Leopold IV. (Lippe)

Leopold IV. (Lippe)

Leopold IV. Julius Bernhard Adalbert Otto Karl Fritz Georg Gustav zur Lippe (* 30. Mai 1871 in Oberkassel bei Bonn; † 30. Dezember 1949 in Detmold) war der letzte regierende Fürst von Lippe.

Leben

Er war der Sohn von Ernst zur Lippe-Biesterfeld und Caroline von Wartensleben.

Seine Ausbildung erhielt er auf der Gelehrtenschule in Roßleben, auf dem Gymnasium in Frankfurt a.d. Oder und auf dem fürstlichen Gymnasium in Putbus, wo er 1891 sein Abitur machte. Bis 1894 war er Offizier im deutschen Heer. 1894/1895 studierte er Staatswissenschaften an den Universitäten Bonn und Berlin. 1895 kehrte er nach Hause zurück, da die Lähmung seines Vaters und der Erbfolgestreit seine Anwesenheit erforderlich machten. Die endgültige Entscheidung wurde dem Schiedsspruch der Mitglieder des IV. und VII. Zivilsenats des Reichsgerichts übertragen. Bis dahin blieb Leopold Regent. Durch die Entscheidung des Reichsgerichts unter dem Vorsitz des Reichsgerichtspräsidenten Rudolf von Seckendorff vom 25. Oktober 1905 wurde dann das Erbfolgerecht des Hauses Biesterfeld endgültig anerkannt.[1][2] Leopold übernahm die Regierung als Fürst Leopold IV., da Fürst Alexander am 13. Januar 1905 gestorben war. Durch diese Regierungsübernahme musste Kaiser Wilhelm II. seine Hoffnung auf eine Thronbesteigung seines Schwagers und Generalmajors à la suite Prinz Adolf zu Schaumburg-Lippe aufgeben. Darüber war er so verärgert, dass er den Feierlichkeiten zur Inthronisation von Fürst Leopold IV. in Detmold demonstrativ fern blieb.

Fürst Leopold IV. zur Lippe

Seine Regierung stand im Zeichen wirtschaftlichen und kulturellen Aufstiegs, er war aufgeschlossen für Technik und Industrie. Um den Bewohnern Erwerbsmöglichkeiten zu bieten, ließ er die Staatswerkstätten einrichten und eine größere Anzahl bedeutender Bauvorhaben ausführen. Die Prachtbauten des Regierungs- und Landtagsgebäudes, der Sparkassen und Banken, des Gymnasiums, des Lehrerseminars, die Christuskirche mit Fürstengruft auf dem Kaiser-Wilhelm-Platz, das evangelische Pfarramt, die Kasernen, der Ausbau des Schlosses usw. dienten dieser Maßnahme. In Bad Salzuflen unterstützte er mit Zuschüssen aus der eigenen Kasse die Erbohrung der Leopoldsquelle. Seine bedeutendste Schöpfung ist die Fürst-Leopold-Verwaltungsakademie: eine Fachhochschule, in der kriegsversehrte Offiziere zu Kommunalbeamten umgeschult wurden.

Seine große Liebe galt der Jagd und dem Theater, so ließ er mitten im Ersten Weltkrieg das abgebrannte Hoftheater wieder aufbauen. Auch der Volksbildung wandte er seine Fürsorge zu. Das Landesschulgesetz von 1914 schuf die staatliche Oberschulbehörde und beseitigte die Schulaufsicht der Kirche. Die Akademie stellte die Lehrer besser, den preußischen gleich. Die neuen Steuergesetze brachten eine gerechte Verteilung der Lasten und eine wesentliche Erhöhung des Steueraufkommens. Die Erschließung des Landes durch Straßen und Bahnen förderte Handel und Verkehr. Besonders die Industrialisierung machte starke Fortschritte. Im Zuge der Novemberrevolution wurde Leopold IV. durch den lippischen Volks- und Soldatenrat am 12. November 1918 zum Thronverzicht gedrängt.

Fürst Leopold IV. ist es schwer gemacht worden. Bedenkt man, wie viel Demütigungen und Konflikte sein Leben bestimmten (der Kampf um Ebenbürtigkeit und Thronfolge, Erster Weltkrieg, Thronentsagung, Inflation, vermögensrechtliche Auseinandersetzungen in der Weimarer Republik um den Domänen- und Familienbesitz, die sich fast zwei Jahrzehnte hinzogen[3]Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg), dann verwundert es nicht, dass das Urteil der Zeitgenossen über den introvertierten Fürsten schwankend ist. Allerdings wird er als redlich anerkannt und rettete durch sparsames und solides Wirtschaften den Familienbesitz. Er starb 1949 in Detmold.

