Leo Reuss

Leo Reuss

Leo Reuss (* 30. März 1891 in Dolyna, Galizien, Österreich-Ungarn, als Leo Moritz Reis; † 1. April 1946 in Manila, Philippinen) war ein österreichischer Schauspieler und Regisseur. Nach seiner Auswanderung nach Hollywood anglisierte er seinen Namen zu Lionel Royce.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Leo Reuss wuchs als Sohn eines Tierarztes in Wien auf. Gegen den Willen des Vaters besuchte er die Akademie für Musik und darstellende Kunst in Wien und war dann Soldat im Ersten Weltkrieg. 1919 erhielt er seine ersten Engagements an privaten Wiener Bühnen und ging 1921 an die Hamburger Kammerspiele zu Erich Ziegel.

1923 kam er ans Staatstheater Berlin zu Leopold Jessner. Später spielte er, zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin Agnes Straub, vor allem am Volkstheater und am Theater am Schiffbauerdamm.

Die letzten Berliner Jahre leitete er das Agnes-Straub-Theater (im Theater am Kurfürstendamm), bis er Ende 1934 von den Nationalsozialisten als Jude Arbeitsverbot erhielt.

1935 musste Leo Reuss vor den Nationalsozialisten fliehen. Er emigrierte erst nach Österreich, doch dort fand er keine Arbeit. Schließlich verschwand er, und es wurde gesagt, er sei nach Amerika gegangen. Einige Zeit später (im Sommer 1936) gab er sich bei Max Reinhardt in Salzburg als Tiroler Bauer namens Kaspar Brandhofer aus, der unbedingt zum Theater wollte. Da der „Bauer“ ihm sehr begabt schien, schickte ihn Reinhardt mit ein paar Empfehlungsschreiben nach Wien, wo die dortigen Intendanten den Laien gleich viel interessanter fanden als die emigrierten und in Wien nach Arbeit suchenden gelernten Schauspieler.

Der „Bauer“ wurde dann vom Direktor Ernst Lothar an das Theater in der Josefstadt engagiert. Hier spielte er mit großem Erfolg unter der Regie von Hans Thimig in Lothars Bearbeitung der Novelle „Fräulein Else“ von Arthur Schnitzler. Nach der erfolgreichen Premiere im Jahr 1936 gab es äußerst positive Kritiken in den Zeitungen. Vor allem die rechtslastige Presse fand große Genugtuung darin, dass ein Tiroler als neues Schauspieltalent entdeckt wurde. So schrieb etwa die Reichspost: „endlich einmal wehte von der Bühne reine Tiroler Bergluft“[1]

Nach Erscheinen der Premierekritiken gab er seine wahre Identität preis. Reuss fand keine Anerkennung hierfür, Ernst Lothar zeigte ihn gar wegen Betruges und Urkundenfälschung an. Da nun kein „Tiroler Naturtalent“ mehr, fand sich Reuss in derselben Situation wie vor der Tarnaktion: keine Rollenangebote.

1937 wanderte Reuss in die USA aus. Er spielte dort in ca. 45 Filmen unter dem Namen Lionel Royce.

Leo Reuss war dreimal verheiratet und hatte aus diesen Ehen vier Kinder.

Das Leben und vor allem die absurde Emigrationsgeschichte von Leo Reuss wurde Gegenstand verschiedener Biographien und eines Theaterstücks (siehe Literatur). Ein Verfilmungsvorhaben in Hollywood bereits zu seinen Lebzeiten wurde nie realisiert.

Filmografie

in Deutschland:

  • I.N.R.I. Ein Film über die Menschlichkeit (1923)
  • Die Jagd nach dem Glück (1929/30)
  • Flachsmann als Erzieher (1930)
  • Der Aufstand der Fischer (1931)
  • 1914 – Die letzten Tage vor dem Weltenbrand (1931)

in den USA:

  • Marie Antoinette (1938)
  • What Price Safty (aus der Serie Crime Does Not Pay)(1938)
  • The Wrong Way Out (Kurzfilm) (1938)
  • Confessions of a Nazi Spy (1939)
  • Conspiracy (1939)
  • Espionage Agent (1939)
  • Pack Up Your Troubles (1939)
  • Let Freedom Ring (1939)
  • Nurse Edith Cavell (1939)
  • 6000 Enemies (1939)
  • Broadway Serenade (1939)
  • Charley Chan in Panama (1940)
  • Four Sons (1940)
  • Victory (1940)
  • The Man I Married (1940)
  • The Son of Monte Christo (1941)
  • So Ends Our Night (1941)
  • South of Panama (1941)
  • Road to Zanzibar (1941)
  • Underground (1941)
  • The Lady has Plans (1942)
  • My Favorite Blonde (1942)
  • Unseen Enemy (1942)
  • My Favorite Spy (1942)
  • Berlin Correspondent (1942)
  • Half Way to Shanghai (1942)
  • Once Upon a Honeymoon (1942)
  • Cash Drive (1943)
  • Assignment in Brittany (1943)
  • Mission to Moscow (1943)
  • Don Wilslow of the Coast Guard (Filmserial, 1943)
  • Hitler's Madman (1943)
  • Secret Service in Darkest Africa (Filmserial, 1943), lief im US-Fernsehen 2003 unter dem Titel: Manhunt in the African Jungle
  • Above Suspicion (1943)
  • Heavenly Music (1943)
  • December 7th (1943)
  • Let's Face it (1943)
  • The Cross of Loraine (1943)
  • Passport to Destiny (1944)
  • The Hitler Gang (1944)
  • The Seventh Cross (1944)
  • Tarzan and the Amazones (1945)
  • White Pongo (1945)
  • Cloak and Dagger (1946)
  • Gilda (1946)

Literatur

  • Gwendolyn von Ambesser: Die Ratten betreten das sinkende Schiff. - Das absurde Leben des Leo Reuss (mit einem Vorwort von Mario Adorf), Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-936049-47-5
  • Hilde Haider-Pregler: Überlebens-Theater. Der Schauspieler Reuss. Verlag Holzhausen, Wien 1998, ISBN 3-900518-66-1
  • Theo Lingen: Ich bewundere... Liebeserklärungen an das Theater. München 1969
  • Felix Mitterer: In der Löwengrube. Ein Theaterstück und sein historischer Hintergrund. Innsbruck 1998
  • Friedrich Torberg: Die Erben der Tante Jolesch: Anhang: Tiroler Reis-Auflauf. In: Friedrich Torberg: Die Tante Jolesch und Die Erben der Tante Jolesch (Doppelband), Verlag Langen/Müller, München 2008, ISBN 978-3-7844-3139-0, S. 621–625

Einzelnachweise

  1. Friedrich Torberg: Die Erben der Tante Jolesch: Anhang: Tiroler Reis-Auflauf. In: Friedrich Torberg: Die Tante Jolesch und Die Erben der Tante Jolesch (Doppelband), Verlag Langen/Müller, München 2008, ISBN 978-3-7844-3139-0, S. 621

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