Lettre International

Lettre International
Lettre International
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Beschreibung Kulturzeitschrift
Verlag Lettre International Verlags GmbH
Erstausgabe 26. Mai 1988
Erscheinungsweise vierteljährlich
Verkaufte Auflage 16.000–23.000 Exemplare
Chefredakteur Frank Berberich
Weblink lettre.de
Artikelarchiv Archiv
ISSN 0945-5167

Lettre International ist eine von Frank Berberich in Berlin gegründete deutsche Kulturzeitschrift. Sie erscheint seit Mai 1988 als deutsche Ausgabe der 1984 in Paris von Antonin J. Liehm gegründeten, französischen Publikation Lettre Internationale.

Inhaltsverzeichnis

Korpus

Die erste Ausgabe der deutschen Lettre International erschien am 26. Mai 1988 in Berlin in einer Auflage von 100.000 Exemplaren. Seither erscheint die Zeitschrift vierteljährlich. Heute liegt die Druckauflage im Mittel bei 23.000 Exemplaren. Anlässlich von Sonderausgaben und Themenheften kann sich die Auflage auf bis zu 33.000 Exemplare erhöhen. Zuletzt war dies im September 2009 anlässlich des 20. Jahrestages des Mauerfalls der Fall.

Lettre International erscheint im halben Nordischen Format und ist somit deutlich größer als vergleichbare Kulturzeitschriften. Jede Ausgabe enthält im Durchschnitt 116 bis 140 Seiten mit einem Textkorpus von mehr als 1.000.000 Zeichen. Das entspricht etwa einem Umfang von drei bis vier Taschenbüchern. Die Zeitschrift wird auf satiniertem LWC-Papier im Heatset-Rollenoffset-Verfahren gedruckt, in der Größe von 270 mm Breite auf 370 mm Höhe, und enthält zwischen 116 und 138 Druckseiten in Klammerheftung.

Lettre International erscheint vierteljährlich und wird vertrieben am Kiosk, über den Buchhandel, im Abonnement und im Einzelverkauf ab Verlag. Die deutsche Ausgabe ist in der Bundesrepublik, Österreich und der Schweiz und an ausgewählten Verkaufsorten zahlreicher europäischer Hauptstädte zu erhalten.

Die Zeitschrift ist zu 100 % Eigentum der Lettre International Verlagsgesellschaft mbH und erscheint im Eigenverlag.[1]

Das Lettre-Netzwerk

Ziel der vierteljährlich erscheinenden Publikation war es, ein Forum für den intellektuellen Austausch zu schaffen, das es erlaubte, wichtige Texte und relevante Themen mittels eines sprach-, grenz-, und kulturüberschreitenden Forums einem internationalen Publikum zugänglich zu machen. Dem „Provinzialismus der großen Kulturen“ entgegenzuarbeiten und dazu beizutragen, „sich mit den Augen anderer sehen zu können“ gehört auch heute noch zu den zentralen Anliegen von Lettre International.[2]

Essays, Reportagen, Interviews, Analysen, Erzählungen, Poesie, Dokumente, Briefe, Kommentare und Korrespondenzen waren die literarischen Formen, in denen ernsthafte, lebendige und genaue Beschreibungen der Welt zum Ausdruck kommen sollten. Ein wichtiges Thema der weltoffen konzipierten Zeitschrift war von Beginn an die des geteilten Europas und des intellektuellen Austauschs über die politisch-militärischen Grenzen des Kontinents hinweg. Schriftsteller und Intellektuelle aus den Ländern östlich des „Eisernen Vorhangs“, darunter auch zahlreiche Dissidenten und Emigranten, zählten zu den regelmäßigen Mitarbeitern.

Der internationalen Konzeption der Zeitschrift entsprechend wurde 1985 in Rom eine italienische Ausgabe, Lettera Internazionale, gegründet ,[3] 1986 folgte in Madrid eine spanische Ausgabe, Letra Internacional.[4] 1988 folgte die deutsche Ausgabe. Die verschiedenen finanziell und organisatorisch unabhängigen Ausgaben arbeiteten auf der Basis des gemeinsamen Konzepts – Primat der Internationalität, Interdisziplinarität, keine Einmischung in die jeweilige nationale Politik – in enger Kooperation, aber redaktioneller Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit, wobei jede Ausgabe auch vor dem Hintergrund ihrer publizistischen Kontexte besondere Akzentuierungen entwickelte.

