtsinhaber: Thakulf (849, 858 und 873), Ratolf (874) und Poppo (880), die in anderen Quellen auch als Graf (comes), Markgraf (marchio) und sogar als Fürst der Thüringer (dux Thuringorum) erscheinen; Poppo gehörte mit Sicherheit zur Familie der älteren oder fränkischen Babenberger, Ratolf wahrscheinlich auch.

Die genaue Lage und Ausdehnung der „Sorbenmark“ wird in den Quellen nicht genannt und ist deshalb in der Forschung immer noch sehr umstritten. Besondere Bedeutung kommt dabei der Auskunft Einhards zu, der in seiner um 830 entstandenen Biographie Karls des Großen, der Vita Caroli Magni, schreibt, jener habe die Saale als Grenze zwischen Thüringern und Sorben bereits von seinen Vätern übernommen (ac Salam fluvium, qui Thuringos et Sorabos dividit). Schon 805 war das weit westlich davon gelegene Erfurt als fränkischer Zollort für den Handel mit den Slawen im Diedenhofener Kapitular bestimmt worden. Entsprechend lokalisierten einige Archäologen und Historiker wie Hansjürgen Brachmann diese „Sorbenmark“ westlich der Saale. Beide Erwähnungen sind jedoch um einiges älter als die erste Nennung des Limes Sorabicus und können somit nicht direkt mit dieser verbunden werden. Außerdem muss eine wirtschaftliche Grenze nicht mit der politisch-militärischen Grenze identisch gewesen sein, zumal ein mit Erfurt und den übrigen Handelsplätzen vergleichbarer Zentralort aus dem Gebiet östlich der Gera nicht bekannt ist.

Die Mehrzahl der Forscher (u. a. Rudolf Kötzschke, Hermann Aubin) ging und geht dagegen von einer rechtssaalischen Lage des Limes Sorabicus aus. Walter Schlesinger schrieb 1963 hierzu: „Es muß sich um das Gebiet östlich der Saale gehandelt haben etwa bis zur Elster und Pleiße, vielleicht sogar stellenweise bis zur Mulde vorstoßend, eine dem Reiche locker angegliederte Zone, die im thüringischen Hinterland einen festen Rückhalt hatte und vielleicht durch einzelne vorgeschobene Burgen geschützt wurde.“

In jüngster Zeit hat sich die historische Forschung erneut verstärkt dem Problem der Grenze angenommen. Matthias Hardt nimmt an, dass zur Zeit Karls des Großen an der Elbe und Saale eine an antiken Vorbildern ausgerichtete Flussgrenze des Reiches geplant gewesen war, die im weiteren Verlauf des 9. Jahrhunderts jedoch auf als auf Burgen gestützte Grenzorganisation zum Limes Sorabicus ausgebaut worden ist, was auch der beim Limes Saxoniae zu beobachtenden Entwicklung entspräche. Die Frage, ob die „Sorbenmark“ beide Seiten der Saale erfasste oder ob sie sich nur über einen westlichen oder östlichen Flussrandbezirk erstreckte, kann allerdings auch damit nicht eindeutig beantwortet werden. Die meisten der in der heimatkundlichen Literatur für den Limes Sorabicus in Anspruch genommenen Burganlagen wurden jedoch erst im Hochmittelalter gegründet. Möglicherweise entstanden frühmittelalterliche Burgen wie die im Hersfelder Zehntverzeichnis genannten Anlagen zwischen unterer Saale und Unstrut, darunter z.B. die Seeburg am Süßen See, Burg Schraplau und Burg Querfurt und vergleichbare Burgen an der mittleren Saale auf dem Johannisberg bei Jena-Lobeda oder dem Alten Gleisberg bei Bürgel in einem zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang mit der Einrichtung des Limes Sorabicus.

Allgemein muss festgestellt werden, dass es sich bei Grenzen im Früh- und Hochmittelalter fast immer um mehr oder weniger breite siedlungsleere Gürtel und Zonen handelte und nicht um scharfe Linien im Sinne heutiger Grenzen. Im Orlagebiet bei Saalfeld/Saale reichte der fränkische Einflussbereich nachweislich weit östlich über die Saale hinaus. Auch für das mittlere Saaletal um Jena ist davon auszugehen, dass beide Seiten des Flusses einen einheitlichen Siedlungs- und Wirtschaftsraum mit der Saale als wichtige Verkehrs- und Verbindungsachse bildeten, so dass die östliche Begrenzung der Mark eher in den ausgedehnten Wäldern rechts der Saale zu suchen ist. Im nördlich anschließenden Bereich der unteren Saale – den Offenlandschaften etwa von Naumburg, spätestens aber von Weißenfels an bis zur Saalemündung – fehlen dagegen natürliche Grenzen der Siedlungskammern in Form von größeren Waldgebieten. Möglicherweise erfüllte hier die Saale zumindest am Ende des 8. und in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts tatsächlich die Funktion einer Grenze. Dabei ist jedoch eine allmähliche Ausdehnung des ostfränkischen Macht- und Einflussbereichs noch vor 928/929 bis zur Mulde und bis kurz vor die Siedlungsgebiete der Daleminzier hin wahrscheinlich.

Literatur

  • Hansjürgen Brachmann: Der Limes Sorabicus – Geschichte und Wirkung. Zeitschrift für Archäologie 25, 1991, S. 177–207.
  • Lothar Dralle: Limes Sorabicus. In: Lexikon des Mittelalters Bd. 5. Hiera-Mittel – Lukanien (1991) Sp. 1992 f.
  • Matthias Hardt: Linien und Säume, Zonen und Räume an der Ostgrenze des Reiches im frühen und hohen Mittelalter. In: Walter Pohl / Helmut Reimitz (Hrsg.): Grenze und Differenz im frühen Mittelalter. Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Kl. Denkschriften 287. Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 1 (Wien 2000) S. 39–56. ISBN 3-7001-2896-7.
  • Matthias Hardt: Hesse, Elbe, Saale and the Frontiers of the Carolingian Empire. In: Walther Pool / Ian Wood / Helmut Reimitz (Hrsg.): The Transformation of Frontiers. From Antiquity to the Carolingians. The Transformation of the Roman World 10 (Leiden, Boston, Köln 2001) S. 219–232. ISBN 90-04-11115-8.
  • Matthias Hardt: Limes Sorabicus. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde Bd. 18, Landschaftsrecht – Loxstedt² (Berlin, New York 2001) S. 446–448. ISBN 3-11-016950-9.

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