Leutnant Blueberry

Leutnant Blueberry

Leutnant Blueberry (Originaltitel: „Blueberry“) ist eine Comic-Serie aus Frankreich, die von Jean-Michel Charlier (Szenario) und Jean Giraud (Zeichnungen) geschaffen wurde. Seit dem Tode Charliers schreibt Giraud auch die Szenarios der Reihe. Die Jugendabenteuer werden seither von François Corteggiani getextet und von verschiedenen Zeichnern grafisch umgesetzt.

Inhaltsverzeichnis

Veröffentlichungsgeschichte

Blueberry entstand 1963 für das französische Comic-Magazin Pilote, anfangs noch unter dem Serientitel Fort Navajo. Anschließend wurden die Abenteuer vom Verlag Dargaud in Albenform veröffentlicht. In Deutschland debütierte die Serie im Magazin MV-Comix des Ehapa-Verlags, wo die erste Episode zum Abdruck kam (MV 47/1968 bis 3/1969). Von 1972 bis 1980 lief die Serie im Magazin ZACK sowie im Taschenbuch Zack Parade des Koralle-Verlags. Seit 1989 wird sie vom Ehapa Verlag verlegt, der sie aktuell (seit April 2006) in einer aufwändig gestalteten Werkedition – den Blueberry-Chroniken – präsentiert.

Inhalt

Der Held der Geschichten, Mike Steve Blueberry, begegnet dem Leser zunächst als Leutnant der US Army im Wilden Westen, wo er während der Indianerkriege gefährliche Abenteuer bestehen muss. Blueberry ist ein undisziplinierter, trink- und spielfreudiger Abenteurer, den seine Vorgesetzten nur mühsam im Reglement der Armee halten können.

In den Geschichten der Ableger-Reihe Die Jugend von Blueberry erfahren die Leser auch den persönlichen Hintergrund der Figur: Mike Donovan aus Georgia ist ein reicher Südstaaten-Beau, der in den Wirren des amerikanischen Bürgerkriegs (1861—1865) des Mordes beschuldigt wird, zu Unrecht natürlich. Um seinen Kopf zu retten, heuert er unter dem falschen Namen „Blueberry“ bei der Nordstaatenarmee an, wo er erst als Trompeter, haarsträubende Abenteuer vor und hinter den Linien bestehen muss und dann, nachdem er General Dodge das Leben gerettet und eine kniffelige Mission erfüllt hat, zum Leutnant befördert wird.

Nach Kriegsende wird er vorerst nach Fort Mescalero versetzt, was der Leser in Mister Blueberry erfährt, und dann nach Fort Navajo (hier setzt das erste Album der regulären Reihe ein), muss später den Eisenbahnbau quer durch den Westen schützen und macht sich als Undercover-Desperado auf die Suche nach einem verlorenem Schatz in Mexiko. Als gealterter Zivilist begleitet er den Kampf der Earp-Brüder in Tombstone.

In etlichen Abenteuern erhält Blueberry als Nebendarsteller den Glücksritter Red Neck sowie — als komisches Element der Serie — den unzuverlässigen Goldgräber und Säufer Jimmy McClure zur Seite. Daneben finden zahlreiche historisch belegte Figuren ihren Platz in den fiktiven Geschichten von Blueberry, darunter George A. Custer, Wyatt Earp, Ulysses Grant, Doc Holliday, Benito Juárez, Abraham Lincoln, Cochise und Geronimo.

Bedeutung

Charlier hat mit der Figur Blueberrys den rebellischen Helden der Nouvelle Vague in den Western-Comic eingeführt. Dabei ist es kein Zufall, dass die Gesichtszüge der Comic-Figur zunächst nach dem realen Vorbild von Jean-Paul Belmondo geschnitten sind. In den ersten Geschichten sind die Abenteuer von Blueberry noch den üblichen Klischees des amerikanischen Kavallerie-Westerns verhaftet, doch folgt die Serie der im Kino vorexerzierten Entwicklung des Western-Genres: Spätestens mit der sich über zwei Alben erstreckenden Geschichte um die 'vergessene Goldmine' (1969/1970 in Pilote erstveröffentlicht) schlägt der Einfluss der Italo-Western sich auch auf Blueberry nieder, der nun nicht mehr ins Schema der geschniegelten und glatten Westernhelden der fünfziger und sechziger Jahre passt, sondern mit seiner Einstellung und seinem Äußeren die stoppelbärtigen ungepflegten Charakterköpfe des Italo-Western in den Comic überträgt. Mit dieser Wandlung einher geht das Aufgeben der Annäherung an Belmondo: Blueberry, der im Gegensatz zu vielen anderen Comic-Helden im Verlauf der Serie auch deutlich altert, bekommt zunehmend 'eigene' Gesichtszüge und die Ähnlichkeit des alten Blueberry mit dem gealterten Schauspieler ist nur noch marginal.