Die vier vor 1989 erscheinenden Ausgaben, darunter auch die deutsche, wurden bald zu einem Forum, in dem einige der wichtigsten Essays, Analysen und literarischen Reportagen zu den Umwälzungen in Europa veröffentlicht wurden. Autoren wie Adam Zagajewski, Wenedikt Jerofejew, Adam Michnik, Jens Reich, Milan Kundera, D. S. Lichatschow, Czeslaw Milosz, György Konrad, Timothy Garton Ash, Vaclav Havel, Andrei Sinjawski aus Osteuropa veröffentlichten ebenso auf den Seiten von Lettre wie Hans Magnus Enzensberger, Edgar Morin, Marina Warner, Norberto Bobbio, Nancy Huston, Joseph Brodsky, Juan Goytisolo, Octavio Paz, Nadine Gordimer, Tzvetan Todorov, Edward Said, John Berger,Vasilis Vasiliadis, oder Inger Christensen.

Nach dem Ende der Teilung Europas konnten landessprachliche Ausgaben von Lettre International in der Tschechoslowakei, Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Russland, Kroatien, Serbien und Mazedonien erscheinen. Im Jahre 2003 wurde in Kopenhagen auch eine dänische Ausgabe publiziert. Viele der Ausgaben konnten aus finanziellen Gründen nur einige wenige Jahre erscheinen und mussten ihre Arbeit einstellen. Neben der deutschen erscheinen 2010 noch die italienische, die rumänische,[5] die spanische und die ungarische Ausgabe regelmäßig.[6] Eine dänische Ausgabe erscheint seit 2008 jährlich.[7]

Die deutsche Ausgabe

Das „Lettre-Mobil“ bei einer Promotion-Kampagne 2009

Die deutsche Ausgabe von Lettre International wurde am 26. Mai 1988 der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie wurde von Frank Berberich, der zehn Jahre zuvor Mitbegründer der taz war, ins Leben gerufen und wird bis heute von ihm als Chefredakteur und Geschäftsführer geleitet.

Auf der Basis des von allen Lettre-Ausgaben geteilten Grundverständnisses entwickelte die deutsche Ausgabe neue konzeptionelle Komponenten und ein eigenständiges Profil. Der Titel und bis zu zehn Seiten im Innenteil werden, in Anlehnung an André Bretons berühmte surrealistische Zeitschrift Minotaure (1933 bis 1939 in Paris), eigens von einem bildenden Künstler gestaltet. Namhafte internationale Künstler haben sich dieser Aufgabe bis heute angenommen.

Zu den Künstlern, die die Titelseite gestaltet haben und auch im Heft Werke veröffentlicht haben, gehören Jörg Immendorff, der die erste Ausgabe gestaltete, Miquel Barceló, Francesco Clemente, Anne-Mie van Kerckhoven, Daniel Richter, Markus Lüpertz, A. R. Penck, Ai Weiwei, Georg Baselitz, Sigmar Polke, Rebecca Horn, Martin Kippenberger, Marina Abramovic, Geneviève Cadieux, Rosemarie Trockel und Gerhard Richter.[8]

Ein weiteres Augenmerk gilt der Photographie. Ein umfangreiches Photoportfolio sowie internationale konzeptionelle, künstlerische, essayistische, dokumentarische oder Reportage-Photographie sind wichtige visuelle Bestandteile des Heftes geworden.

Die deutsche Ausgabe räumt insbesondere der literarischen Reportage umfangreichen Platz ein und bemüht sich um Hintergrundtexte zur Interpretation bedeutender zeitgenössischer Ereignisse. In zahlreichen weltumspannenden oder international geprägten Projekten versucht Lettre International, Berlin, sein kosmopolitisches Konzept auch in Form von Wettbewerben, Preisen, Veranstaltungen, Ausstellungen und Publikationen fruchtbar zu machen. In einigen Fällen hat Lettre mit monothematischen oder Schwerpunktheften zu brennenden Fragen des Zeitgeschehens interveniert. So mit einem Sonderheft „Hommage à Sarajevo“ zur Belagerung Sarajevos 1995, mit Schwerpunktheften zu den New Yorker Anschlägen vom 11. September 2001 oder mit „Berlin auf der Couch“ zum zwanzigjährigen Fall der Berliner Mauer im Herbst 2009. Das 20-jährige Bestehen der Zeitschrift 2008 hat die deutsche Ausgabe mit einem Sonderheft „The Way We Live Now / So leben wir jetzt!“ gefeiert, zu dem mehr als 130 internationale Autoren, Künstler und Photographen beitrugen.

