Lehde (Spreewald)

Lehde (Spreewald)
Lehde
Lědy
Koordinaten: 51° 52′ N, 13° 59′ O51.86333333333313.990277777778Koordinaten: 51° 51′ 48″ N, 13° 59′ 25″ O
Eingemeindung: 26. Okt. 2003
Postleitzahl: 03222
Vorwahl: 03542
historisches Wohnhaus in Lehde

Lehde, niedersorbisch Lědy, ist ein im Spreewald gelegenes, heute zur Stadt Lübbenau gehörendes Dorf.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Postkahn in Lehde

Während im Jahr 1929 Lehde noch 298 Einwohner zählte, leben hier nur noch ungefähr 130 bis 150 Menschen (Stand: 2010).[1] Der Ort ist ein Inseldorf, bestehend aus vielen Kaupen. Über Jahrhunderte war Lehde ausschließlich auf dem Wasserweg zu erreichen. Noch heute verfügen praktisch alle Grundstücke über einen eigenen Zugang zu einem der vielen zwischen 0,8 und 1 Meter tiefen Fließe, die weitgehend die Funktion von Straßen haben. Postanlieferung und Müllabfuhr finden auch heute noch auf dem Wasserweg statt. In den Wintermonaten erfolgt die Postzustellung jedoch an Briefkästen, die die Anwohner an der Landseite aufgestellt haben, per Postfahrrad oder Auto.

Durch die ungewöhnliche Lage Lehdes und einige erhaltene historische Spreewaldhäuser ist das komplett unter Denkmalschutz gestellte Lehde ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen. Vom Lübbenauer Großen Hafen werden die Besucher in traditionellen Spreewaldkähnen in ungefähr 1 bis 1,5 Stunden nach Lehde gestakt. Lehde ist jedoch auch zu Fuß, per Fahrrad oder mit dem Auto erreichbar, wobei die Schönheit und Besonderheit des Ortes vor allem von der Wasserseite aus zu erleben sind. Südlich an Lehde vorbei führt der Gurkenradweg.

Geschichte

Die erste urkundliche Erwähnung Lehdes erfolgte 1315 in einer Verkaufsurkunde für Lübbenau. Der Name dürfte sich vom sorbischen ledo ableiten und bedeutet wüster oder unbebauter Fleck. Ursprünglich war Lehde ausschließlich von Wenden bewohnt.

Fließ in Lehde

Zunächst wichtigster Erwerbszweig und vermutlich Anlass der Ansiedlung war der Fischfang in den fischreichen, das Ortsgebiet durchziehenden Armen der Spree. Noch heute verfügen viele Grundstücke über ein im Grundbuch eingetragenes Fischereirecht, wobei der Fischfang heute nur noch nebenberuflich betrieben wird. Zurückgehender Fischreichtum führte später zu einer stärkeren Hinwendung zum Gemüseanbau, für den der Spreewald auch überregional bekannt wurde. Vor allem Gurken, aber auch Zwiebeln, Meerrettich, Kürbisse, Rüben und Kartoffeln wurden auf den kleinen künstlich erhöhten Horstäckern angebaut. Sowohl der Gemüseanbau als auch die betriebene Viehhaltung waren sehr aufwändig. Anbau und Weideflächen waren häufig nur per Boot zu erreichen. Ein weiterer Erwerbszweig war der Anbau von Leinen und das Weben mit Webstühlen sowie das Flechten von Körben.

Nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs soll das komplett aus Holz in Blockbauweise errichtete Dorf Lehde einem Großbrand zum Opfer gefallen sein.[2]

Holzhaus

Im Jahr 1818 hatte Lehde 13 Häuser und 70 Einwohner. Drei waren als Gärtner tätig, zehn galten als Häusler. Die Dorfschenke bildete den Mittelpunkt des Ortes. Vor allem durch Erbteilung erhöhte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts die Zahl der Anwesen deutlich. 1840 lebten 184, 1846 dann 195 Menschen im Dorf. Der Viehbestand wird 1839 mit 18 Ochsen und 76 Kühen angegeben. Um 1900 gab es in Lehde 43 Gehöfte. Grundlage des Wachstums war eine intensivere Viehhaltung, ein verstärkter Gemüseanbau und ein guter Absatz des erzeugten Heus. Räumlich dehnte sich Lehde vor allem nach Norden zum Dolzke-Fließ aus. 1882 wurden 266, im Jahr 1929 298 Einwohner gezählt. Die Gemeindefläche wurde mit 366 Hektar angegeben. Kirchlich gehört Lehde zum Kirchspiel Lübbenau, wohin die Kirchgänger mit den Kähnen fuhren.

