Lilja Jurjewna Brik

Lilja Jurjewna Brik

Lilja Jurjewna Brik (russisch Лиля Юрьевна Брик; * 30. Oktoberjul./ 11. November 1891greg. in Moskau als Lilja Kagan, Лиля Каган; † 4. August 1978 in Peredelkino bei Moskau) war eine sowjetische Regisseurin und Bildhauerin und die Geliebte Wladimir Majakowskis. Pablo Neruda bezeichnete sie als „die Muse der Russischen Avantgarde“.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Lilja Kagan kam aus einer jüdischen Moskauer Intellektuellenfamilie. Ihr Vater war Rechtsanwalt, ihre Mutter Musiklehrerin. Als Kind wurde sie privat unterrichtet und sprach neben russisch und jiddisch fließend deutsch und französisch, später studierte sie Kunst und Architektur am Moskauer Architekturinstitut.

Die Schönheit und der Charme von Lilja und ihrer jüngeren Schwester Elsa Kagan, die später in Frankreich lebte und dort den Dichter Louis Aragon heiratete, öffneten den beiden schon früh die Türen zu den kulturellen Zirkeln von Moskau und Sankt Petersburg. Die Schwestern wurden von Malern und Fotografen wie Dawid Burljuk, Alexander Rodtschenko, Fernand Léger, Henri Matisse und Marc Chagall porträtiert.

Am 26. Februar 1912 heiratete sie in Moskau den Dichter und Literaturkritiker Ossip Brik. Das Paar zog nach Lewaschowo, einen Vorort von Sankt Petersburg. Dort lernte sie im Juni 1915 den damaligen Freund ihrer Schwester Elsa, den 21-jährigen futuristischen Dichter Wladimir Majakowski kennen. Sie verliebten sich ineinander und führten eine Beziehung, auch wenn Lilja weiterhin mit Ossip Brik lebte. Beginnend mit seinem Gedichtband Wolke in Hosen (Облако в штанах), dessen Veröffentlichung Ossip Brik 1915 finanzierte, waren Majakowskis Gedichte häufig Lilja Brik gewidmet und von ihr inspiriert. 1918 schrieb Majakowski das Drehbuch zu einem Stummfilm, Vom Film gefesselt (Закованная фильмой), in dem er und Lilja Brik die Hauptrollen spielten.

Während der Oktoberrevolution lebten die Briks weiter in Petersburg, im Juni 1920 zogen sie dann zurück nach Moskau. Ihre Wohnung wurde dort in den 1920ern zu einem zentralen Begegnungsort der Russischen Avantgarde, in der Kulturschaffende wie Majakowski, Rodtschenko, Boris Pasternak, Maxim Gorki, Sergei Eisenstein, Kasimir Malewitsch, Juri Tynjanow, Wsewolod Meyerhold und viele andere ein- und ausgingen. Lilja und Ossip Brik gehörten zu den aktivsten Förderern des russischen Formalismus und Futurismus in Kunst, Literatur, Theater und Film. 1922/23 unternahmen die beiden eine Reise nach Deutschland und besuchten dort Wassily Kandinsky am Bauhaus in Weimar.

Von 1922 bis 1928 veröffentlichte Lilja Brik mit Majakowski die Zeitschrift LEF, eine Plattform des russischen Dadaismus und Konstruktivismus. 1926 drehte sie einen Dokumentarfilm, Juden auf dem Land (Евреи на земле) über jüdische Kolchose auf der Krim. Das Drehbuch schrieb sie gemeinsam mit Majakowski und Wiktor Schklowski. Danach drehte sie eine halbdokumentarische Parodie auf das „bourgeoise Kino“ unter dem Titel Das Glasauge (Стеклянный глаз, 1928/29).

Im Februar 1930 ließen sich Lilja und Ossip Brik scheiden. Während eines Berlin-Aufenthalts erfuhr sie dann im April 1930 vom Selbstmord Majakowskis, den sie nach eigener Aussage vorher bereits zweimal vom Suizid abhalten konnte. Im November 1930 heiratete sie den General der Roten Armee Witali Primakow, der später dem Großen Terror zum Opfer fiel und im Juli 1937 im (geheimen) dritten Moskauer Prozess verurteilt und hingerichtet wurde.

Berühmt wurde Lilja Briks Brief an Stalin im Jahr 1935, in dem sie die Vernachlässigung von Majakowskis poetischer Hinterlassenschaft beklagte. Stalin ordnete daraufhin die Herausgabe einer Majakowski-Gesamtausgabe und die Aufnahme seiner Gedichte in die Lehrpläne der Schulen an und hielt auch später seine schützende Hand über Lilja Brik, indem er ihren Namen (dem Historiker Roi Medwedew zufolge) persönlich von einer von Jeschows Todeslisten strich.

1938 heiratete Lilja Brik den Schriftsteller und Literaturkritiker Wassili Katanjan, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbrachte. Auch das Haus der Katanjans war in den 1950ern und 1960ern ein Treffpunkt der jungen Moskauer Literatur-, Film- und Kunstszene. Lilja Brik spielte eine wichtige Rolle als Förderin junger Künstler wie Andrei Wosnessenski und Sergei Paradschanow.

1978, im Spätstadium einer unheilbaren Krankheit, beging Lilja Brik Selbstmord mit Schlaftabletten. Da sie verfügt hatte, nicht begraben zu werden, verstreuten ihre Freunde ihre Asche wunschgemäß in der Nähe Moskaus an einer Flussbiegung und setzten an dieser Stelle einen Felsbrocken, den sie mitgebracht hatten.

Werke

deutscher Sammelband:

  • Lilja Brik: Schreib Verse für mich. Erinnerungen an Majakowski und Briefe. Herausgegeben von Wassili Katanjan. Übersetzt von Ilse Tschörtner. Verlag Volk und Welt, Berlin 1991, ISBN 3-353-00874-8

Literatur

Weblinks

 Commons: Lilja Brik – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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