Die in Lettre International veröffentlichten Texte sind fast ausnahmslos deutsche Erstveröffentlichungen. Etwa 80 Prozent aller Texte werden aus anderen Sprachen übersetzt. Auf den Seiten von Lettre wurden zahlreiche Texte zum ersten Mal im deutschen Sprachraum publiziert. Viele namhafte Autoren hat Lettre in Deutschland bekannt gemacht.

Weltpolitik und Geschichte, Philosophie und Religion, Literatur und Theater, Film und Oper, Musik und Kunst, Wissenschaft und Forschung, Psychoanalyse und Ethnologie, Ökologie oder Ökonomie gehören ebenso zu den Themen von Lettre International wie politische Gewalt, Krieg, internationalen Institutionen, Architektur, Astronomie, Sport, Natur, Medien, Erotik, Netzkultur oder Fragen von Lebenskunst und Lebensstil.

Spezialausgaben, Projekte und Kontroversen

Neben der Publikation der Zeitschrift initiierte und organisierte Lettre International immer wieder Projekte internationalen Charakters in Kooperation mit Wirtschaftspartnern, Kulturinstitutionen und Stiftungen, die die Zeitschrift zu einem Kristallisationskern und Orientierungspunkt einer Art kosmopolitischer Kreativität haben werden lassen. Diese Projekte sind auch als Versuchsanordnungen zu verstehen, als experimentelle Unternehmungen, die der Frage nachgehen, wie unter den Bedingungen der Globalisierung, Formen fruchtbarer interdisziplinärer und intellektueller Zusammenarbeit geschaffen werden können.[9]

Der Einsendeumschlag eines Teilnehmers des Essaywettbewerbs aus Kamerun
Überblick
  • HOMMAGE À SARAJEVO (1995)

Ein Schwerpunktheft zum Krieg in Jugoslawien in deutscher und in serbokroatischer Sprache mit mehr als 50 Schriftstellern, Dichtern, Journalisten, Photographen, Künstlern aus aller Welt und aus dem belagerten Sarajevo. In Zusammenarbeit mit dem deutschen Außenministerium und der Heinrich-Böll-Stiftung.

  • INTERNATIONALER ESSAY-WETTBEWERB (1997–1999)

In Kooperation mit dem Goethe-Institut schrieb Lettre International und Weimar 1999, Kulturstadt Europas, eine philosophische Preisfrage zur Beantwortung in Form eines Essays aus. Die Beiträge konnten in den sechs UNO-Sprachen Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Russisch, Spanisch und Deutsch eingereicht werden. Sieben interdisziplinär besetze Vorjurys und eine Endjury befanden über die Preisvergabe (drei Geldpreise und sieben Stipendien). Unter fast 2500 Einsendungen aus 126 Ländern, ging die damals 20-jährige russische Autorin Ivetta Gerasimchuk als Gewinnerin hervor.

  • WELTREPORTER UNTERWEGS – DIE KUNST DES SPURENLESENS (1998)

Lettre International und das Haus der Kulturen der Welt in Berlin luden sieben Reportageautoren und Schriftsteller sowie einen Photographen ein, in verschiedene Regionen der Welt aufzubrechen und über ihre Erfahrungen zu berichten. Die Teilnehmer kamen anschließend für einen Erfahrungsaustausch in Form von Vorträgen, öffentlichen Diskussion und Ausstellungen nach Berlin und München, um über die Beziehung von Literatur und Wirklichkeitsbeschreibung zu sprechen.