Die komplexen und teilweise verwirrenden Geschichten ziehen sich meist über einen Zyklus von drei bis fünf Alben hin; dadurch kommen auch Nebenstränge und -figuren in den Geschichten zu ihrem Recht. Blueberrys positive Einstellung zu den Indianern, die in der Serie historisch einigermaßen angemessen abgebildet werden, entspricht von Beginn an nicht dem Klischeebild der gefährlichen Rothaut, sondern einem differenzierteren Indianerbild, wie es auch im Hollywood-Film seit Broken Arrow (1950) zu finden ist. Im Film vorexerzierte weitere Fortschritte in Bezug auf die Darstellung der Indianer, die in Kevin Costners Der mit dem Wolf tanzt (1990) einen (vorläufigen?) Schlusspunkt erreicht hat, finden dabei auch in den Blueberry-Geschichten ihren Niederschlag.

Jean Giraud hat die Serie grafisch von seinem Vorbild Jijé zusehends gelöst und sie in realistischer Meisterschaft vollendet. Mit Colin Wilson, William Vance und Michel Blanc-Dumont haben andere erstklassige Zeichner die Ableger der Serie übernommen.

Ein weiteres bemerkenswertes Element der Serie ist das Altern der Titelfigur. Während Comic-Helden sonst grundsätzlich in einem festen Alter verharren (weder stirbt der greise Methusalix bei Asterix je, noch wird Tim je erwachsen), passt sich Blueberrys Aussehen und Auftreten in den jüngsten Alben behutsam seinem tatsächlichen Alter (er wurde am 30. Oktober 1843 geboren) an; ein Phänomen, das man im Comic nur bei wenigen Figuren beobachten kann, darunter Prinz Eisenherz und John Constantine (Hauptfigur der Serie Hellblazer) .

Alben

Heute existieren vier Serienstränge mit Blueberry als Hauptperson:

  • Die Jugend von Blueberry
  • Leutnant Blueberry
  • Marshall Blueberry (Über die chronologische Einordnung streiten die Experten noch: Vor oder nach dem 'Graf-Luckner-Zyklus' des Leutnant-Strangs...)
  • Mister Blueberry

Die Jugend von Blueberry

Charlier (Szenario) & Giraud (Zeichnungen)

1. Die Jugend von Blueberry (La jeunesse de Blueberry)

2. Die Jugend von Blueberry 2

3. Der Blaurock (Cavalier bleu)

Charlier (Szenario) & Colin Wilson (Zeichnungen)

4. Die Teufel von Missouri (Les démons du Missouri)

5. Aufruhr in Kansas (Terreur sur le Kansas)

6. Todesmission in Georgia (Le raid infernal)

François Corteggiani (Szenario) & Wilson (Zeichnungen)

7. Gnadenlose Jagd (La poursuite impitoyable)

8. Drei Männer für Atlanta (3 hommes pour Atlanta)

9. Der Preis des Blutes (Le prix du sang)

Corteggiani (Szenario) & Michel Blanc-Dumont (Zeichnungen)

10. Die Pinkerton-Lösung (La solution Pinkerton)

11. Der Pfad der Verfluchten (La piste des maudits)

12. Der letzte Zug nach Washington (Dernier train pour Washington)

13. Lincoln muss sterben (Il faut tuer Lincoln)

14. Der Schlächter von Cincinnati (Le Boucher de Cincinnati)

15. Die Sirene von Veracruz (La Sirène de Vera Cruz)

16. 100 Dollars für den Tod (100 dollars pour mourir)

17. Der Pfad der Tränen (Le sentier des larmes)

18. 1276 Seelen (1276 âmes)