In den Jahren 1832 und 1849 brach die Cholera aus. In Lehde starben 20 % der Bevölkerung. Als ständiges Problem in der Geschichte Lehdes erwiesen sich die wechselnden Wasserstände der Spree. Sowohl extreme Hochwasser als auch das Austrocknen von Fließen führten zu existenziellen Krisen. Schwere Überschwemmungen gab es nach einem starken Gewitterregen am 12. August 1875. Schlimmer noch waren mehrere Unwetter am 24. Juni 1907. Neben großen Überschwemmungen setzte auch Hagel ein mit Hagelkörnern groß wie Hühnereier.[3]

Kriegerdenkmal

Theodor Fontane besuchte im August 1859 Lehde und erwähnt es in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Fontane vergleicht Lehde dort mit einem Venedig im Kleinen. Auch mehrere bekannte Maler widmeten sich in ihren Werken dem Ort und seiner Umgebung. Bereits aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammen Werke des Christian Gottlob Hammer. Bekannt sind auch die Werke des Lübbenauer Malers Max Carl Krüger. Ab 1882 setzte organisierter Fremdenverkehr ein. Der Gasthof Zum fröhlichen Hecht wurde zum Treffpunkt für viele vom Spreewald faszinierte Maler. Lehde wurde auch zu einem Künstlerdorf. 1911 wurde der Stummfilm Der fremde Vogel, mit Asta Nielsen in einer der Hauptrollen, in Lehde gedreht. Teile des Films entstanden am heute noch bestehenden Wohnhaus An der Lischka 7.

Gebäude der Freiwilligen Feuerwehr mit Storchennest

Im Jahr 1871 wurde ein neues Schulgebäude errichtet. Wie das zuvor als Schule genutzte alte Blockhaus besaß jedoch auch der Neubau nur einen Klassenraum, in dem alle Kinder von der ersten bis zur achten Klasse gleichzeitig unterrichtet wurden. Bis zu 60 Schüler, 20 Mädchen, 40 Jungs, wurden so unterrichtet. 1952 wurde die Dorfschule geschlossen.[4] Die Kinder gehen seitdem in Lübbenau zur Schule.

Für die auch heute noch bestehende Freiwillige Feuerwehr Lehdes wurde 1915 als erstes größeres Löschgerät eine zweirädrige Abprotzspritze angeschafft. Im Einsatzfall wurde sie auf einen Kahn gestellt, zum Einsatzort gefahren und dort wieder ausgeladen. Eine später angeschaffte leichtere Spritze konnte vom Kahn aus in Betrieb genommen werden. Im Winter 1915 musste die Feuerwehr tatsächlich einen größeren Hausbrand löschen. In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts kam es zu einem weiteren größeren Brand.

Wahlhelfer mit fliegender Wahlurne in Lehde zur Kommunalwahl 1990

Erst im Jahr 1929 wurde eine Landverbindung zum benachbarten Lübbenau geschaffen; bis dahin war der Spreewaldkahn das einzig mögliche Verkehrsmittel. Der Lehder Gemeindevorsteher August Koal hatte sich über längere Zeit für den zunächst nur als Fußweg ausgeführten Weg eingesetzt. Die Lehder Grundstückseigentümer hatten die benötigten Grundstücke kostenfrei zur Verfügung gestellt. In einem Fall war jedoch ein Enteignungsverfahren notwendig. Die erforderlichen Baukosten wurden in Höhe von 2.500 Reichsmark durch einen Gastwirt und weitere 2.500 RM durch den Kreis mit den Stimmen von Sozialdemokraten, Kommunisten, Demokraten und Wirtschaftspartei gegen die Stimmen der Konservativen getragen. Eine Stromversorgung Lehdes gibt es seit dem 21. November 1921, nachdem 1920 eine entsprechende Stromversorgungsgenossenschaft GmbH Lehde gegründet worden war. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg verloren 43 Einwohner Lehdes als Soldaten ihr Leben. Ein Gedenkstein im Ort erinnert daran.

Eingang zum Freilandmuseum

Im Jahr 1957 wurde ein Freilandmuseum, das Spreewaldmuseum Lehde, eröffnet. Hier werden inzwischen drei Gehöfte aus dem Spreewald mit ihrer ursprünglichen Ausstattung gezeigt. Im Juli 1984 wurde Lehde wegen seiner vielen historischen Blockbauten in die zentrale Liste für Denkmalpflege der DDR aufgenommen.