  • WELTENBÜRGER – AUGENZEUGEN DER GESCHICHTE (1998–2000)

Innerhalb dieser mit der Volkswagen AG realisierten mehrjährigen Reihe literarischer Soirées stellten internationale Reporter, Schriftsteller und Dichter Sichtweisen und Analysen in Form von Vorträgen zu den politisch-kulturellen Entwicklungen in unterschiedlichen Weltregionen zur Diskussion. Beteiligt waren unter anderem Ryszard Kapuscinski, Urvashi Butalia, Breyten Breytenbach, Derek Walcott und Edouard Glissant.

  • BORDERS (2001)

In Kooperation mit der Schweizer Stiftung Pro Helvetia entstand 2001 ein in vier Sprachen publiziertes Buch mit Reportagen und Essays (u. a. von Juan Villoro, Juan Goytisolo, Pedro Rosa Mendes) über die Grenzen Polen / Deutschland, Spanien / Marokko, Mexiko / USA, Indien / Bangladesch und die heterogenen Kriegsgebiete Angolas zur gleichnamigen Photoausstellung.

  • DER SCHOCK DES 11. SEPTEMBER UND DAS GEHEIMNIS DES ANDEREN (2002)

Lettre International lud 2002 – in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung und der Bundeszentrale für politische Bildung – Künstler ein, auf die terroristischen Ereignisse des 11. September zu reagieren. Die mehr als 30 eingehenden Arbeiten (darunter von Rebecca Horn, Marina Abramovic, John Baldessari, Jörg Immendorff) wurden in Lettre 55 veröffentlicht. Die Originale der Kunstwerke wurden in einer sechswöchigen Ausstellung in der Galerie Haus am Lützowplatz, Berlin inszeniert. Zur Ausstellung entstand ein Katalog mit elf Essays und Interviews in deutscher und englischer Sprache.

  • WELTERFAHRUNGEN (2002–2003)

Eine Veranstaltungsreihe in Schloss Neuhardenberg mit Vorträgen internationaler Autoren (darunter Abdelwahab Meddeb, Dzevad Karahasan, Ahmed Rashid, Swetlana Alexijewitsch, Amitav Ghosh) zu Weltereignissen, Weltentwicklungen und den Tumulten der Kulturen, gefolgt von Diskussionen. In Kooperation mit der Stiftung Schloß Neuhardenberg.

  • EINSTEIN-EXPERIMENT (2005)

Lettre International und das Büro Einsteinjahr des Wissenschaftsministeriums baten 2005 Wissenschaftler, Philosophen, Künstler, Schriftsteller, Politiker, Personen des öffentlichen Lebens um Stellungnahmen, Gedanken und Ideen zu Albert Einstein. Dabei entstand der „Einstein-Komplex“, eine Mischung aus literarischen Texten, Gedichten, Aphorismen, Erinnerungen, Gedankenblitzen, längeren Reflexionen und kurzen Bonmots, die das Phänomen Einstein auf sehr persönliche Weise erkunden.

  • 20 JAHRE LETTRE INTERNATIONAL – THE WAY WE LIVE NOW – SO LEBEN WIR JETZT (2008)

Im Juni 2008 erschien aus Anlass des 20. Geburtstages der deutschen Ausgabe eine 256 Seiten umfassende Jubiläumsausgabe zum Thema The Way We Live Now – Wie wir heute leben. Ziel der Sonderausgabe war es die Energien und Potenziale der Zeitschrift zu bündeln und etwas von der Beschaffenheit dieses Zeitabschnitts von 20 Jahren sichtbar werden lassen. 150 Schriftsteller, Dichter, Philosophen, Essayisten, Reporter, Künstler und Photographen aus aller Welt trugen mit Originalbeiträgen dazu bei. Die Sonderausgabe spannte einen Bogen von Analysen bis hin zu persönlichen Erfahrungen, Essays, Kurzgeschichten, Gedichten, Monologen, Reportagen, Traumskizzen und Tagebucheintragungen, Zeichnungen, Collagen, Malereien, Skizzen und Photographien.

  • BERLIN AUF DER COUCH (2009) und Sarrazin-Interview

Im Oktober 2009 erschien ein weiteres Themendoppelheft (256 Seiten) aus Anlass des 20. Jahrestags des Mauerfalls. Mehr als 130 Autoren und Künstler analysierten in Lettre die Ereignisse und Auswirkungen des Jahres 1989 für die Großstadt Berlin Dieses Heft sollte zur Neubelebung der Diskussionen um die Rolle von „Berlin“ in Europa – als internationale Metropole, als Stadt der Künste, als Schnittpunkt der Kulturen, als urbanes Modell, als deutsche Hauptstadt, als Provinz – beitragen.