Nachkommen

Prinzessin Bertha von Hessen-Philippsthal-Barchfeld

Fürst Leopold IV. war zweimal verheiratet: in erster Ehe 16. August 1901 mit Prinzessin Bertha von Hessen-Philippsthal-Barchfeld (* 25. Oktober 1874 in Burgsteinfurt, † 19. Februar 1919 in Detmold); in zweiter Ehe 26. April 1922 mit Anna Prinzessin zu Ysenburg-Büdingen, verwitwete Prinzessin zur Lippe-Weißenfeld (* 10. Februar 1886 in Büdingen, † 8. Februar 1980 in Detmold).

Kinder aus erster Ehe:

  • Ernst Leopold Chlodwig Julius Alexis Wilhelm Heinrich Prinz zur Lippe (* 12. Juni 1902 in Detmold, † 24. Mai 1987 in Detmold)
  • Leopold Bernhard Wilhelm Friedrich Heinrich Alexis Otto Prinz zur Lippe (* 19. Mai 1904 in Detmold, † 5. Juli 1965 in Detmold)
  • Karoline Auguste Adelheid Mathilde Marie Luise Pauline Prinzessin zur Lippe (* 4. August 1905 in Detmold, † 12. Oktober 2001 in Bad Eilsen)
  • Chlodwig Luitpold Friedrich August Georg Rudolf Christian Maximilian Prinz zur Lippe (* 27. September 1909 in Detmold, † 13. Februar 2000 in Starnberg)
  • Sieglinde Bertha Elisabeth Adelheid Juliane Calma Bathildis Marie Anna Prinzessin zur Lippe (* 4. März 1915 in Detmold, † 8.August 2008)

Kind aus zweiter Ehe:

Vorgänger Amt Nachfolger
Alexander Fürst zur Lippe
1905–1918
Ernst zur Lippe-Biesterfeld Regent von Lippe
1904–1905

