Lenore (Ballade)

Lenore (Ballade)
Lenore, Ausgabe von 1817, Verlag Dieterichsche Buchhandlung

Lenore ist eine Ballade des deutschen Dichters Gottfried August Bürger. Sie entstand im Jahre 1773 (nach einigen Quellen auch 1774) in Gelliehausen.

Die Ballade ist aufgrund ihrer Unheimlichkeit und Warnung vor Blasphemie heute immer noch sehr bekannt und gilt nach den Geschichten um den Lügenbaron Karl Friedrich Hieronymus von Münchhausen als wichtigstes Werk Gottfried August Bürgers. Sie bescherte ihm auch international erhebliche Popularität. Die Figur der Lenore inspirierte auch andere Künstler, z.B. Edgar Allan Poe (The Raven). Eine nachdichtende Übersetzung (William and Helen) ist Walter Scotts erstes veröffentlichtes Werk.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Die Schlacht bei Prag ist vorbei, doch der Verlobte von Lenore, Wilhelm, ist noch immer nicht aus dem Siebenjährigen Krieg heimgekehrt. Seit er mit König Friedrich in die Schlacht gezogen ist, sorgt sich Lenore um ihn und hofft jeden Tag auf seine Rückkehr, sie hat jedoch noch nichts von ihm gehört oder gesehen. Sie beginnt mit Gott zu hadern und sagt, dass er ihr nie etwas Gutes getan habe. Die Mutter bittet um Vergebung für ihre Tochter, da sie weiß, dass solch ein Denken Blasphemie ist und in die Hölle führt. Schließlich taucht Wilhelm tot als Geist auf und entführt Lenore zu einem Ritt durch die Nacht, auf dem ihnen viele andere Geister und Gesindel begegnen. Schlussendlich nimmt er sie mit in seinen Sarg und bringt sie so ins Totenreich.

Aufbau

Einleitung

Strophe 1–4

In der Einleitung wird der Sachverhalt dem Lesenden nahegebracht und verständlich gemacht.

Der König und die Kaiserin,
Des langen Haders müde,
Erweichten ihren harten Sinn
Und machten endlich Friede;

Hier wird auf die Vergangenheit und die Situation in der Gegenwart eingegangen und das Leiden der Lenore, die auf ihren heimkehrenden Verlobten wartet, beschrieben.

Dialog

Strophe 5–12

Der zweite Teil der Ballade besteht aus einem Dialog zwischen der Mutter und Lenore. Der Dialog dreht sich um Wilhelm und Gott. Lenore hadert aufgrund des schweren Schicksalschlages mit Gott und beschimpft ihn, die Mutter versucht ihre Gotteslästerung zu beenden und sagt, dass Wilhelm wohl in Ungarn eine andere Frau gefunden habe und dass sie von ihm loslassen solle.

"Hör, Kind! Wie, wenn der falsche Mann
Im fernen Ungerlande
Sich seines Glaubens abgetan
Zum neuen Ehebande? –––"

Lenore lässt sich davon jedoch nicht beruhigen und sagt, dass das einzige, was sie trösten könnte, der Tod sei.

„O Mutter! was ist Seligkeit?
O Mutter! was ist Hölle?
Bei ihm, bei ihm ist Seligkeit,
Und ohne Wilhelm, Hölle!
Lisch aus, mein Licht! auf ewig aus!“

Der Abschnitt endet damit, dass Lenore bis in die Nacht mit Gott hadert und wütet, die Mutter ist stets bemüht, sie zu beruhigen.

Ritt und Tod

Strophe 13–32

Im dritten Abschnitt kehrt Wilhelm als Geist wieder und überredet seine Verlobte dazu, mit ihm zu reiten, da er sie in ihr Hochzeitsbett bringen will. Nach der Einleitung und dem Dialog sorgt der dritte Teil für die Spannung und den dramatischen Aspekt in der Ballade. Nach Lenores Aufforderung an Wilhelm, in das Haus zu kommen, antwortet dieser:

„Ich darf allhier nicht hausen!
Komm, schürze, spring und schwinge dich
Auf meinen Rappen hinter mich!
Muß heut noch hundert Meilen
Mit dir ins Brautbett eilen.“

Auch sagt er, dass sie nur zu Mitternacht die Pferde satteln und von Böhmen aus reiten. Lenore ist schließlich, wenn auch mit Zweifeln, einverstanden und reitet mit ihrem verstorbenen Verlobten durch die Nacht. Während des Ritts begegnen sie vielen Geistern und Gesindel. Allmählich beginnt Lenore zu begreifen, dass ihr Verlobter tot ist.

Schließlich wird Lenore in ihr "Hochzeitsbett" gebracht, (Sechs Bretter und zwei Brettchen) das sich als Sarg herausstellt. Sie stirbt und wird für ihre Gotteslästerung bestraft.

Botschaft

„Lenore“ soll zweifelsohne belehren und eine Botschaft vermitteln. Die Hauptaussage der Ballade ist die Sünde der Gotteslästerung (Blasphemie) und ihre unausweichliche Sühnung. (Die Sünderin stirbt am Ende der Geschichte.) Die Mutter bittet im Dialog um Vergebung für die Sünden ihrer Tochter („Ach, daß sich Gott erbarme“) und sagt ihr mehrmals, dass alles, was Gott tut, Sinn hat und vorherbestimmt sei.

Diese Thematik war sowohl in der Zeit, als die Ballade geschrieben wurde, wie auch jetzt stets aktuell und eine wichtige Überlegung im Laufe der Menschheitsgeschichte.

  • Ist alles vorherbestimmt?
  • Warum lässt Gott, falls es ihn gibt, so schlimme Dinge wie Krieg und Tod zu?
  • Werden wir je den Grund und Sinn solcher Tragödien erfahren?

Das sind die zentralen Fragen von „Lenore“. Seit jeher werden die Entscheidungen Gottes hinterfragt. Gottfried August Bürger wollte diese Form der Gotteslästerung anhand eines Beispiels verständlich machen, jedoch auch kritisieren und die Menschen davor warnen, Gottes Entscheidungen zu hinterfragen bzw. Gott nur für die negativen Ereignisse verantwortlich zu machen.

Lenores Blasphemie wird nur, wie schon erwähnt, in dem zweiten Abschnitt (Dialog mit der Mutter) behandelt. Hier jedoch häufig und an vielen Stellen:

  • „Bei Gott ist kein Erbarmen"
  • „Gott hat an mir nicht wohlgetan!“
  • “Was half, was half mein Beten?”

Am Ende der Ballade stirbt Lenore aufgrund ihrer Lästerung und ihre Seele wird für ihre Sünden gerichtet („Gott sei der Seele gnädig!“). Vielleicht bereut sie sogar ihre Sünde, sie weiß jedoch auch, dass es für Reue jetzt zu spät ist. So wie es, zumindest laut Gottfried Bürger, jedem Gotteslästerer ergehen wird.

Sonstiges

Den Satz „Die Todten reiten schnell“ verwendete Bram Stoker 1897 in seinem Roman Dracula und in der postum veröffentlichten Geschichte Dracula's Gast. 2007 versuchte der österreichische Dokumentarfilm Die Vampirprinzessin, Indizien für die These zu sammeln, Fürstin Eleonore von Schwarzenberg sei zu Lebzeiten für eine Vampirin gehalten worden und habe als Namensgeberin für die Ballade gedient.

In seinem berühmten Gedicht Der Rabe verwendet Edgar Allan Poe den Namen Lenore für seine entfernte Geliebte als Anspielung auf Bürgers Ballade.

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