Diese Themen des Heftes wurden in der öffentlichen Wahrnehmung allerdings durch ein ebenfalls in der Sonderausgabe erschienenes Interview mit Thilo Sarrazin verdrängt.[10] Das Interview erzeugte große Aufmerksamkeit bzw. nach Ansicht des Herausgebers Frank Berberich „Sensationalisierung und Skandalisierung“.[11] Darüber hinaus geriet die Bildzeitung in einen urheberrechtlichen Konflikt mit Lettre International:[12] Sie hatte das Interview mehrfach für Schlagzeilen, insbesondere in der Berlinausgabe, benutzt und den Text zum großen Teil abgedruckt und zum Download zur Verfügung gestellt.[11] Lettre International erwirkte, vertreten vom Berliner Rechtsanwalt Johannes Eisenberg, eine einstweilige Verfügung[13] und bereitet eine Schadensersatzklage vor.[14] Bild-Chefredakteur Kai Diekmann behauptete, eine „Erlaubnis zur Veröffentlichung“ erhalten zu haben.[15] Am 8. März 2011 einigten sich der Springer-Verlag und Lettre International schließlich außergerichtlich auf ein Schadensgeld in Höhe von 60.000 €. [16]

Lettre Ulysses Award

Anna Politkowskaja bei der Preisverleihung des Lettre Ulysses Award 2003

In Zusammenarbeit mit der Aventis Foundation und in Kooperation mit dem Goethe-Institut begründete Lettre International 2003 einen jährlich vergebenen Weltpreis für die besten literarischen Reportagen , den Lettre Ulysses Award, dessen Preisträger mit Preisgeldern in Höhe von insgesamt 100.000 Euro sowie zahlreichen Arbeitsstipendien des Goethe-Instituts geehrt wurden. Der Preis wurde bis 2006 verliehen und ist seitdem suspendiert.

Dieser erster Weltpreis für literarische Reportage vereinigte Jurymitglieder aus 11 Sprachkreisen – Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Türkisch, Portugiesisch, Arabisch, Russisch, Hindi, Chinesisch, Japanisch. Als Weltpreis für literarische Reportage würdigt er in Form von Geldpreisen und Arbeitsstipendien die besten Leistungen der internationalen Reportageliteratur. Die Arbeit der Autoren soll so ins Zentrum internationaler Aufmerksamkeit rücken. Der Lettre Ulysses Award sollte zur moralischen, ideellen und materiellen Unterstützung der Reporter beitragen und wurde jährlich in Berlin vergeben für Texte, die in den zwei vorangegangenen Jahren – in welcher Sprache und welchem Land auch immer – erstveröffentlicht worden waren.

2003 wurde der Preis Anna Politkowskaja für ihr Buch Tchétchénie: Le déshonneur russe über den Krieg in Tschetschenien verliehen. Weitere Preisträger waren Nuruddin Farah (Somalia), Jiang Hao (China). Auszüge aus den Texten der sieben Finalisten wurden in Lettre 62 veröffentlicht.

2004 gewann das chinesische Autorenpaar Wu Chuntao und Chen Guidi den mit 50.000 Euro dotierten ersten Preis für ihr Buch A Survey on Chinese Peasants (zur Lage der chinesischen Bauern). Zweiter und dritter Preis gingen an die US-Amerikaner Tracy Kidder (Mountains beyond Mountains) und Daniel Bergner (Soldiers of Light). Auszüge aus den Texten der sieben Finalisten finden sich in Lettre 66.

2005 wurde die britische Autorin Alexandra Fuller für ihr Buch Scribbling the Cat. Travels with an African Soldier mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Der zweite Preis ging an den Marokkaner Abdellah Hammoudi für Une saison à la Mecque. Récit de pèlerinage. Den dritten Preis erhielt Riverbend aus dem Irak für Baghdad Burning. Girl Blog from Iraq. Auszüge aus den Texten der sieben Finalisten finden sich in Lettre 70.