19. Erlösung (Rédemption)

Leutnant Blueberry

Charlier (Szenario) & Giraud (Zeichnungen)

Erster Zyklus – Apachenkriege:

  1. Fort Navajo (Fort Navajo)
  2. Aufruhr im Westen (Tonnerre à l'ouest)
  3. Der einsame Adler (L'aigle solitaire)
  4. Das Halbblut (Le cavalier perdu)
  5. Die Spur der Navajos (La piste des Navajos)

Einzelalbum:

  1. Der Sheriff (L'homme à l'étoile d'argent)

Zweiter Zyklus – Eisenbahnbau/Krieg gegen die Sioux:

  1. Das eiserne Pferd (Le cheval de fer)
  2. Steelfingers (L'homme au poing d'acier)
  3. Die Fährte der Sioux (La piste des Sioux)
  4. General Gelbhaar (Général Tête Jaune)

Dritter Zyklus – Graf Luckner:

  1. Die vergessene Goldmine (La mine de l'allemand perdu)
  2. Das Gespenst mit den goldenen Kugeln (Le spectre aux balles d'or)

Vierter Zyklus – Südstaatenschatz:

  1. Chihuahua Pearl (Chihuahua Pearl)
  2. Der Mann, der $ 500.000 wert ist (L'homme qui valait 500 000$)
  3. Ballade für einen Sarg (Ballade pour un cercueil)

Fünfter Zyklus – Attentat auf Grant:

  1. Vogelfrei (Le hors la loi)
  2. Angel Face (Angel Face)

Sechster Zyklus – Apachen-Odyssee:

  1. Gebrochene Nase (Nez Cassé)
  2. Der lange Marsch (La longue marche)
  3. Der Geisterstamm (La tribu fantôme)

Siebter Zyklus – Weg in die Freiheit:

  1. Die letzte Karte (La dernière carte)
  2. Der Weg in die Freiheit (Le bout de la piste)

Einzelalbum:

  1. Arizona love (Arizona Love)

Die Zyklen 4-7 sind inhaltlich miteinander verknüpft.

Marshall Blueberry

Giraud (Szenario), William Vance (Zeichnungen Bd. 1 & 2) & Michel Rouge (Zeichnungen Bd. 3). Die Einordnung von Marshall Blueberry ist weiterhin strittig: Entweder siedelt es sich zwischen dem zweiten und dem dritten oder zwischen dritten und viertem (Haupt-)Zyklus an.

  1. Marshal Blueberry (Sur ordre de Washington)
  2. Mission Sherman (Mission Sherman)
  3. Blutige Grenze (Frontière sanglante)

Mister Blueberry

Giraud (Szenario und Zeichnungen)

  1. Mister Blueberry (Mister Blueberry)
  2. Schatten über Tombstone (Ombres sur Tombstone)
  3. Geronimo der Apache (Geronimo l'Apache)
  4. OK Corral (OK Corral)
  5. Dust (Dust)
  6. Apachen (Apaches)

Literatur

  • Erik Svane, Martin Surmann, Alain Ledoux, Martin Jurgeit, Gerhard Förster, Horst Berner: Blueberry und der europäische Western-Comic. Zack-Dossier 1. Mosaik-Verlag, Berlin, 2003, ISBN 3-932667-59-X
  • Daniel Pizzoli: Ein Yankee namens Blueberry («Il était une fois Blueberry»). Delta-Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 3-7704-0558-7

Film

2004 entstand unter der Regie des Niederländers Jan Kounen ein Kinofilm, der nur lose an die Figur anknüpft. Die Titelrolle übernahm Vincent Cassel. So wird Blueberry unter anderem in dem Film weder als Offizier noch als Mitglied der Kavallerie gezeigt. Unter anderem besitzt er im Film Beziehungen zu Indianern und versucht sich durch Trance und die Einnahme von Drogen zu Erkenntnis zu gelangen. Die weitere Besetzung besteht zumeist aus renommierten Genre-Schauspielern wie Michael Madsen, Temuera Morrison, Colm Meaney, Tchéky Karyo, den Oscar-Nominees Juliette Lewis und Djimon Hounsou sowie dem Oscar-Preisträger Ernest Borgnine.

Weblinks


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