Kleine Flächen und nur schwer einsetzbare landwirtschaftliche Maschinen führten dazu, dass die kommerzielle Landwirtschaft im Kern des Spreewaldes praktisch nicht mehr betrieben wird und der traditionelle Anbau nur in kleinem Umfang fortgeführt wird. Die heutigen überregional vertriebenen Spreewaldprodukte stammen daher aus den mit normalen Produktionsmethoden bewirtschaftbaren Randbereichen des Spreewalds. Lehde lebt heute vor allem vom Tourismus. 1973 erfolgte die Eingemeindung nach Lübbenau.[5]

Sprache und Tracht

Ursprünglich sprachen alle Bewohner Lehdes Sorbisch. Heute wird in keiner Familie des Dorfes mehr Sorbisch als Umgangssprache verwendet.[3] Bereits 1430 hatte die Standesherrschaft Lübbenau, zu der Lehde gehörte, die Verwendung der wendischen, also sorbischen Sprache als Gerichtssprache verboten. Zu diesem Zeitpunkt war Lehde noch rein wendischsprachig. In der Praxis wurde Wendisch jedoch toleriert und auch amtliche Forderungen bei Bedarf in der wendischen Sprache geltend gemacht. 1719 wurde Martin Müller als Dorfschullehrer eingesetzt; zuvor hatten die Lehder das Recht, die Schule in Lübbenau zu besuchen. Müller teilte mit, dass er der einzige im Dorf sei, der der Deutschen Sprache mächtig sei. Es erfolgte nun ein regelmäßiger Deutschunterricht. Das Erlernen auch der Deutschen Sprache entsprach dem Wunsch der wendischen Bevölkerung, da mit der so besser möglichen Verständigung auf Märkten und Amtsstuben die persönlichen Chancen deutlich besser waren. Dem Dorfschullehrer drohte zeitweise die Entlassung, da er Deutsch nur ungenügend lehre. Von der Seite deutscher Behörden wurde immer wieder eine Germanisierung betrieben und versucht, die wendische Sprache aus Schulen, Kirchen und Ämtern zu verbannen. So fand der letzte Gottesdienst in wendischer Sprache in der für Lehde zuständigen Sankt-Nikolai-Kirche in Lübbenau 1867 statt. Trotzdem hielt sich das Sorbische in Lehde verhältnismäßig lange als Umgangssprache. 1882 waren 196 der 266 Einwohner noch der wendischen Sprache mächtig. Lediglich 70 wurden als deutschsprachig eingestuft. Etwa um 1880 verschwand die bis dahin typische Sorbische Tracht und wurde nicht mehr getragen. Bereits um 1900 beherrschte kaum noch ein Lehder Schulkind die Sorbische Sprache. 1976 verstarb mit Marie Poppschötz die letzte die wendische Sprache in Lehde nutzende und die sorbische Tracht tragende Einwohnerin. Einzelne Einwohner verstehen jedoch auch heute noch sorbisch und nutzen Worte und Redewendungen. Auch in den Flurbezeichnungen haben sich wendische Begriffe erhalten.

Wirtschaft

Gästehaus aus Holz in Lehde

Im heute touristisch geprägten Lehde gibt es viele Gaststätten und kleine Pensionen. Darüber hinaus besteht ein Handwerksbetrieb, in dem Spreewaldkähne hergestellt werden. 21 Bewohner Lehdes sind (Stand 1995) nebenberuflich als Fischer tätig.

Einrichtungen und Bauwerke

In Lehde sind noch mehrere Blockbauten aus dem 18. und 19. Jahrhundert erhalten. Von besonderer Bedeutung ist darüber hinaus das Spreewaldmuseum Lehde mit drei historischen Spreewaldgehöften. Nordöstlich des Dorfes liegt die historische Gaststätte Wotschofska. Weitere bekannte Einrichtungen sind das Gurkenmuseum sowie das Spreewald-Aquarium an der Gaststätte Zum fröhlichen Hecht, in dem in mehreren Aquarien einheimische Fischarten zu sehen sind.

Persönlichkeiten

Der Berliner Maler Albrecht Gutjahr (1880–1956) lebte bis zu seinem Tode in Lehde.

Literatur

Weblinks

 Commons: Lehde – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Spreewalddorf Lehde
  2. Lehmann-Enders, Henschel: Spreewalddorf Lehde, Seite
  3. a b Lehmann-Enders, Henschel: Spreewalddorf Lehde, Seite 15
  4. Wolfgang Ader: Eine Stadt macht Schule. In: Geschichte der Stadt Lübbenau – 20. Jahrhundert, 2004, Seite 211
  5. Fritz Heese: Vom Ackerbürgerstädtchen zum Industriestandort. In: Geschichte der Stadt Lübbenau – 20. Jahrhundert, 2004, Seite 146

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