2006 erhielt die britische Schriftstellerin Linda Grant den ersten Preis für ihr Buch The People on the Street. A Writer’s View of Israel. Der zweite Preis wurde an den Franzosen Erik Orsenna für Voyage aux pays du coton. Petit précis de mondialisation vergeben. Der dritte Preis ging an die kolumbianische Autorin Juanita León für País de plomo. Crónicas de guerra. Auszüge aus den Texten der Finalisten finden sich in Lettre 74.[17]

Auszeichnungen

Für Verdienste an der internationalen Presselandschaft wurde Lettre International mehrfach ausgezeichnet

  • 1997 erhielt der Lettre Gründer Antonin J. Liehm stellvertretend für das gesamte Netzwerk den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung der Leipziger Buchmesse.
  • 2010 erhielt Chefredakteur Frank Berberich den Preis Kulturjournalist des Jahres 2009 durch das Medium Magazin .[18]
  • 2010 wurde Frank Berberich für das Interview Klasse statt Masse mit Thilo Sarrazin in Lettre International 86 für den Henri-Nannen-Preis, in der Kategorie: Sonderpreis nominiert.[20]

Stimmen zu Lettre

Bereits mit dem Erscheinen der ersten Ausgabe am 26. Mai 1988 wurde Lettre International zum Gegenstand der Feuilletons. Seither fand das Blatt anlässlich von Sonderausgaben oder Projekten immer wieder breite publizistische Resonanz.

Neue Zürcher Zeitung:[21]

  • Von Anfang an war der journalistische Anspruch der „Lettre“-Redaktion auch ein literarischer: Man wollte gut geschriebene, spannend zu lesende Texte, angesiedelt zwischen Essay und Reportage; und man bot den Raum dazu, den Zeitungen und Zeitschriften heute selten bieten. Das Ergebnis ist ein wunderbar reichhaltiges, von der ersten bis zur letzten Seite lesenswertes Panorama.

Thilo Sarrazin:[22]

  • „Ach wissen Sie, Martin Luther hat als junger Mönch sein Lettre-Interview an die Tür der Schlosskirche von Wittenberg genagelt.“

Frank Schirrmacher zur ersten Nummer 1988:[23]

  • Ein Wunder – Lettre International ist da. Alles spricht gegen den Plan: dieser Ehrgeiz, berühmte Schriftsteller zu gewinnen, diese Hoffnung, in allen europäischen Ländern vertreten zu sein, dieser strenge Glaube, neue Debatten anfeuern zu können, diese Verachtung für die Moden, diese Liebe zur Ausführlichkeit und dann diese ständigen Geldverlegenheiten. Kein Intellektueller, der nicht irgendwann eine Zeitschrift gründen wollte. In jeder Stadt wird davon geträumt. An den Stammtischen der Bohème wird gebrütet, geplant, wieder verworfen. Vielleicht hat das bei Antonin Liehm, dem Bergründer von Lettre, auch so begonnen. Aber sein Erfolg spricht gegen die Stammtische. Hier eröffnet sich eine Chance für die europäischen Intellektuellen, die ihre angelsächsischen Kollegen durch Oragne wie das Times Literary Supplement seit Jahrzehnten ergriffen haben: künftig können sie Gespräche gleichzeitig und in fast allen Ländern des Kontinents führen. Lettres Zukunft ist ein wenig auch die Zukunft der europäischen Intellektuellen.

The New York Times:[24]

  • Language remains the greatest barrier, not just between people and nations but between intellectuals and artists who might be especially eager to overcome such barriers. And that is why the hydra-headed, multi-lingual magazine Lettre International is so interesting.

Neue Zürcher Zeitung:[25]

  • Wenn es eine kulturelle Stimme des alten Kontinents gibt, die europäischen Eigensinn gegenüber den USA behaupten kann, so artikuliert sie sich in Lettre International. Es ist der Versuch, Europas Spaltungen publizistisch zu überwinden ohne die Weite und Vielfalt der Kulturen aufzugeben.

Die Zeit:[26]

  • In Lettre kann man nicht nur erstrangige deutsche, ost- und westeuropäische und amerikanische Autoren, sondern auch Philosophen und Schriftsteller aus China, Indien oder Afrika lesen, die hierzulande sonst nirgendwo vorkommen. Diese Öffnung zu fremden Denkwelten folgt der besten aller europäischen Traditionen: Die Fähigkeit, fremde Ideen verstehend nachzuvollziehen und deren Anstöße ins eigene Selbstverständnis aufzunehmen. Wenn es ein Credo gibt, dem Lettre folgt, dann ist es das Bekenntnis zur uneingeschränkten, universalen Geltung der Menschenrechte.