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Schiedsspruch in dem Rechtsstreite über die Thronfolge im Fürstentum Lippe vom 25. Oktober 1905 (LLB Detmold)
  2. Die Entscheidung des Reichsgerichts ist in der Deutschen Juristen-Zeitung 1906, Sp. 61–63, veröffentlicht worden. Maßgeblich für Bejahung des Thronfolgerechts der Linie Lippe-Biesterfeld waren nach dieser Entscheidung folgende Gründe:
    • Die Ebenbürtigkeit der 1803 geschlossenen Ehe zwischen dem Grafen Wilhelm Ernst und Modeste von Unruh, aus welcher die Biesterfelder Linie abstammt.
    • Die Anerkennung des Thronfolgerechts der Linie Lippe-Biesterfeld durch ein Gesetz des Landes Lippe vom 17. Oktober 1896.
    • Die Anerkennung des Thronfolgerechts der Linie Lippe-Biesterfeld durch einen Schiedsspruch vom 22. Juni 1897. Das Schiedsgericht bestand aus sieben Mitgliedern: der König Albert von Sachsen und sechs Mitglieder des Reichsgerichts.
    • Die Ebenbürtigkeit der am 16. September 1869 geschlossen Ehe zwischen dem bereits verstorbenen Grafen Ernst zur Lippe-Biesterfeld und Karoline Reichsgräfin von Wartensleben, den Eltern von Fürst Leopold IV.
    Um den Thron des Fürstentums Lippe stritten sich die Linien Lippe-Biesterfeld, Lippe-Weißenfeld und Lippe-Alverdissen. Letztere hatte die Linie Schaumburg erworben und 1807 die Fürstenwürde angenommen. Alle drei Linien gingen auf den 1613 verstorbenen Grafen Simon VI. zur Lippe zurück.
  3. Am 17. Juli 1919 beschloss der Landtag des Landes Lippe, dass mit der Thronentsagung des Fürsten Leopold IV. das fürstliche Domänenvermögen Staatseigentum sei. Damit bestätigte er eine Verfügung des Lippischen Volks- und Soldatenrates. Aufgrund dieses Gesetzes schloss das Land Lippe mit dem entthronten Fürsten Leopold IV. am 31. Oktober 1919 einen Dominalvertrag ab. Laut § 2 des Vertrages sollte das Land Lippe Eigentümer des fürstlichen Domänenvermögens sein, ausgenommen waren die unter § 3 genannten Bestandteile. So wurden dem fürstlichen Haus Lippe das Schloss Detmold, das Jagdschloss Lopshorn und die Oberförsterei Berlebeck überlassen, vgl. zum Vertragsinhalt das Urteil des Reichsgerichts vom 27. Mai 1932 in dem Rechtsstreit des Fürsten Leopold IV. gegen das Land Lippe, abgedruckt in der amtlichen Entscheidungssammlung des Reichsgerichts (siehe RGZ 136, Seite 211–223) sowie Hartmut Platte, Das Haus Lippe, 2. Aufl. Börde Verlag, Werl, 2003, Seite 15. Im Februar 1928 erhob Fürst Leopold IV. gegen das Land Lippe Klage und rügte die Gültigkeit des Dominalvertrages. Der Rechtsstreit ging durch alle Instanzen: Landgericht Detmold, sodann Oberlandesgericht Celle (Berufungsinstanz) und zum Schluss Reichsgericht (Revisionsinstanz). In dem bereits zitierten Urteil des Reichsgerichts vom 27. Mai 1932 heißt es unter anderem, die Rügen des Fürsten seien dann unerheblich, wenn diesem bei Vertragsschluss das Domänenvermögen gar nicht mehr zugestanden haben sollte. Nach dem deutschen Privatfürstenrecht gäbe es zwei Vermögensmassen: nämlich das Privatvermögen des Fürsten und das Domänenvermögen des Fürsten, welches diesem für die Dauer der Regentschaft zustehe. Nach Wegfall der Regentschaft falle das Domänenvermögen an den Staat, sofern nichts anderes gesetzlich geregelt sei. Dies habe die Vorinstanz nicht geprüft, so dass der Rechtsstreit an dieses Gericht zurück verwiesen werden müsse. In dem Urteil des Reichsgerichts vom 27. Mai 1932 wird ein weiteres Urteil des Reichsgerichts vom 18. November 1921 zitiert, welches ebenfalls Vermögensstreitigkeiten im Hause Lippe zum Gegenstand hatte. Laut diesem Urteil hatten Angehörige der Nebenlinie Lippe-Weißenfeld wegen einer Zahlungsforderung das Land Lippe und den Fürsten Leopold IV. als Gesamtschuldner verklagt. Grundlage der Forderung war ein am 22./24. Mai 1762 abgeschlossener Vertrag, der Streitigkeiten im Hause Lippe beilegen sollte. Nach diesem Vertrag war an die Nebenlinie Lippe-Weißenfeld eine Rente zu zahlen. Die Klage gegen den Fürsten Leopold IV. wies das Reichsgericht am 18. November 1921 mit der Begründung ab, dieser habe spätestens mit dem Dominalvertrag vom 31. Oktober 1919 seine Stellung als Inhaber des fürstlichen Domänenvermögens an das Land Lippe verloren. Das Reichsgericht ließ offen, ob dieser Verlust schon mit seinem Thronverzicht vom 12. November 1918 eingetreten sei. Dagegen gab das Reichsgericht der Klage gegen das Land Lippe statt, da der Ausschluss der vertraglichen Zahlungsansprüche der Kläger durch die Gesetze des Landes Lippe gegen die Eigentumsgarantie des Art. 153 der Weimarer Reichsverfassung verstieße. So sei u. a. die nach dieser Vorschrift zwingende Rechtsweggarantie nicht gegeben. Das Urteil des Reichsgerichts vom 18. November 1921 ist ebenfalls in der amtlichen Entscheidungssammlung des Reichsgerichts veröffentlicht worden, vgl. RGZ 103, Seite 200–202; vgl. ferner auch RGZ 136, Seite 211, 213. In einem weiteren Rechtsstreit wurde Fürst Leopold IV. von weiteren Mitgliedern der Nebenlinie Lippe-Weißenfeld auf Zahlung verklagt. Auch diese Klage wurde auf den am 22./24. Mai 1762 abgeschlossenen Vertrag gestützt. Dieser Rechtsstreit ging wie die beiden anderen Prozesse durch alle Instanzen: Landgericht Detmold, Oberlandesgericht Celle und Reichsgericht. Das Reichsgericht wies am 18. November 1921 die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der inzwischen verstorbene Vater der beiden Kläger habe teilweise auf seine vertraglichen Ansprüche verzichtet. Ein solcher Teilverzicht, auf den sich die beiden Kläger berufen haben, sei jedoch unwirksam. Er sei mit dem deutschen Privatfürstenrecht unvereinbar, da dieses zwecks Vermeidung einer Zersplitterung des Domänenvermögens nur einen völligen Verzicht vorsehen würde. Der Tod des Vaters der beiden Kläger ändere daran nichts. Dieses Urteil des Reichsgerichts ist auch in der amtlichen Entscheidungssammlung des Reichsgerichts veröffentlicht worden, vgl. RGZ 103, Seite 202–206. Allerdings sind die Ausführungen des Reichsgerichts zur Unerheblichkeit des Todes des Vaters der beiden Kläger für den Ausgang des Rechtsstreits dort nicht abgedruckt.

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