Frankfurter Rundschau:[27]

  • Der Lettre-Leser ärgert sich nicht über Irritationen. Er sucht sie. Weil er weiß, alle Erkenntnis beginnt damit, dass man aus seinen Gewohnheiten hinausgekickt wird. Lettre macht einen nicht nur klüger. Lettre ändert einen.

die tageszeitung:[28]

  • Schnell ist man mittendrin im Universum der Lettre International, dieser geradezu unglaublichen Ausnahmeerscheinung auf dem Zeitschriftenmarkt: sperriges Format, anspruchsvoller Inhalt, sehr viel Text. Rein publizistisch ein Wahnsinn.

Der Standard:[29]

  • In Berlin gegründet, aber von Anfang an transnational angelegt, hat Lettre immer die verschiedenen, die ganz anderen Blickwinkel gesucht und die Themen, die allen staatlichen oder sprachlichen Verengungen zuwiderlaufen.

Stuttgarter Zeitung:[30]

  • Was Lettre ausmacht lässt sich so charakterisieren: ein radikal kosmopolitisches Konzept, das die europäische Nabelschau überwinden will, weil sie einer globalisierten Welt nicht mehr angemessen ist: die Präsentation einer Vielfalt von literarischen Formen, wo Essays neben Kurzgeschichten, Gedichte neben Reportagen ihren Platz finden: und die Mischung von Textbeiträgen mit den Werken von Malern und Fotografen.

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Sara Hoegen u. a, Friedrichstraße/Ostsee für Lettre International, Berlin 2006, S. 41–51.
  2. Editorial, in: Lettre international: Europas Kulturzeitung. (Nr. 1), Berlin 1988
  3. letterainternazionale.it
  4. revistasculturales.com
  5. ceeol.com
  6. lettre.c3.hu
  7. lettre.dk
  8. lettre.de
  9. lettre.de
  10. lettre.de
  11. a b Wendelin Hübner: Dilettantismus, Phrasen, Irreführung, Parolen. In: V.i.S.d.P. Magazin für Medienmacher. 23. Oktober 2009.
  12. Christian Meier: „Lettre“-Chef Frank Berberich über seine Erfahrungen mit „Bild“: „Schlichter Diebstahl“. In: Kress. Der Mediendienst, 26. Oktober 2009.
  13. Rechtsanwälte Eisenberg, Dr. König & Dr. Schork: Diebstahl des Sarrazin-Inzerviews von lettre international durch Bildzeitung von LG Berlin gestoppt. Auf: eisenberg-koenig.de, 12. Oktober 2009.
  14. Peter Mühlbauer: Es geht auch ohne Leistungsschutzrechte. In: Telepolis, 28. Oktober 2009.
  15. Kai Diekmann: Return to Sender. In: kaidiekmann.de, 27. Oktober 2009.
  16. Interview-Klau: "Bild" muss 60.000 Euro zahlen auf DWDL
  17. lettre-ulysses-award.org
  18. Die Journalisten des Jahres 2009. In: Medium Magazin online am 21. Dezember 2009, abgerufen am 14. Januar 2010.
  19. Berlin Online, aufgerufen 8. Dezember 2009, 19:20 Uhr
  20. henri-nannen-preis.de
  21. Neue Zürcher Zeitung Nr. 243 / 20. Oktober 1998
  22. Thilo Sarrazin, in: Die Zeit Nr. 16/2010
  23. Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 123 / 28. Mai 1988
  24. The New York Times / 15. September 1994
  25. Neue Zürcher Zeitung Nr. 163 / 17. Juli 1998
  26. Die Zeit Nr. 41 / 1. Oktober 1998
  27. Frankfurter Rundschau Nr. 120 / 26. Mai 2008
  28. Publizistischer Wahnsinn. In: taz, 2. Juni 2008
  29. Der Standard / 15. Juli 2008
  30. Stuttgarter Zeitung Nr. 153 vom 3. Juli 2008

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